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Platz da, jetzt komme ich! Warum Firmen an die Börse drängeln

Nun aber schnell!

Nun aber schnell!

(Foto: Reuters)

Monatelang taucht kein neues Unternehmen auf den Kurszetteln auf, und plötzlich stehen gleich mehrere Börsengänge kurz bevor. Der Frühsommer ist die beliebteste Jahreszeit für IPOs. Wieso eigentlich?

Kion, Springer Science, Deutsche Annington - und dann auch noch Osram. Ende Juni und Anfang Juli werden sich die Firmenchefs der Neuzugänge an der Frankfurter Börse fast die Glocke in die Hand geben. Dabei ist der letzte normale Börsengang in Frankfurt - LEG Immobilien - dann schon fünf Monate her. Dass sich die Börsenkandidaten nun plötzlich drängeln, ist kein Zufall. Denn die Zeitfenster, auf die Unternehmen für einen erfolgreichen Börsengang angewiesen sind, sind - jedenfalls in Deutschland - eng. Im März, im Juni, im September und Mitte November werden deshalb die meisten Börsengänge gestartet.

"Es gibt Fenster, die man erwischen muss. Da müssen mehrere Faktoren zusammentreffen: Das Unternehmen muss bereit sein für einen Börsengang, der Markt muss stabil sein, aber auch der angepeilte Börsenplatz muss gut laufen", sagt Martin Steinbach, der für die Unternehmensberatung Ernst & Young Börsengänge begleitet. "Der IPO-Eurostoxx Performance Index zeigt nach oben. Daher steht die Ampel derzeit auf Grün."

Die Zahlen

Diese Voraussetzungen allein würden Börsengänge im Mai oder August noch nicht ausschließen. Doch hinzu kommen die rechtlichen Vorgaben. Die Zahlen, die die Unternehmen in ihrem Wertpapierprospekt verwenden, dürfen zur Erstnotiz nicht älter sein als 135 Tage, das sind viereinhalb Monate. Sonst dürfen die Wirtschaftsprüfer die Zahlen nicht mehr beglaubigen, erläutert Oliver Seiler, der als Wirtschaftsanwalt für die Kanzlei Allen & Overy an vielen Börsengängen mitarbeitet. Das heißt: Verweist der Börsenaspirant auf seine Geschäftszahlen zum Jahresende, muss er bis spätestens Mitte Mai an der Börse sein.

Der Ausblick

Ältere Zahlen würden auch die Investoren nervös machen - vor allem bei Unternehmen, deren Geschäft stark schwankt. Das begünstigt auch Börsengänge im zweiten Halbjahr. Denn dann wagen die Firmen eher schon einen Ausblick auf das kommende Jahr - und die meisten Investoren treffen ihre Kaufentscheidungen für neue Börsenwerte auf Basis der Erwartungen für das Folgejahr. Auch in den vergangenen Jahren hatten daher viele Kandidaten auf einen Termin im Herbst gesetzt - doch da kam regelmäßig eine Krise dazwischen. Die LEG, die ihren Börsengang im Januar auf Basis der Zwischenbilanz bis September 2012 gestartet hatte, war eine Ausnahme. "Je stabiler das Geschäftsmodell ist, desto eher kann das das wagen", sagt Seiler.

Der Urlaub

Im Prospekt der jetzigen Börsenkandidaten werden sich die Quartalszahlen per Ende März finden. Sie wären eigentlich noch bis Mitte August frisch - doch in den Sommermonaten wagt sich kaum ein Unternehmen an die Börse. Denn da bangen die Banker, dass sich genügend Käufer finden. "Erfahrungsgemäß sind einige Investoren in den USA und Großbritannien wegen der beginnenden Urlaubssaison ab Mitte Juli nur noch eingeschränkt verfügbar, was die Vermarktung eines Börsengangs erschwert", sagt Seiler. Erst im September sitzen sie wieder an den Schreibtischen. "Je mehr Investoren da und aufnahmebereit sind, desto geringer ist natürlich das Risiko für den Emittenten."

Der eigene Zeittakt

Dass Kion, Springer Science und Deutsche Annington auf den letzten Drücker kommen wollen, hat auch individuelle Gründe: Beim Gabelstapler-Konzern Kion musste erst der Einstieg des chinesischen Großaktionärs Weichai Power abgeschlossen sein, der größte deutsche Wohnungskonzern Annington hatte erst im April einen neuen Vorstandschef bekommen. Und beim Wissenschaftsverlag Springer Science versuchen die Eigner alternativ zu den Börsen-Vorbereitungen einen Käufer für das ganze Unternehmen zu finden. Endgültige Offerten werden erst in diesen Tagen erwartet.

Dass der Lichtkonzern Osram erst jetzt an die Börse kommt, ist eher Zufall: Aktionärsklagen gegen die Abspaltung hatten den Schritt zuvor verhindert. Doch auf die Sommerpause musste auch Osram achten. Zwar verschenkt Siemens die Papiere nur an die eigenen Aktionäre. Doch um eine Verkaufswelle großer Aktionäre - etwa von Indexfonds - nach dem Börsendebüt zu vermeiden, müssen Banker vorher neue Investoren für Osram-Aktien im Volumen von mehreren hundert Millionen Euro finden.

Quelle: ntv.de, jga/rts

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