Wirtschaft

Stefan Riße Wo ist Anlegergeld noch sicher?

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(Foto: REUTERS)

Die Staatsschuldenkrise zwingt Anleger zum Umdenken. Aktienbörsen fahren Achterbahn und manche Staatsanleihen bringen ihren Investoren statt sicherer Renditen nur noch sichere Verluste. Börsenexperte Stefan Riße ist sicher: Wer sein Geld sinnvoll anlegen möchte, muss Risiken eingehen und gegen den Strom schwimmen.

Stefan Riße

Stefan Riße

Vor nun knapp 20 Jahren trafen sich die europäischen Staatsoberhäupter und ihre Delegationen im holländischen Maastricht, um die Bedingung für die gemeinsame Währung - den Euro - auszuhandeln. Es entstand der Maastricht-Vertrag, der dafür sorgen sollte, dass die Europäische Währungsunion quasi als Krönung des europäischen Einigungsprozesseses ein Erfolg wird. Dennoch gab es einige Kritiker insbesondere in Deutschland. Vier namhafte Wirtschaftsprofessoren, die sogar das Verfassungsgericht anriefen, gehörten genauso dazu, wie der damalige US-Notenbank Präsident Alan Greenspan und mein Börsenziehvater André Kostolany. Viel zu unterschiedlich seien noch die Kulturen und die Mentalität in den einzelnen Ländern, als das man sie in einen Währungsraum pressen könne, lauteten seine Bedenken.

Doch spätestens zehn Jahre später, als am 9. Mai 2002 mit dem Euro erstmals keine Person, sondern ein "Gegenstand" den Karlspreis in Aachen verliehen bekam, galten die Kritiker als wiederlegt. Zwar befand sich nach dem Platzen der Internet-Blase und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Wirtschaft ebenfalls in keiner einfachen Situation, doch der Euro befand sich außerhalb jeden Zweifels. Alan Greenspan sah sich sogar dazu veranlasst, seine Aussage zu revidieren, dass der Euro keinen Bestand haben werde.

Euro in Gefahr

Heute - weitere zehn Jahre später - sieht die Situation vollkommen anders aus. Die Nach- und Nach-Nachfolger der damaligen Regierungschefs stehen vor einem Scherbenhaufen und versuchen auf dem EU-Gipfel zu retten, was noch zu retten ist. Der Fortbestand des Euros ist in hohem Maße gefährdet. Anleger trauen den angeschlagenen Ländern der Europeripherie nicht mehr zu, ihre Schulden zurückzuzahlen, was die Zinsen für deren Staatsanleihen so stark steigen lässt, dass aus der Befürchtung einer Staatspleite droht, eine sich selbst erfüllende Prognose zu werden.

Die drastischen Sparmaßnahmen, mit denen das Vertrauen zurückgewonnen werden soll, führen die Länder in einen Teufelskreis aus nachlassender Konjunktur, rückläufigen Steuereinnahmen und damit der Notwendigkeit weiterer Sparmaßnahmen.

Sichere Verluste

Das Umfeld für Kapitalanleger hat sich durch die Schuldenkrise ebenfalls diametral geändert. Spätestens seit dem Schuldenschnitt für Griechenland ist der Ausfall von Staatsanleihen innerhalb der Eurozone zu einer realen Gefahr geworden. Was gestern noch als sichere Kapitalanlage galt, ist es heute nicht mehr. Bleiben aber noch die Anleihen der als solide geltenden Kernländer, allen voran deutsche Bundesanleihen. Doch es handelt sich nur um eine scheinbare Sicherheit, weil sich die Rückzahlung nur auf das nominale Kapital bezieht. Doch schon heute liegen die Zinsen für langlaufende Anleihen mit einem Zins von zwei Prozent unter der aktuellen Teuerungsrate von 2,4 Prozent. Zieht man außerdem noch die Abgeltungssteuer ab, verlieren Anleger real bereits heute ein Prozent pro Jahr.

Wer sein Geld nur kurzfristig in Festgeld oder andere Geldmarktpapiere anlegt, bekommt hingegen nur ein Prozent und verliert damit rund zwei Prozent pro Jahr. In den anderen Industrieländern ist die Relation noch schlechter. Weil den USA, wie auch Großbritannien im Unterschied zu den Euroländern die Notenpresse zur Verfügung steht, ist es unzweifelhaft, dass sie ihre Schulden werden zurückzahlen können. Dementsprechend liegen die Zinsen auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland. Die Inflationsraten liegen mit 3,5 Prozent in den USA und über fünf Prozent in Großbritannien aber noch höher und damit auch die reale Geldvernichtung.Ziehen die Inflationsraten in der Zukunft weiter an, dann werden Anleger mit Festzinsanlagen real weite Teile ihrer Ersparnisse verlieren.

Zeiten für Gold

Die aufgrund der Staatschuldenkrise widrigen Konjunkturaussichten lassen auch Aktien als risikoreich erscheinen. Nach zwei historischen Börsencrashs und negativen Renditen in den vergangenen zehn Jahren, wirkt der Satz "Aktien sind die bessere Geldanlage" wie eine Farce.

Viele Anleger setzen deshalb mittlerweile auf Gold als letzten sicheren Hafen. Und auch ich rate seit Jahren dazu, aufgrund der verschuldungsbedingten Inflationsgefahren einen Teil ins Gold anzulegen. Doch auch Gold schwankt stark wie wir gerade in den letzten Monaten mit zwischenzeitlichen Kursverlusten von fast 20 Prozent erleben durften. Und Gold wirft gar keine Rendite ab. Es kann deshalb nicht die einzig selig machende Geldanlage sein.

Das Fazit ist sehr einfach: Es gibt keine sicheren Geldanlagen mehr. Wer sein Vermögen real erhalten oder gar vermehren will, der muss Risiken eingehen.

Vieles spricht dafür, dass dieser Mut belohnt werden wird. Denn Erfolg haben an den Kapitalmärkten grundsätzlich diejenigen, die das Gegenteil dessen tun, was die Mehrheit macht. Und die Mehrheit setzt derzeit vor allem darauf, bloß nichts zu verlieren. Dabei schauen sie aber eben nur auf den nominalen und nicht auf den realen Kapitalerhalt.

Aktien mit hohen Dividendenrenditen

Aktien will niemand mehr anfassen. Allein aus diesem Grund sollte man in Erwägung ziehen, neben dem Gold doch in Aktien zu investieren. Die Dividendenrendite im Dax liegt bei knapp vier Prozent und damit doppelt so hoch wie die von Staatsanleihen. International agierende Konzerne machen sich zudem zunehmend von der Konjunktur in ihren Binnenmärkten unabhängig und profitieren von den wachstumsstarken Regionen in Südamerika und Südostasien. Diese Länder haben kein Verschuldungsproblem, weder auf Staatsseite, noch bei den privaten Haushalten. Das Streben der Bevölkerung nach einem höheren Lebensstandard und den Marken-Produkten der großen Konzerne der westlichen Welt liefert große Absatzmärkte.

Inmitten der Panik um die Europeripherieländer bieten sich sogar auch Chancen bei den europäischen Staatsanleihen. Griechenland ist ein Sonderfall. Die Wirtschaft ist völlig marode und die Gesamtverschuldung höher als in allen anderen Ländern der Eurozone. Italien hat mit dem Norden dagegen Regionen, die genauso wettbewerbsfähig sind wie Bayern und Baden-Württemberg, und Spanien hat insgesamt weniger Schulden als Deutschland. Es ist deshalb davon auszugehen, dass zumindest in den kommenden zwei Jahren kein weiteres Land der Eurozone Pleite gehen wird. Und da irrationaler Weise einjährige italienische und spanische Staatsanleihen mehr Zinsen bringen, als langlaufende Papiere bieten sich hier interessante Renditen.

Mein Rat: Mut fassen und was riskieren!

Stefan Riße ist Portfolio Manager bei der Hanseatischen Portfolio Management in Hamburg. Bekannt ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Börsenkorrespondent für den Nachrichtensender n-tv. Sein aktuelles Buch "Die Inflation kommt" belegte 2010 erste und zweite Plätze auf den bekannten Wirtschaftsbuch-Bestsellerlisten. Mehr von und über Stefan Riße erfahren Sie unter https://www.rissesblog.de/

Quelle: ntv.de

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