Wirtschaft

20 Jahre nach Maastricht Zurück in die Zukunft

Am 7. Februar 1992 unterzeichnen der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (l) und Finanzminister Theo Waigel den am 9. Dezember 1991 ausgehandelten Vertrag von Maastricht.

Am 7. Februar 1992 unterzeichnen der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (l) und Finanzminister Theo Waigel den am 9. Dezember 1991 ausgehandelten Vertrag von Maastricht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nachsitzen statt Korkenknallen: Weil ausufernde Staatschulden das Vertrauen der Märkte untergraben, sollen just an ihrem 20. Jahrestag die Europäischen Verträge geändert werden. Dass dies eines Tages auf der Agenda stehen würde, hatte Kanzler Kohl schon in der Geburtsstunde des Euro im Sinn.

Als am 9. Dezember 1991 beim EU-Gipfel im niederländischen Maastricht die Grundlagen für die Einführung des Euro unter Dach und Fach gebracht wurden, sparten die Staats- und Regierungschefs der damals zwölf Mitgliedsländer nicht mit Eigenlob. Nun seien die "Weichen für einen neuen Abschnitt des europäischen Einigungsprozesses gestellt", meinte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl. Sehr erfreut äußerte sich auch Frankreichs damaliger Präsident François Mitterrand. Paris habe alles erreicht, was es wollte. Selbst die Briten zeigten sich zufrieden - weil sie beim Euro außen vor bleiben durften.

Auf den Tag genau 20 Jahre später kommen die mittlerweile 27 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zusammen. Doch statt Aufbruch- herrscht Katerstimmung. Denn das Abenteuer Euro hat die EU in die tiefste politische Krise ihrer Geschichte gestürzt. Und noch ist nicht abzusehen, ob der Gipfel darauf die richtige Antwort findet.

Schuldengrenzen

Eigentlich legte die in Maastricht vereinbarte Wirtschafts- und Währungsunion bereits Grundregeln fest, die Krisen wie die heutige hätten vermeiden sollen. Nur Länder mit gesunden Staatsfinanzen könnten überhaupt am Euro teilnehmen, hieß es damals. Dazu dürfe die jährliche Neuverschuldung des Staates im Prinzip höchstens drei Prozent, die Staatsschulden höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen.

Auf Drängen des damaligen Bundesfinanzministers Theo Waigel wurde außerdem 1996 in Dublin der Stabilitäts- und Wachstumspakt geschlossen. Er sollte verhindern, dass die Haushaltsdisziplin der Euro-Länder nachlässt.

Vereinbart wurde in Dublin, "mittelfristig" ausgeglichene Haushalte anzustreben. Bis 2004, so die Zielvorgabe, sollten die Euro-Mitglieder "nahezu" ausgeglichene Haushalte vorweisen. Unter "nahezu" verstand die EU-Kommission, dass ein Defizit von bis zu 0,5 Prozent toleriert werden könne. Zugleich wurde ein Frühwarnsystem vereinbart. Länder, die sich der Drei-Prozent-Marke näherten, mussten mit einem Mahnschreiben aus Brüssel rechnen.

Papier ist geduldig

Für den Fall, dass ein Land diese Marke überschreitet, wurden schon damals Sanktionen beschlossen - Geldstrafen von bis zu 0,5 Prozent des BIP. So stand es zumindest auf dem Papier. Doch schon wenige Jahre später wurden die Stabilitätskriterien in Frage gestellt. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder und der frühere französische Staatschef Jacques Chirac etwa forderten 2002, der Pakt müsse "flexibler" gehandhabt werden. Kurz danach nannte Kommissionspräsident José Manuel Barroso den ganzen Pakt "dumm" und zu rigide.

Dieser Ansicht waren möglicherweise auch die Griechen, die die Aufnahme in die Eurozone - wie sich freilich erst später herausstellte - 2001 nur mit gefälschten statistischen Angaben schafften. Aber auch viele andere Länder gingen mehr als lax mit den Vorgaben von Maastricht um. Von den mittlerweile 17 Euro-Staaten überschritten in den letzten Jahren die meisten die Drei-Prozent-Marke für das Defizit und die 60-Prozent-Obergrenze für die Staatsverschuldung. Auch Deutschland riss 2010 erstmals seit fünf Jahren wieder die Obergrenze - mit einer Defizitquote von 3,5 Prozent. Bei der Staatsverschuldung lag Deutschland mit einer Quote von gut 83 Prozent ebenfalls im roten Bereich.

Fernziel politische Union

Angesichts der akuten Schuldenkrise hat die EU mehrfach die Notbremse gezogen. 2010 beschloss sie eine Verschärfung des Euro-Stabilitätspaktes und einen dauerhaften Krisenmechanismus. Ziel war es, die Hauptlast für die Rettung überschuldeter Mitgliedsländer privaten Gläubigern wie Banken und Fonds aufzubürden. Kritiker bezweifeln aber, dass all dies den Märkten neues Vertrauen in den Euro geben kann.

Zur aktuellen Krise habe das Fehlen einer "demokratisch legitimierten EU-Wirtschaftsregierung" geführt, betont etwa der SPD-Europaabgeordnete und Finanzexperte Udo Bullmann. Möglicherweise hatte der überzeugte Europäer Kohl diese Gefahr schon frühzeitig erkannt. Er forderte schon beim Gipfeltreffen in Maastricht vergeblich eine "politische Union" - die es bis heute nicht wirklich gibt.

Quelle: ntv.de, Jutta Hartlieb, AFP

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