Wirtschaft

Stresstest für die Türkei Trumps Öl-Embargo beschleunigt Lira-Crash

Steht die nächste Krise bevor? Im August 2018 waren Kapitalverkehrskontrollen nötig, um den Markt zu beruhigen.

Steht die nächste Krise bevor? Im August 2018 waren Kapitalverkehrskontrollen nötig, um den Markt zu beruhigen.

(Foto: picture alliance/dpa)

Ab Mai verbietet die US-Regierung auch der Türkei Ölimporte aus dem Iran. Die dadurch steigenden Ölpreise könnten der türkischen Wirtschaft den Rest geben.

Es wird eng für die Türkei. Der Lira-Verfall könnte der Wirtschaft schon bald die Luft abschnüren. Allein in den vergangenen zwölf Monaten hat die Landeswährung zum US-Dollar bereits über 40 Prozent an Wert verloren. Das heißt, alles was die Türkei auf dem Weltmarkt in Dollar einkaufen muss - wichtige Rohstoffe wie Öl und Gas zum Beispiel - ist annähernd um die Hälfte teurer. Schon jetzt ächzen Unternehmen und Menschen unter dem Verlust ihrer Kaufkraft. Und es könnte bald noch schlimmer werden.

Schuld daran ist die Ankündigung der US-Regierung, die Ausnahmen bei den Iran-Sanktionen zu streichen. Davon betroffen sind insbesondere China, Indien und die Türkei. Ab Mai drohen diesen Ländern empfindliche Strafen, wenn sie weiter Öl aus dem Iran importieren.

Das Öl-Embargo der USA trifft die Türkei gleich in mehrfacher Hinsicht ins Mark: Das Land bezieht zwölf Prozent seiner Ölimporte aus dem Nachbarland. Beim Gas sind es 20 Prozent. Die Rohstoffe müssen ersetzt werden. Schon jetzt sind sie deutlich teurer. Die Ankündigung, dass die Ausnahmeregelung wegfällt, trieb den Ölpreis sogar noch höher. Der Preis für die Sorte Brent aus der Nordsee stieg auf ein Sechs-Monats-Hoch.

Wirtschaft rutscht auf die Klippe zu

Das ist politischer Sprengstoff für die Regierung von Recep Erdogan. Schon jetzt liegt die Inflation über 20 Prozent. Jeder weitere Preisanstieg durch explodierende Ölpreise wäre katastrophal. Das Land leide nicht nur durch eine höhere Importrechnung, sondern auch, weil der Ölpreis ein wichtiger externer Inflationstreiber sei, sagt Commerzbank-Analyst Tatha Ghose.

Rohöl (Brent)
Rohöl (Brent) 89,41

Als kritisch könnte sich für die Türkei noch etwas anderes erweisen: Die Kaufverträge für Gas sehen laut "Handelsblatt" angeblich vor, dass die Rechnungen fällig werden, egal, ob US-Sanktionen den Import behindern oder nicht. Im schlimmsten Fall muss die Türkei doppelt zahlen: Zum einen die alte Rechnung für das bald verbotene Gas aus dem Iran, das nicht mehr eingeführt werden darf. Und zum anderen die neue Rechnung für Lieferungen aus Ersatzländern, damit die Türkei über den nächsten Winter kommt.

Woher das Geld kommen soll, ist unklar. Denn die Zentralbank ist schon jetzt klamm. Mit der Währungskrise in der Türkei sind ihre Reserven gefährlich geschrumpft. Wie groß der Puffer an Fremdwährungsreserven überhaupt noch ist, wird spekuliert. Offenbar hübschen die Notenbanker ihre Dollarbestände mit Bilanztricks auf. Eine Erklärung der Notenbank zu den Reserven steht immer noch aus.

Türkische Zinswächter halten die Füße still

Internationale Investoren zweifeln zunehmend, dass sich die Türkei noch aus eigener Kraft aus diesem Schlamassel befreien kann. Auch der Zinsentscheid der türkischen Notenbank am Donnerstag konnte kein neues Vertrauen an den Märkten schaffen.

Angesichts der fragilen Währung und der hohen Inflationsrate entschieden sich die Währungshüter, den Leitzins bei 24 Prozent zu belassen. Die Notenbank begründete ihre Zurückhaltung mit den Risiken für die Preisstabilität. Die Geldpolitik bleibe so lange restriktiv, bis sich der Inflationsausblick bessere.

Die Währungshüter stecken in einer Zwickmühle: Um die Lira zu stützen, müssten sie einerseits den Leitzins anheben. Um die flaue Wirtschaft anzukurbeln müssten sie sie andererseits senken. Die Iran-Sanktionen verschlimmern den Teufelskreis. Denn auch das Öl-Embargo erfordert eigentlich Zinserhöhungen, weil es die Preise zusätzlich treibt.

Wie nervös die Anleger sind, lässt sich am stetigen Verfall der Landeswährung ablesen. Die Kapitalflucht hält an, immer mehr Investoren ziehen sich zurück. Die Notenbankentscheidung am Donnerstag ließ die türkische Lira zum Dollar spontan auf ein Sechsmonatstief rutschen.

Sanktionsdruck von außen, Rebellion von innen

Auch die innenpolitische Lage beäugen Investoren misstrauisch: Es läuft nicht rund für den türkischen Präsidenten. Seine AKP ist geschwächt. Bei der Kommunalwahl hat die Regierungspartei das wichtigste Bürgermeisteramt in Istanbul, in der Schaltzentrale der Wirtschaft, Ende März hauchdünn an den Oppositionskandidaten Ekrem Imamoglu verloren. Die Partei verlangt immer noch eine Neuwahl. Die Wahlbehörde hat ihre Entscheidung dazu noch nicht bekannt gegeben.

Und auch fast drei Jahre nach dem Putschversuch reißt die Serie von Fahndungen und Festnahmen nicht ab. Allein am Freitag ließen Staatsanwälte bei Razzien in Istanbul und anderen Städten 115 Soldaten festnehmen. Ihnen werden angebliche Verbindungen zur Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen vorgeworfen, den die Regierung für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht.

Die Kulisse, die sich hier aufbaut, ist gefährlich. Der türkische Außenminister hat bereits angedroht, das US-Einfuhrverbot für Öl aus dem Iran ignorieren zu wollen. Es droht ein Machtkampf mit den USA. Der türkischen Wirtschaft könnte der eigentliche Stresstest also noch bevorstehen.

Quelle: ntv.de

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