Wirtschaft

Heißer Herbst für Rübenbauern Brüssel kassiert die Zuckerquote

Historischer Umbruch in der Landwirtschaft: Die deutsche Zuckerrübe bekommt Konkurrenz.

Historischer Umbruch in der Landwirtschaft: Die deutsche Zuckerrübe bekommt Konkurrenz.

(Foto: picture alliance / Peter Förster)

In der europäischen Landwirtschaft zeichnen sich epochale Umbrüche ab: In wenigen Tagen gibt die EU den Zucker frei. Rübenbauern müssen mit fallenden Preisen rechnen. Experten zufolge könnte schon bald mehr Glukosesirup auf den Tellern landen.

Der Oktober läutet für Landwirte, Industrie und Lebensmittelhersteller eine neue Ära ein: Nach knapp 50 Jahren läuft die bisher gültige EU-Zuckermarktordnung aus, die den europäischen Zuckermarkt durch die Zuckerquote und die Mindestpreise für Zuckerrüben jahrzehntelang beherrschte. "Damit wird eine der letzten Marktordnungen als Element der Agrarpolitik des vergangenen Jahrhunderts beendet und der europäische Zuckermarkt liberalisiert", fasst der Deutsche Bauernverband die anstehenden Umbrüche zusammen.

Nach der Milchquote fällt zum Monatswechsel ein weiterer Eckpfeiler der bisherigen EU-Agrarpolitik. Ab Sonntag, 1. Oktober  gelten keine Mindestpreise mehr für in der EU angebaute Zuckerrüben. Zugleich fallen auch Quoten und Limits für die europäische Zucker-Produktion und die Herstellung von Glukosesirup weg. Bestehende Exportbeschränkungen werden teilweise gestrichen.

Die Freigabe des Zuckers beendet ein milliardenschweres Kapitel Brüsseler Subventionspolitik. Branchenkenner gehen davon aus, dass der Wegfall der Mechanismen zum Schutz des heimischen Zuckeranbaus deutliche Preisschwankungen am Zuckermarkt auslösen wird. Zunächst sind davon vor allem die Rübenbauern betroffen: Die Zuckerrübe stellt bislang noch die wichtigste Zuckerquelle in Europa dar.

Der Bauernverband spricht von einer "historischen" Veränderung: "Die deutschen Zuckerrübenanbauern werden dann (...) im globalen Wettbewerb mit den großen Zuckererzeugern Brasilien und Thailand stehen, aber auch mit den europäischen Rübenanbauregionen", heißt es in einer aktuellen Stellungnahme.

Raffiniert und süß: Herkömmlicher Haushaltszucker stammt in Deutschland in Regel aus der Rübe.

Raffiniert und süß: Herkömmlicher Haushaltszucker stammt in Deutschland in Regel aus der Rübe.

(Foto: picture alliance / Jens Kalaene/)

Über kurz oder lang könnte sich der agrarpolitische Kurswechsel auch für Laien im Landschaftsbild bemerkbar machen: Wenn sich der wasser- und arbeitsintensive Anbau von Zuckerrüben in Deutschland nicht mehr lohnt, müssen Landwirte umschwenken und andere Ertragsquellen suchen. Die Felder in Deutschland könnten dann in Zukunft anders aussehen - etwa, wenn Bauern künftig mehr Mais oder Weizen anbauen. Was genau kommt durch die Änderungen auf Landwirte, Industrie und Verbraucher zu?

Was regelte die Zuckerquote?

Der Zuckerproduktion in der EU waren bislang enge Grenzen gesetzt gewesen. Maximal 85 Prozent der Produktion durften aus EU-Ländern stammen, der Rest wurde durch Importabkommen vor allem mit Entwicklungsländern gedeckt. Dort lassen sich zuckerhaltige Pflanzen wie zum Beispiel das Zuckerrohr dank der klimatischen Bedingungen sehr viel einfacher und günstiger anbauen. Um den Zuckerpreis zu stabilisieren, galt zusätzlich zur Zuckerquote bei der Produktion eine Obergrenze von jährlich 13,5 Millionen Tonnen.

Der Anteil von Glukosesirup - das ist ein Flüssigzucker, der aus Mais oder Weizen hergestellt wird - war bislang auf fünf Prozent dieser 13,5 Millionen Tonnen begrenzt. Außerdem mussten die Zuckerproduzenten den Landwirten einen Mindestpreis für ihre Rüben zahlen. Diese starren Begrenzungen wurden 2006 eingeführt, nachdem es in der EU wegen Exportsubventionen jahrzehntelang zu einer Überproduktion gekommen war.

Kritiker der EU-Agrarpolitik wiesen seit Jahren darauf hin, dass diese Exportsubventionen Entwicklungsländer massiv benachteiligen. Der Preis am Weltmarkt wurde durch das Überangebot an subventioniertem Zucker aus Europa künstlich gedrückt. Importschranken sorgten gleichzeitig dafür, dass der europäische Absatzmarkt für Zuckerbauern aus dem Süden versperrt blieb. Europa könne sich Milliarden an Entwicklungshilfe sparen, lautet ein gängiger Vorwurf, wenn es sich für Agrarprodukte aus Afrika, Südamerika oder Asien öffnen würde.

Woher kommt der Zucker?

Derzeit wird der meiste Zucker in Europa noch aus Zuckerrüben hergestellt. Deutschland und Frankreich sichern mit jeweils 24 Prozent fast die Hälfte der europäischen Produktion. Firmen in Großbritannien, Portugal und Rumänien raffinieren importierten Zucker, vor allem Rohrzucker aus Lateinamerika.

Die Zuckereinfuhren unterliegen, bis auf Einfuhrkontingente aus ausgewählten Drittländern, aber weiterhin hohen Schutzzöllen - und werden daher vermutlich nicht zunehmen. Wegen des Wegfalls der Quote planen Irland, Portugal und Slowenien bereits, den Zuckerrübenanbau wieder aufzunehmen. Ungarn zum Beispiel möchte seine Maissirup-Herstellung verdreifachen.

Was heißt das für Zuckerrüben-Bauern?

Südzucker
Südzucker 13,29

Die Landwirte müssen sich ganz klar auf härtere Zeiten einstellen: Auf dem europäischen Markt wird es deutlich mehr Wettbewerb geben. Experten sind sich einig, dass der Preis für Zuckerrüben - zumindest kurzfristig - deutlich sinken wird. Außerdem wird es stärkere Preisschwankungen geben. Ein Preissturz wie bei der Abschaffung der Milchquote wird allerdings nicht erwartet.

Der Wegfall der Zuckerquote bietet auch Chancen: Die Rübenbauern in Deutschland hätten sich "lange und intensiv" auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet, heißt es beim Bauernverband. Die Zuckerindustrie könnte vom Wegfall der Obergrenze bei der Produktion und vom künftig unbeschränkten Export sogar profitieren. Theoretisch könnten Landwirte dadurch künftig mehr Agrarrohstoff in Form von Zuckerrüben absetzen. Die EU erwartet jedoch, dass in der Union ab Herbst vor allem mehr Glukosesirup hergestellt wird. Dadurch könnten durchaus auch mehr Arbeitsplätze in ländlichen Regionen entstehen.

Wird Zucker nun billiger?

Für die Kunden im Supermarkt werden die Auswirkungen des Wegfalls der Quote wohl minimal sein. "Hier setzt der Handel die Preise, das nimmt der Verbraucher kaum wahr", sagte kürzlich Hartwig Fuchs, Chef des Unternehmens Nordzucker, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Oliver Huizinga von der Verbraucherorganisation Foodwatch warnt die Verbraucher dennoch: "Niedrige Zuckerpreise versprechen hohe Gewinne für die Lebensmittelindustrie - auf Kosten der Gesundheit." Mit gesunden Lebensmitteln wie Obst oder Gemüse machten Unternehmen deutlich weniger Profit als mit zuckrigen Getränken oder Snacks. Und gerade bei diesen Produkten lohnt es sich künftig noch mehr, mit scharfem Auge auf die Zutatenliste zu schauen.

Mehr Mais-Zucker auf dem Teller?

Denn Experten gehen davon aus, dass der Anteil von Glukosesirup an der europäischen Zuckerproduktion und -verarbeitung steigen wird, weil er günstiger zu produzieren ist als Zucker in Form von Saccharose aus Zuckerrüben. Gesundheitsschädlicher sei dieser Alternativzucker, fachsprachlich auch Isoglukose genannt, jedoch nicht, heißt es.

Aus gesundheitlicher Sicht sei es "unerheblich", ob zum Beispiel Limonaden mit Isoglukose oder Haushaltszucker gesüßt werden, erklärt Huizinga. In großen Mengen eingenommen seien beide Zuckerarten ungesund und förderten die Entstehung von Übergewicht und anderen chronischen Krankheiten wie etwa Diabetes.

Wissenschaftliche Studien und medizinische Erfahrungswerte zu den Auswirkungen eines hohen Zuckerkonsums gibt es reichlich: In den USA werden bereits seit Jahrzehnten viele gebrauchsfertige Lebensmittelzubereitungen mit Glukosesirup auf Maisbasis angereichert.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP

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