Wirtschaft

Aktienrally will nicht enden Wie groß sind die Crashrisiken?

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(Foto: dpa)

Nur noch Aktien werfen nennenswerte Erträge ab. Doch die guten Nachrichten sind alle schon eingepreist. Wie geht es im nächsten Jahr weiter? Wir haben drei Experten befragt.

Teleboerse.de: Wir befinden uns im neunten Jahr der weltweiten Börsenrally. Werden Aktien auch 2018 weiter steigen?

Uwe Günther: Ich denke schon - aber selektiv. Relativ gute Chancen haben Japan, Rohstoff- und Minenwerte sowie mehrere Schwellenländer. US-Aktien, mehrere Technologiewerte und insbesondere Tesla & Co. werden jedoch richtig "out". Auch das europäische Börsen-Pflänzchen wird darunter leiden.

Holger Knaup: Wir gehen auch 2018 von steigenden Aktienmärkten aus. Allein eine hohe Bewertung - zum Beispiel gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) - muss nicht zwangsläufig ein Ende der Hausse bedeuten.

Thomas Wukonigg: Ich bin ebenfalls optimistisch. Aber die Schwankungen werden deutlich zunehmen.

Was könnte die Kurse denn überhaupt noch nach oben treiben? Steigende Unternehmensgewinne, niedrige Zinsen und die Steuersenkung in den USA sind doch schon alle eingepreist.

Knaup: Wir befinden uns vermutlich erst am Anfang der digitalen Revolution, vergleichbar mit den industriellen und technologischen Revolutionen im 18., 19. und 20. Jahrhundert. Da ist noch viel Phantasie für steigende Kurse, aber auch für politische und gesellschaftliche Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen.

Wukonigg: Außerdem gibt es nach wie vor kaum Alternativen. Gleichzeitig kommt es zu Bewertungsausweitungen. Die Anleger sind bereit, zum Beispiel höhere Kurs-Gewinn-Verhältnisse zu akzeptieren.

Günther: Ich sehe das etwas kritischer. Die billige Liquidität und die direkten Aktienkäufe der Notenbanken sowie Aktienrückkäufe der Unternehmen mit fast kostenlosen Krediten können zwar auf kurze Sicht noch für höhere Kurse sorgen. Wir erleben aber derzeit schon die Endphase des aktuellen Kreditzyklus.

Die 500 größten in den USA börsennotierten Unternehmen (S&P 500) haben durchschnittlich ein KGV von 19. Das Shiller-KGV liegt sogar bei mehr als 25. Angesichts dieser hohen Bewertungen ist doch eine Korrektur überfällig, die auch an den anderen Aktienmärkten nicht spurlos vorbeigehen dürfte?

Uwe Günther ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der "BPM - Berlin Portfolio Management GmbH".

Uwe Günther ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der "BPM - Berlin Portfolio Management GmbH".

Günther: Markt-Crashs haben erstmal wenig mit Bewertungsniveaus zu tun. In der Vergangenheit waren sie fast ausnahmslos das Ergebnis von Liquiditätsproblemen, staatlichen Eingriffen, geldpolitischen Fehlern, Rezessionen oder Inflationsschüben.

Wukonigg: Ganz klar, die Märkte sind überfällig. Sollten die Börsen in den USA korrigieren, wird es insbesondere deutsche Werte überproportional treffen, da hier Ausländer hohe Anteile halten.

Knaup: Ich sehe das nicht so schwarz. Die vermeintlich hohen Bewertungen sind natürlich auch im Zusammenhang mit dem aktuell immer noch extrem niedrigen Zinsniveau zu sehen. Auch wenn die Gefahr besteht, dass die Zinsen steigen, erwarten wir nur bei unkontrolliert stark anziehenden Zinsen auch einen nachhaltigen Einfluss auf die Aktienmärkte.

Die US-Indizes wurden 2017 vor allem durch wenige Tech-Aktien wie Facebook, Amazon, Apple, Netflix oder Alphabet (früher Google) – also die sogenannten FAANG-Aktien - nach oben getrieben. Da kann man doch kaum von einer gesunden Hausse sprechen.

Wukonigg: Die qualitativ schlechtesten Titel haben ja bereits deutlich korrigiert, ohne dass dies am Markt zur Kenntnis genommen wurde. Aber es stimmt schon: Die Marktbreite nimmt ab, was wir als möglichen Vorboten der überfälligen Konsolidierung werten. In einzelnen Segmenten herrscht eine Überhitzung.

Knaup: Die Aussage kann ich so nicht ganz unterschreiben. In der Tat haben sich die angesprochenen FAANG-Aktien auch 2017 wieder sehr gut entwickelt. Aber auch viele, viele andere Aktien mit einer durchaus hohen Marktkapitalisierung sind in den zurückliegenden zwölf Monaten deutlich gestiegen, ohne dass man auf Basis der aktuellen Bewertung von einer Überhitzung sprechen kann. Entscheidend in unserer Anlagestrategie ist das Stockpicking. Insofern spielt für uns die Entwicklung der Indizes eine eher untergeordnete Rolle.

Tesla ist an der Börse umgerechnet mehr als 45 Milliarden Euro wert, obwohl das Unternehmen pro Quartal mehrere Hundert Millionen Dollar verbrennt. Die Marktkapitalisierung des hoch profitablen BMW-Konzerns ist nicht sehr viel höher. Die Aktie kommt nur auf ein KGV von weniger als acht. Diese Bewertungsdiskrepanz zwischen New und Old Economy erinnert stark an Neue-Markt-Zeiten.

Thomas Wukonigg verantwortet bei der Wamsler & Co. Vermögensverwaltung u.a. das Portfoliomanagement. Der Bankkaufmann verfügt über 28 Jahre Berufserfahrung.

Thomas Wukonigg verantwortet bei der Wamsler & Co. Vermögensverwaltung u.a. das Portfoliomanagement. Der Bankkaufmann verfügt über 28 Jahre Berufserfahrung.

Günther: Das ist korrekt. Das Kursziel von Tesla sehen wir bis 2020 eher bei null bis 50 Dollar, also dramatisch tiefer als die 290 Euro, die derzeit gezahlt werden. Vermutlich wird den Investoren schon 2018 der Geduldsfaden reißen.

Knaup: Der Marktanteil von Tesla liegt weltweit bei knapp 0,15 Prozent und spielt damit im globalen Wettbewerb überhaupt keine Rolle. Mit einer Produktion von rund 100.000 Pkw im Jahr 2017 ist Tesla schlicht und ergreifend vernachlässigbar. Der steigende Aktienkurs von Tesla wurde von der Fantasie getragen, aber nicht von der Realität. Wenn diese Blase platzt, bricht das ganze System Tesla zusammen.

Die Börsianer haben die umfassende Steuersenkung in den USA erwartet. Wie stark und nachhaltig kann die Reform die Aktienkurse an der Wall Street nach oben treiben?

Wukonigg: Die Steuerreform dürfte weitestgehend eingepreist sein. Viele US-Unternehmen zahlen heute schon nicht wesentlich mehr Steuern, als es die Reform vorsieht - wegen der zahllosen Steuerschlupflöcher. Allerdings könnte die beabsichtigte Steuersenkung für Gelder, die Apple & Co. aus dem Ausland in die USA zurückholen, die Kurse noch ein Stück weit nach oben treiben.

Günther: Das Steuerprogramm ist nicht nachhaltig und wird keinen wesentlichen Einfluss auf Investitionen und die wirtschaftliche Belebung in den USA haben. Weiterer Spielraum des Staats ginge mit den Steuerplänen verloren - die alte Stärke der USA ist wahrscheinlich unwiederbringlich dahin.

Die Anleger gehen überwiegend davon aus, dass auch 2018 eine Zinswende ausbleibt. Die amerikanische Notenbank Fed hat aber schon bis zu drei Leitzinserhöhungen in den Raum gestellt. Und in Europa dürfte schon bald die Diskussion über eine erste Zinserhöhung der EZB beginnen. Ist das eine Gefahr für die Aktienmärkte?

Knaup: Nein, die Notenbanken werden 2018 keine Gefahr für die Aktienmärkte darstellen. Zwar ist die amerikanische Fed im geldpolitischen Zyklus deutlich weiter fortgeschritten als die EZB. Klar ist aber auch, dass die US-Notenbank selbst nach den drei Zinserhöhungen, die für 2018 erwartet werden, noch weit von normalen Zeiten entfernt ist. Die EZB wird auch unseres Erachtens das gesamte Jahr 2018 im Anleihemarkt eine große Marktmacht bleiben und die Zinsen hierdurch niedrig halten.

Günther: Widerspruch. Wenn die ersten Hedgefunds und Unternehmen aus der Realwirtschaft Ihre Kredite nicht mehr bedienen können oder zur Lieferung von (nicht vorhandenen) zusätzlichen Sicherheiten aufgefordert werden, kommt ganz schnell ganz viel Druck auf. Wie immer eben.

Anfang 2016 haben Sorgen um Chinas Konjunktur die Aktienmärkte in die Knie gezwungen. Jetzt spricht kaum noch jemand von den Problemen der Volksrepublik. Dabei handelt es sich nach wie vor um ein hoch verschuldetes Land, in dem sich Parteifunktionäre bei den Unternehmen einmischen. Ist das ein "grauer Schwan" der uns 2018 Probleme bereiten könnte?

Holger Knaup arbeitet als geschäftsführender Gesellschafter bei der Vermögensverwaltung Albrecht, Kitta & Co. und ist verantwortlich für das Portfolio- und Risikomanagement.

Holger Knaup arbeitet als geschäftsführender Gesellschafter bei der Vermögensverwaltung Albrecht, Kitta & Co. und ist verantwortlich für das Portfolio- und Risikomanagement.

Wukonigg: Die chinesische Regierung und Notenbank haben in den Krisenzeiten zuletzt am besten agiert. Das bewusste Ablassen der Immobilienblase, das sie gerade vornimmt, ist gesund, kann aber temporär zu Korrekturen am Aktienmarkt führen.

Knaup: China hat weiterhin diverse Hausaufgaben zu erledigen. Demografisch ist die chinesische Erwerbsbevölkerung dank der Ein-Kind-Politik bereits auf dem absteigenden Ast. Die Verschuldung, insbesondere der Staatsunternehmen, hat drastisch zugenommen. Und der Immobilienmarkt ist unverändert ein potenzielles Stabilitätsrisiko. Der Boom im Wohnungsbau ist schon lange vorbei.

Kurz zu den politischen Risiken. Dieses Jahr gehen die Brexit-Verhandlungen in die entscheidende Runde. Außerdem wählen die Italiener ein neues Parlament, wo europafeindliche Parteien stark abschneiden könnten. Alles kein Problem?

Günther: Natürlich ist das problematisch. In der ganzen Welt fühlen sich Menschen beziehungsweise die Konsumenten zunehmend ungehört, ausgegrenzt und nicht vertreten. Über kurz oder lang werden die daraus entstehenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme auch an den Wertpapiermärkten eingepreist werden.

Wukonigg: Insbesondere Italien ist zu beobachten, da die europafeindlichen Kräfte zuletzt wieder zugelegt haben. Der Brexit könnte dagegen im äußersten Fall sogar zurückgedreht werden. Sobald Austrittsdetails mit der EU fixiert sind, könnte es noch einmal zu einer Abstimmung der Briten kommen. Das ist allerdings noch nicht 2018 zu erwarten.

Was ist ihr wichtigstes Argument pro Aktien und welche Regionen und Branchen favorisieren Sie für 2018?

Günther: Uns gefallen japanische Aktien als Profiteur einer weiteren Yen-Abwertung und mittelgroße Goldminen in stabilen Regionen weiterhin gut. Lithiumproduzenten und physisches Kupfer haben auch eine weiterhin interessante Story.

Knaup: Im Fokus stehen bei uns die Regionen Deutschland und USA sowie die Branchen, die von der Digitalisierung profitieren.

Wukonigg: Wir mögen Europa, da ein großer Bewertungsabstand zu den USA besteht. Unsere These für die kommenden Jahre bleibt die erwähnte Bewertungsausweitung bei Aktien mangels Alternativen. In den USA bleiben wir untergewichtet.

Disclaimer

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken und zur Nutzung durch den Empfänger. Sie stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag der Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung GmbH, der BPM - Berlin Portfolio Management GmbH und der Wamsler & Co. Vermögensverwaltung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder Investmentfonds dar. Die in der vorliegenden Publikation enthaltenen Informationen wurden aus Quellen zusammengetragen, die als zuverlässig gelten. Die Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung GmbH, die BPM - Berlin Portfolio Management GmbH und die Wamsler & Co. Vermögensverwaltung geben jedoch keine Gewähr hinsichtlich deren Zuverlässigkeit und Vollständigkeit und lehnen jede Haftung für Verluste ab, die sich aus der Verwendung dieser Information ergeben.

Quelle: ntv.de

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