Wirtschaft

Wie geht es an den Märkten weiter? "Unkontrollierter Zinsanstieg ist ein Risiko"

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass der Dax Ende kommenden Jahres bei etwa 11.300 Punkten liegen wird.

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass der Dax Ende kommenden Jahres bei etwa 11.300 Punkten liegen wird.

(Foto: REUTERS)

Die Deutsche Bank geht davon aus, dass der Deutsche Leitindex Dax auch im kommenden Jahr zulegen wird. Zugleich warnt Chefanlagestratege Ulrich Stephan im Interview mit telebörse.de allerdings auch vor Risiken.

telebörse.de: "Politische Börsen haben kurze Beine" ist eine alte Börsenweisheit. In ihrem Kapitalmarktausblick 2017 betonen Sie, dass politische Entscheidungen im kommenden Jahr eine große Rolle an den Kapitalmärkten spielen werden. Damit meinen Sie nicht nur die künftigen Entscheidungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump?

Dr. Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank.

Dr. Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank.

(Foto: Deutsche Bank)

Ulrich Stephan: Die politische Großwetterlage hat sich durch die Agenda des neuen US-Präsidenten Trump deutlich verändert. Sollte er seine Ankündigungen aus dem Wahlkampf alle in die Tat umsetzen, wird das gravierende ökonomische Auswirkungen haben mit dem entsprechenden Einfluss auf die Börsen. Allerdings ist Trump nicht der einzige politische Faktor an den Märkten. In Europa finden im kommenden Jahr diverse Wahlen statt, am wichtigsten sicherlich die Präsidentschaftswahlen in Frankreich und die Bundestagswahl in Deutschland. Noch im Dezember wird es in Italien ein Verfassungsreferendum geben, und je nach Ausgang eventuell sogar Neuwahlen. Ich habe das Gefühl, dass wir in einer Zeit leben, in der populistische Entscheidungen zunehmen und daher die Politik eine größere Rolle an den Märkten einnehmen wird.

Was ist nach ihrer Ansicht der größte Risikofaktor für die Börsen im kommenden Jahr?

Neben den erwähnten politischen Gefahren ist ein unkontrollierter Zinsanstieg der größte Risikofaktor für 2017. Mit der Wahl von Trump sind die Zinsen bereits deutlich angestiegen – durch die Aussicht auf eine expansive Fiskalpolitik, also Steuersenkungen und erhöhte Staatsausgaben. Deshalb steigen auch die Inflationserwartungen kräftig an. Das wird die US-Notenbank möglicherweise dazu bringen, weiter an der Zinsschraube zu drehen, was wiederum auch die langfristigen Zinssätze steigen lassen dürfte. Wenn der Zinsanstieg zu stark ausfallen sollte, hätte das negative realwirtschaftliche Auswirkungen, und der Kapitalmarkt, der jahrelang eine Niedrigzinspolitik gewöhnt war, würde sehr empfindlich reagieren. Die zentrale Frage ist, ob Anleger das als Kaufgelegenheit sehen oder aber erschreckt verkaufen würden. Auch wenn dies einer der großen Risikofaktoren ist, glaube ich jedoch nicht, dass die Zinsen in den USA übermäßig ansteigen werden.

Sie sehen besonders in den USA großes wirtschaftliches Potenzial und gute Chancen am Aktienmarkt. Beim Dax erwarten Sie dagegen nur einen moderaten Aufschwung bis auf 11.300 Punkte bis Ende 2017. Überhaupt zeichnen Sie für Europa ein düsteres Bild. Warum?

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Die Menschen in den USA haben mit Trump ein US-Wachstumsprogramm gewählt. Außerdem gibt es in einigen Sektoren bereits eine Sonderkonjunktur. Hillary Clinton wollte die Medikamentenpreise deckeln, Trump will das nicht, was Pharmawerten zu Gute käme. Ähnliches sehen wir bei den Finanzwerten, Trump will diesen Bereich weniger scharf regulieren. Die hartnäckige weltweite Wachstumsschwäche setzt sich fort. In Europa sehen wir dazu mögliche politische Risiken. Daher billigen wir dem Dax und dem EuroStoxx 50 nur ein einstelliges Gewinnwachstum zu und keine stärkere Ausweitung der Gewinne wie in den USA.

Welche anderen Sektoren am Aktienmarkt dürften im Jahr 2017 am meisten profitieren?

In den USA sehen wir Chancen bei Unternehmen, die ein starkes Inlandsgeschäft haben, außerdem gehören Versorger, Telekom und IT-Unternehmen zu unseren bevorzugten Branchen. IT-Firmen dürften weltweit zu einem der beliebtesten Sektoren 2017 gehören, da viele Branchen einen technologischen Wandel durchleben. Dazu zählt auch die Medienbranche, die immer stärker digitalisiert wird. Vorsichtig wäre ich nach wie vor bei Energie-, Öl- und Gasunternehmen. Das gilt auch für die Automobilbranche, die mit einer niedrigen Bewertung bereits die schwachen Aussichten widerspiegelt.

In ihren Prognosen ist eine Euro-Dollar-Vorhersage für Ende 2017 von 0,95 US-Dollar je Euro auffällig. Worauf beruht dieser erwartete starke Anstieg des US-Dollars?

Der Grund für diese Prognose ist die sehr unterschiedliche Geldpolitik zwischen den USA und Europa, damit ist auch eine unterschiedliche Zinsentwicklung in beiden Regionen verbunden. Wir erwarten, dass die US-Notenbank in diesem Jahr noch mindestens einen Zinsschritt unternehmen wird, möglicherweise sogar zwei, während die EZB ihr Anleihenkaufprogramm verlängern wird, vermutlich um sechs bis neun Monate. Die Folge: in Europa bleibt die Geldpolitik expansiv und in den USA wird sie restriktiver. Die zunehmende Zinsdifferenz zwischen Europa und Amerika wird im Jahresverlauf zu Kapitalflüssen Richtung USA führen. Damit wird der US-Dollar gegenüber dem Euro weiter zulegen.

Kann ein weiterer Zinsanstieg den Boom am Immobilienmarkt bremsen?

Langfristig werden steigende Zinsen auch die Hypothekenzinsen verteuern. Wir sind allerdings der Meinung, dass ein Großteil des Zinsanstiegs, der eigentlich 2017 kommen müsste, bereits jetzt vorweggenommen wurde. Daher ist nicht mehr jeder Bereich des Immobilienmarktes spannend und bietet ein gutes Chance-Risikoverhältnis. In den USA sind die Gewerbeimmobilien aufgrund der geplanten Investitionen, der Steuerförderung und des vorhandenen Wachstums jedoch nach wie vor interessant. In Deutschland sind es Wohnimmobilien in bestimmten Regionen. Es werden grundsätzlich zu wenige Wohnungen gebaut und die Immobilienpreise steigen daher kräftig an, insbesondere in den Städten. Dieser Trend könnte sich fortsetzen, da die Urbanisierung anhält und die Metropolregionen weiter wachsen. Die Lage ist daher bei Immobilien entscheidend. Aufgrund der Preissteigerungen sinkt allerdings die Mietrendite, die im Schnitt bei aktuell knapp sieben Prozent liegt. Eine Blase am Immobilienmarkt erkennen wir trotz der Preissteigerungen der vergangenen Jahre derzeit nicht.

Mit Ulrich Stephan sprach Benjamin Feingold

Quelle: ntv.de

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