Wirtschaft

Sind Aktienmärkte überteuert? Sommergewitter sind wahrscheinlich

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(Foto: picture alliance / dpa)

US-Aktien sind um mehr als 60 Prozent überbewertet. Wenn die Wall Street korrigiert, wird dies auch an den anderen Börsen für Turbulenzen sorgen.

Die 500 größten in den USA notierten Aktiengesellschaften werden zurzeit mit einem Shiller-KGV von 27,9 bewertet. Die Kennzahl setzt den Aktienkurs mit dem durchschnittlichen und inflationsbereinigten Gewinn je Aktie der zurückliegenden zehn Jahre ins Verhältnis. Vereinfacht gesagt gibt das Shiller-KGV an, was der faire Wert einer Aktie im Durchschnitt von zehn Jahren ist. Seit 1979 liegt der Mittelwert des Shiller-KGVs beim S&P 500, der die 500 US-amerikanischen Blue Chips umfasst, bei 17. So betrachtet sind US-Aktien derzeit 64 Prozent teurer als in der Vergangenheit.

Außerdem wird die Rally in den USA nur von wenigen Branchen beziehungsweise Einzelwerten getragen. Rechnet man Amazon und die Google-Mutter Alphabet raus, stagniert der S&P 500 seit Jahresanfang. Die enormen Unterschiede in der Wertenwicklung der verschiedenen Branchen erhöhen das Risiko kurzfristiger Gewinnmitnahmen.

Hinzu kommt, dass die US-Wirtschaft bereits seit acht Jahren wächst. Das ist ungewöhnlich lange. Eine Rezession scheint überfällig. Auf das Jahr hochgerechnet sind die Gewinne US-amerikanischer Unternehmen zuletzt bereits wieder gesunken. Hohe Bewertungen und sinkende Profite sind ein Cocktail, der Börsianern überhaupt nicht schmeckt.

Jetzt zeichnet sich noch ab, dass US-Präsident Donald Trump in den kommenden Monaten viel Zeit mit Untersuchungsausschüssen und Sonderermittlern verbringen muss. Das dürfte es ihm schwermachen, gleichzeitig die groß angekündigten Steuersenkungen, Deregulierungen und Infrastrukturprogramme durchzusetzen, mit denen der gelernte Bauunternehmer anfangs die Börsianer euphorisiert hat. Trump droht zur "lame duck" zu werden, bevor er richtig losgelegt hat.

Und dann hat die US-Notenbank Fed Mitte kürzlich bereits das zweite Mal in diesem Jahr die Leitzinsen angehoben. Weitere Zinsschritte stehen im Raum. Außerdem wird die Fed wohl demnächst damit beginnen, Anleihen zu verkaufen und so den Finanzmärkten Liquidität zu entziehen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die US-Notenbank eine Rally zu Fall bringt.

Deutschland und Japan fair bewertet

Richard Lutz verantwortet bei der Wamsler & Co. Vermögensverwaltung unter anderem das Portfoliomanagement. Der Bankkaufmann verfügt über 23 Jahre Berufserfahrung.

Richard Lutz verantwortet bei der Wamsler & Co. Vermögensverwaltung unter anderem das Portfoliomanagement. Der Bankkaufmann verfügt über 23 Jahre Berufserfahrung.

Die Lage an anderen großen Finanzmärkten sieht schon deutlich besser aus. Die Bewertung des Dax bewegt sich auf dem Niveau der vergangenen Jahre, deutsche Aktien sind derzeit weder besonders preiswert noch ungewöhnlich teuer. Der japanische Aktienmarkt ist sogar verglichen mit früheren Bewertungen zurzeit günstig. China und Russland sind noch deutlicher unterbewertet. Zudem fahren vor allem die Europäische Zentralbank und die Bank of Japan weiter eine expansive Geldpolitik und sorgen für viel Liquidität und niedrige Zinsen.

Schließlich herrscht in Europa nach der Wahl von Emmanuel Macron zum Präsidenten Frankreichs erst einmal politische Stabilität - zumindest so lange, bis die Neuwahlen in Italien anstehen. So betrachtet stehen die Börsenampeln in Europa somit eher auf Grün als auf Rot.

Klar ist aber auch: Wenn die Wall Street korrigieren sollte, wird das die anderen internationalen Börsen mitreißen. Dazu kommen geopolitische Risiken. Die Stichworte lauten hier: anhaltende Kriege in der Ukraine und Syrien, Türkeikrise, Streit zwischen Japan und China um Inseln im Südchinesischen Meer, Regierungskrisen in Venezuela und Brasilien sowie IS-Terror und arabische Ächtung von Katar, dem größten Gasproduzenten der Welt. Vor diesem Hintergrund ist durchaus mit kräftigen Sommergewittern zu rechnen.

Nebenwerte besser als große Standardwerte

Besonders anfällig sind die großen Aktienindizes, da hier große Volumina in Indexprodukten investiert sind. Erfahrungsgemäß werden die im großen Stil auf den Markt geworfen, sobald die Risikoaversion der Anleger wieder steigt. ETFs auf den Dax oder Dow Jones sind in der augenblicklichen Gemengelage wahrscheinlich nicht die passenden Investments. Dasselbe gilt für die Standardwerte dieser Indizes. Aussichtsreicher sind da schon Titel aus der zweiten und dritten Reihe. Zu meiden sind dagegen die sogenannten Trump-Aktien, also die Werte, die seit der Wahl des neuen US-Präsidenten überdurchschnittlich gut gelaufen sind. Wenn Trump weiter vor allem twittert und keine konkreten Reformen liefert, könnten diese wieder auf das Vor-Trump-Niveau zurückfallen.

Statistisch betrachtet sind zudem der August und der September die schlechtesten Börsenmonate überhaupt. Für die Anleger heißt dies: Es ist durchaus Zeit, einmal den Fuß etwas vom Gaspedal zu nehmen. Vielleicht ergeben sich ja im Herbst wieder günstigere Einstiegsgelegenheiten. Unwahrscheinlich ist das nicht.

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Quelle: ntv.de

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