Wirtschaft

Teurer Börsencrash Panik und Euphorie kosten eine Billion

Und plötzlich ging es abwärts.

Und plötzlich ging es abwärts.

(Foto: REUTERS)

Der jüngste Börsencrash ist ein Lehrstück der Psychologie. Für Chaos sorgen neben Herdenverhalten auch steigende Zinsen. Sparer sollten sich nicht zu früh freuen. Denn für die Hoffnung auf höhere Zinsen war der Montag pures Gift.

Der jüngste Ausverkauf an den Börsen hat viele Investoren extrem überrascht. Die Euphorie aus dem Januar kippte blitzschnell in reine Panik. Auslöser waren steigende Zinsen in den USA. Der rapide Absturz war ein Vorgeschmack darauf, was bei einer wirklichen Zinswende droht. Investoren fühlten sich zu sicher. Ordnen wir die Lage einmal ein.

Der Crash an den US-Börsen bestätigt eine Redewendung: An der Börse geht es per Treppe aufwärts, abwärts aber per Fahrstuhl. Am Montag war der S&P500 um 4,1 Prozent eingebrochen, der Dow Jones hatte zeitweise 1600 Zähler (5,3 Prozent) verloren, in Punkten so viele wie noch nie zuvor in seiner Geschichte. Damit hat der Leitindex innerhalb der ersten drei Handelstage des Monats Februar Kursverluste von einer Billion Dollar verbucht. Ähnliche Ausschläge sind sehr selten. Letztmals schwankte der S&P500 im August 2011 vier Tage mit Kursgewinnen oder -verlusten von vier bis fünf Prozent und er brach am 24. August 2015 um 6,5 Prozent ein. Diese Kurseinbrüche waren aber schnell vergessen, weil die Kurse schnell wieder stiegen.

Warum ging es abwärts?

Experten sehen eine Reihe von Gründen für den jüngsten Kursrückschlag. Die einen führen ihn auf die massiven Verkäufe durch Hedgefonds zurück. Sie hätten beispielsweise per passiven Indexfonds auf eine anhaltend niedrige und sogar weiter sinkende Volatilität gesetzt. Diese wird S&P500 am VIX gemessen. Mit anderen Worten: Sie spekulierten darauf, dass alles so wie 2017 weiter gutgeht und extrem ruhig bleibt am Markt. Das war ein Trugschluss. Anfang Februar waren herbe 520 Millionen Dollar in einen einzigen Volatilitätsfonds geflossen - ein Rekord und das 25-Fache der normalen Zuflüsse.

Solche Produkte bilden die umgekehrte Entwicklung des VIX-Volatilitätsindex ab. Das heißt: Sie gewinnen, wenn es am Markt ruhig bleibt und verlieren, wenn es rund geht. Nachdem der Index explodierte, waren die Hedgefonds gezwungen, zu liquidieren - womit sie die Kursverluste beim S&P500 verstärkten. Dies ist vergleichbar mit der Spekulation bei Volkswagen und Porsche vor einigen Jahren, als aus markttechnischen Gründen die VW-Aktie im Kurs erst stark stieg und danach zusammenbrach. "Jahrelang haben die US-Börsen die weltweite Erholung angeführt, jetzt verbreiten sie Unsicherheit rund um den Globus", sagte Carlo Alberto De Casa vom Broker ActivTrades.

Andere Finanzprofis betrachten sogenannte Risk Parity-Fonds als einen der Verursacher des Kursrückschlags. Dies sind eine Art Mischfonds, die Risikosteuerung optimieren sollen. Wegen der lange Zeit sehr niedrigen Volatilität am US-Aktienmarkt hatten sie den Aktienanteil zulasten des Anleihenanteils aufgestockt. Das Hochschießen des VIX brachte auch sie in die Bredouille. Experten schätzen, dass sich das verwaltete Vermögen der weltweiten Risk Parity-Fonds auf mehrere hundert Milliarden Dollar belaufen könnte.

Wann dreht der Markt nach oben?

Viele Investoren rätseln, wann der S&P500 einen Boden finden und der Dax sich stabilisieren dürfte. Die einen Investoren hoffen, dass der US-Aktienmarkt bei einem derart starken Ausverkauf zügig sein Tief erreichen könnte, dass die Volatilität allerdings hoch bleiben könnte. Ray Dalio, der Chef des weltgrößten Hedgefonds Bridgewater Associates, meint, dass der jüngste Kursrückschlag "nur kleine Korrekturen im Gesamtbild" seien und eine Menge Geld bereitstünde, um in den Aktienmarkt einzusteigen. Dies sieht man partiell auch schon. Broker wie DeGiro registrieren seit Montag starke Aktivität von Anlegern, auch im privaten Bereich.

Geht es doch weiter abwärts, dürften viele Investoren darauf setzen, dass sie einmal mehr von den Notenbanken herausgehauen werden - die Zinsen also niedrig bleiben. Daran haben sich die Anleger in den vergangenen Jahren gewöhnt. "Wir möchten auf eine hohe Wahrscheinlichkeit hinweisen, dass die Notenbanken eingreifen könnten, um den Markt zu beruhigen", schrieb Marko Kolanovic, der Chef der Derivate- und Quant-Strategie von JPMorgan.

Zur Erinnerung: Der Crash wurde neben dem Herdentrieb der Großinvestoren und folgenden Computerprogrammen eben von steigenden Zinsen ausgelöst. Jeder hat nun einmal mehr gesehen, dass eine wirkliche Zinswende unberechenbare Verwerfungen nach sich ziehen würde. Dies gilt nicht nur für den Aktienmarkt, andere Anlageklassen wie Immobilien könnten mittelbar folgen.

Die Notenbanken wissen dies und werden deshalb eher noch vorsichtiger auf der Zinsseite agieren. In den USA erwarten Finanzakteure bisher vier Zinserhöhungen für das laufende Jahr. Folgt auf den Crash eine Korrektur Teil zwei und schlägt die schlechte Aktienstimmung auf die US-Verbraucher durch, wird es aber wohl nicht so viele Erhöhungen geben.

Das wiederum hat auch die EZB im Hinterkopf. Darum folgen zwei Lehren aus dem Crash: Anleger sollten sich bei blinder Euphorie niemals darauf verlassen, dass alles schon gutgeht. Und Sparer müssen erkennen, dass der Weg zu spürbaren Zinsen ein sehr, sehr weiter ist.

Quelle: ntv.de

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