Wirtschaft

Schrumpfen und Sparen Löscher bohrt Siemens auf

Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser (l), der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher (M) und Stephan Heimbach (r), Leiter Corporate Communications und Government Affairs auf der Aktionärsversammlung.

Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser (l), der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher (M) und Stephan Heimbach (r), Leiter Corporate Communications und Government Affairs auf der Aktionärsversammlung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Von der Weltwirtschaft erwartet Siemens-Chef Löscher keinen Rückenwind. Umso wichtiger ist es, dass es im Konzern stimmt. Das tut es aber mitnichten. Das Management hat sich teure Patzer erlaubt. Die Kritik am Unternehmenskurs reißt nicht ab. Löscher hat alle Hände voll zu tun.

An Baustellen bei Siemens mangelt es wahrhaftig nicht. Konzernchef Peter Löscher schwört sein Haus deshalb auf Veränderungen ein. Der Elektroriese soll in den kommenden Jahren im großen Stil umgebaut werden. Mit einem gewaltigen Sparprogramm sollen die Kosten bis 2014 um sechs Milliarden Euro eingedampft und so der Anschluss an die Konkurrenz gefunden werden. Fest steht: Tausende Arbeitsplätze ebenso wie ganze Geschäftsbereiche werden dem Schrumpfungsprozess zum Opfer fallen.

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Für Branchenbeobachter und Aktionäre im Besonderen ist ärgerlich, dass viele Probleme hausgemacht sind. Dieser Kritik kann sich das Management - auch wenn es sich auf dem Ohr taub stellt - nicht entziehen. Vor allem bei Großprojekten, so bemängeln Analysten, hat das Management sich nicht hervorgetan: Die Millionenkosten für die verspätete und unvollständige Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn sind nur ein Beispiel. Erst kurz vor Weihnachten gab es wegen der wiederholten Verzögerungen einen Krisengipfel zwischen Bahn und Siemens.

Aquirieren und konzentrieren

Die Probleme konnten Siemens nicht davon abhalten, seine Akquisitionstour fortzusetzen und sein Bahngeschäft mit einer Milliardenübernahme zu stärken. Im November vergangenen Jahres kaufte der Konzern für umgerechnet 2,2 Milliarden Euro die Bahnautomatisierungssparte der britischen Invensys-Gruppe. Löscher will das Unternehmen mit Zukäufen im großen Stil auf seine Kernaktivitäten konzentrieren. Randbereiche werden sukzessive abgestoßen. Allerdings: Synergien durch den Zukauf der Invensys-Sparte werden erst 2018 erwartet.

Auf großer Einkaufstour war Löscher bei der Industrietechnik. Das Geschäft mit Computerprogrammen wurde in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Im vergangenen Frühjahr kam für 680 Millionen Euro die belgische LMS hinzu. Insgesamt elf solcher Softwareschmieden hat der Konzern mittlerweile für mehr als vier Milliarden Euro gekauft.

Siemens
Siemens 172,78

Als teurer Flop erwies sich der Ausflug ins Solargeschäft. Mit dem Kauf der israelischen Solel für 418 Millionen Dollar und dem Erwerb von Anteilen an der italienischen Archimede wollte Siemens eigentlich bei der solarthermischen Stromerzeugung mitmischen. So weit der Plan. Das Geschäft flog Löscher um die Ohren. Der Markt etablierte sich nie. Solel machte mehr Verlust als Umsatz. Die Anteile an Archimede hat Siemens mittlerweile zurückgegeben, für Solel wird derzeit ein Abnehmer gesucht.

Osram wird ausgeknipst

Eine weitere Baustelle, der sich Löscher widmet, ist die Trennung von Osram. Die Leuchtmitteltochter hat der Konzernmutter auf der Strecke viel Kopfschmerzen bereitet. Im vergangenen Jahr machte Osram rund 370 Millionen Euro Verlust. Die Konsequenz ist: 8000 Mitarbeiter sollen weltweit gehen, 1800 davon allein in Deutschland. Siemens will möglichst einen Schlussstrich unter Osram ziehen und das Lampengeschäft mehrheitlich an die eigenen Aktionäre weiterreichen. Gut 80 Prozent sollen die Eigentümer halten, Siemens will sich mit 20 Prozent begnügen.

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Beim Netzwerkhersteller Nokia Siemens Networks ist ein Ende des Engagements offen. Dieses Jahr läuft der Vertrag aus, der den beiden Eigentümern Nokia und Siemens einen einseitigen Ausstieg aus dem Gemeinschaftsunternehmen verbietet.

Die Situation besserte sich jüngst - nach verlustreichen Jahren verzeichnete der Netzwerkbauer zwei Quartale mit stabilen Umsätzen und Gewinn. Das heizt Spekulationen über einen Börsengang an.

Trotz der Erfolge und steigender Bruttomargen will NSN-Chef Rajeev Suri die Sparschraube noch fester anziehen. Sein Haus werde die Kosten über die bisher angepeilten Einsparungen von einer Milliarde Euro hinaus senken, kündigte er an. Vor allen in der Verwaltung, der EDV und im Einkauf sei noch etwas zu holen. Seine dritte Sanierungsrunde hat NSN zunächst weitgehend hinter sich. Schneller als geplant seien weltweit 15.300 Stellen abgebaut worden, hieß es. Die Kosten für die Einschnitte seien mit 1,3 Mrd. Euro allerdings 100 Mio. Euro höher ausgefallen als vorhergesagt.

Nokia-Chef Stephen Elop hielt die Zukunft der seit sechs Jahren mit Siemens betriebenen Tochter offen. "Alle Optionen bleiben auf dem Tisch", sagte er. Siemens hielt sich zu seinen Plänen für das Joint Venture auf der Hauptversammlung bedeckt.

Kein Anschluss in der Energietechnik

Den größten Kummer hat dem Siemens-Vorstand im vergangenen Jahr wohl die Energietechnik bereitet. Siemens verpatzte den rechtzeitigen Anschluss von Windparks in der Nordsee und musste dafür eine halbe Milliarde Euro Strafe zahlen. Dazu kommt, dass asiatische Konkurrenz verstärkt auf den Markt für Transformatoren drängt. Siemens reagierte auf den wachsenden Preisdruck mit dem Abbau Tausender Stellen.

Nicht zufrieden ist Löscher auch mit dem Geschäft mit Sortieranlagen für Postzentren und Flughäfen. Mit einer Rendite um die fünf Prozent bei Jahresumsätzen von 900 Millionen Euro werfen diese zu wenig ab. Der Konzern sucht deshalb auch nach einem Käufer für dieses Segment. Hier sind rund 3600 Mitarbeiter betroffen.

Ein ähnliches Schicksal wie die Sortieranlagen-Sparte trifft auch die Wasseraufbereitungstechnik. Als Ausrüster von Wasserwerken setzt Siemens zwar rund eine Milliarde Euro um, unter dem Strich bleibt allerdings nur ein einstelliger Millionenbetrag hängen. Auch diese Einheit soll verkauft werden.

Führungsquerelen bleiben ein Thema

Von einer Führungskrise oder gar einer Palastrevolte in seinem Haus will Löscher bislang nichts wissen. Auf Dauer wird er aber auch um das Thema nicht herumkommen. In den vergangenen Monaten hat die Kritik am Führungsduo Löscher und Gerhard Cromme deutlich zugenommen. Viele Aktionäre sind des Aufsichtsratschefs überdrüssig, Analysten gehen Vorstandschef Löscher offen wegen der Serie von teuren Schnitzern an. Derweil tritt Finanzchef Joe Kaeser kaum verhohlen als Rivale seines Vorstandschefs auf. Schon wird Kaeser als Schattenchef gehandelt.

Bislang bieten Löscher und Aufsichtsratschef Cromme noch allen Kritikern die Stirn. "Siemens ist erfolgreich unterwegs und ich bin ruhig und gelassen. Das Führungsteam ist geschlossen und das wird auch über die nächsten Jahre so bleiben", schmettert der seit sechs Jahren amtierende Vorstandschef die Vorwürfe ab. Cromme stärkt ihm den Rücken.

Die Sparmaßnahmen seien notwendig, auch wenn sie unpopulär seien. "Wir lassen uns aber nicht vom Kurs abbringen, auch wenn manche Medien diesen hinterfragen und teilweise versuchen, Uneinigkeiten in Vorstand und Aufsichtsrat zu konstruieren, wo keine sind", sagte Cromme zu Beginn der Hauptversammlung des Elektroriesen in München. Ob der Kurs durchzuhalten ist, muss sich zeigen.

Quelle: ntv.de, mit rts/dpa

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