Wirtschaft

Interview mit Burkhard Allgeier Devisen sind immer im Fluss

Der Devisenmarkt bietet so viel Abwechslung wie eine Wildwasserfahrt. Irgendwo auf dieser Erde steuert immer irgend jemand gegen einen zu hohen oder auch zu niedrigen Devisenkurs. Investoren genauso wie Staaten. Aus wirtschaftspolitischen Gründen und auf der Jagd nach Rendite. Japan versucht den Yen auf seinem Höhenflug wieder einzufangen und kauft deshalb Dollar. China hält den Yuan an der kurzen Leine. Wie hängt das alles zusammen? n-tv.de fragt Burkhard Allgeier, Chefvolkswirt von Hauck Auffhäuser.

Schätzungsweise 2000 Milliarden Dollar fließen pro Tag um den Globus. Warum und wohin ist nicht immer ganz klar.

Schätzungsweise 2000 Milliarden Dollar fließen pro Tag um den Globus. Warum und wohin ist nicht immer ganz klar.

n-tv.de: Warum ist der Yen so stark?

Burkhard Allgeier: Diese Frage stelle ich mir auch schon seit langem. Für mich ist das ein Währungsrätsel. Ein typisches Argument für den starken Yen ist  die "Save-Heaven-Funktion", also der Yen als sicherer Hafen. Diese Auffassung teile ich so nicht. Japan hat viele Probleme: sehr geringes Wachstum, Deflation, überbordende Staatsverschuldung. Das sind die Argumente, die herangezogen werden, um zu begründen, warum der Euro schwach wurde. Ein Punkt, der möglicherweise für einen starken Yen sprechen würde, sind die hohen Realzinsen in Japan. Die zehnjährige japanische Anleihe steht bei einem Prozent. Die momentane Inflationsrate liegt bei minus einem Prozent. Das macht real zwei Prozent. Die zehnjährige Bundesanleihe steht jetzt bei 2,5 Prozent. Wir haben eine Inflation von 1,3 Prozent. Da landen wir bei 1,2 Prozent. Also weniger als in Japan. Das könnte einige Anleger motiviert haben, Geld auch nach Japan zu schieben.

Was ist mit den sogenannten Carry Traders?

Früher konnte man noch sagen, der Yen ist eine Währung, bei der man sich aufgrund niedriger Zinsen verschuldet. Heute sind die Zinsen aber fast überall niedrig. Also können die Spekulanten, die Carry Trader, fast überall hingehen, um sich zu ähnlichen Bedingungen Geld zu leihen.

Burkhard Allgeier, Chefvolkswirt Hauck & Aufhäuser

Burkhard Allgeier, Chefvolkswirt Hauck & Aufhäuser

War die milliardenschwere Intervention der Bank of Japan der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein? Der Yen hat nur kurz an Wert verloren. Einen Tag nach der Intervention ist er bereits wieder gestiegen.

Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Der aber erst einmal seine Wirkung getan hat. Die Kunst der Notenbank und des Finanzministeriums besteht darin, einen guten Zeitpunkt zu erwischen, um einen überraschenden Effekt zu erzielen. Je überraschender eine Intervention ist, umso erfolgreicher ist sie auch. Das hat man an Japan gesehen. Als Premierminister Naoto Kan, der als nicht interventionsfreudig galt, im Amt bestätigt wurde und dann die Bank of Japan doch intervenierte, kam das überraschend für den Markt. Hinzu kam die Ankündigung des Fernsehens, dass es eine groß dimensionierte Intervention war. Es war wohl die größte Ein-Tages-Intervention, die es überhaupt je gegeben hat. Man hat nicht gekleckert, sondern geklotzt und man hat einen guten Zeitpunkt erwischt. Ich denke, dass Japan noch mal nachlegen wird.

Betrachten wir Japan bzw. den Yen im großen Währungsgefüge. Japanische Investoren sollen neuerdings auch viel in brasilianische Anleihen investieren. Welche Auswirkungen hat das auf den Dollar? Können solche Transaktionen den Dollarkurs drücken und umgekehrt den Yen wieder nach oben ziehen?

Ob sich solche Investitionen auf eine Währung auswirken, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die globalen Devisenströme, ihr Umfang und ihre Motivation sind schwer messbar. Die Tatsache, dass japanische Fonds und Versicherungen Yen verkaufen und Währungen aus den Emerging Markets kaufen, kann so nicht isoliert betrachtet werden. Die Währungen der Emerging Markets werten nicht nur wegen Japan so auf. Auch andere Nationen oder Regionen  – Deutschland oder Europa – investieren in diese Regionen. Die Nachfrage ist tatsächlich so groß, dass Länder schon gesagt haben, dass ihnen das zu viel ist und sie über Kapitalverkehrsbeschränkungen nachdenken, gewissermaßen  als Abwehrhaltung.

Auch die Chinesen diversifizieren ihre Anlagen, um das Risiko besser zu streuen. Allein im Juni kauften sie für umgerechnet 4,5 Mrd. Euro japanische Anleihen mit kurzer Laufzeit. So viel Geld wie nie zuvor. Die Japaner werfen den Chinesen vor, den Kurs des Yen damit hoch zu peitschen. Zu Recht? Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Investition und Wechselkursverhältnis Dollar/Yen?

Der weitere Höhenflug des Yen lässt erwarten, dass die BoJ noch einmal intervenieren wird.

Der weitere Höhenflug des Yen lässt erwarten, dass die BoJ noch einmal intervenieren wird.

(Foto: REUTERS)

Es ist natürlich für sich genommen ein positiver Impuls, wenn so viel Geld in den Yen fließt. Im Umkehrschluss schwächt das auch den Dollar. Aber damit sind wir wieder an dem Punkt: Was machen denn die ganzen anderen großen Investoren? Andere verkaufen vielleicht japanische Aktien oder japanische Anleihen. Es ist schwierig aus einer Transaktion – auch wenn sie groß dimensioniert ist – einen Schluss zu ziehen auf Währungsbewegungen.

Worauf muss China im Währungsstreit mit den USA achten?

Wichtig ist, dass auf der politischen Ebene zu den USA  Ruhe herrscht. China darf nicht als der Währungsmanipulator dastehen. Bis jetzt haben sie das sehr geschickt gemacht. Mitte Juni hat China gesagt, sie wollten das Währungssystem flexibler gestalten, man wolle  eine gewisse Aufwertung zum Dollar zulassen. Das ist für ein paar Wochen lang auch eingetreten. Seit Ende August stagniert der Yuan zum Dollar wieder. Er notiert ungefähr auf demselben Stand wie damals im Juni. Erst in den letzten Tagen, als wieder Druck aus den USA kam, haben die Chinesen wieder eine Aufwertung  ihrer Währung zum Dollar zugelassen. Die Chinesen sitzen am längeren Hebel und machen eine sehr geschickte Politik. Immer dann, wenn der Druck zu groß wird, wird ein bisschen nachgegeben und es kommen diese weichen Formulierungen wie im Juni.

Gibt es eine Erklärung für die zeitliche Koinzidenz zwischen der Devisenintevention Japans und dem Währungsstreit Chinas mit den USA?

Es gibt natürlich einen Zusammenhang insofern, als das der Yuan durch die Intervention Japans aufgewertet hat. Aber ich glaube nicht, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat. Ich glaube vielmehr – ohne Kenntnis dessen, was sich da gerade politisch tut -,  dass das eine eigenständige Entscheidung der Japaner war, unabhängig von dem, was China da gerade tut.

Wie sehen Sie die weiteren Entwicklungen am Devisenmarkt?

Der Yuan ist nicht frei handelbar. Peking bemüht sich, den Kurs seiner Währung niedrig zu halten.

Der Yuan ist nicht frei handelbar. Peking bemüht sich, den Kurs seiner Währung niedrig zu halten.

(Foto: REUTERS)

In ein paar Jahren wird es ein Währungssystem von drei oder vier Polen geben. Das wird der Dollar sein, das wird der Euro sein, das wird der Yen sein. Wahrscheinlich gesellt sich der Yuan dazu. Damit hätte man vier große Währungen mit großen Wirtschaftsmächten dahinter. Auf lange Sicht werden die Chinesen auch nicht umhinkommen, ihre Währung aufzuwerten. Das Land wächst kräftig, ist produktiv. Es ist so ein typisches Wirtschaftswunderland wie es auch Deutschland war. Und damit schadet es auch nicht, wenn die Währung aufwertet. Wenn eine Währung teurer wird, können das die Unternehmen ausgleichen.

Der Dollar verliert zusehends an Ansehen. Was halten Sie von der These, dass der Yuan Anwärter auf die Leitrolle ist?

Ob der Yuan einmal die Leitwährung wird, weiß ich nicht. Der Dollar hat sich halt eingebürgert über Jahre. Viele Rohstoffe sind in Dollar fakturiert. Öl, Gold ist in Dollar ausgewiesen. China müsste noch ein paar Vorkehrungen treffen. Der Yuan müsste erst einmal frei handelbar sein. Und so weit sind wir ja noch nicht.

Zum Schluss möchte ich in unseren Währungsraum zurückkehren: Welche Auswirkungen hat die Yen-Intervention auf die deutschen Exporteure?

Ich glaube, wir können erst einmal ganz entspannt sein. Für das Exportgeschäft ist weniger das Niveau von Wechselkursen das Problem, sondern wenn es zu ganz abrupten Veränderungen kommt. Wenn der Euro schlagartig aufwerten würde, gäbe es natürlich eine kurzzeitige Delle. Aber ich glaube, dass gerade die deutschen Exporteure da ganz gut gerüstet sind mit den richtigen Produkten. Das Geschäft brummt. Vielleicht gibt es auch gewisse Absicherungsgeschäfte gegen Währungsverluste. Dann ist man da sowieso immun. Von daher glaube ich, kurzfristig muss man sich da keine Sorgen machen. Wenn der Yen natürlich massiv abwertet und der Euro massiv aufwertet, dann kann das schon zu einer Delle führen.

Das Gespräch mit Burkhard Allgeier führte Diana Dittmer.

Quelle: ntv.de

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