Wirtschaft

Schwere Kost für nervöse Anleger Volkswagen fährt zum Halbjahr vor

Ein "Golf VII", bereit für den Verkauf: Der weltweite VW-Ausstoß liegt bei fast 38.000 Fahrzeugen je Arbeitstag.

Ein "Golf VII", bereit für den Verkauf: Der weltweite VW-Ausstoß liegt bei fast 38.000 Fahrzeugen je Arbeitstag.

(Foto: REUTERS)

Die Spannung wächst: Mit den Zahlen von VW steuert die Berichtssaison zum Halbjahr einen ihrer absoluten Höhepunkte an. Im Zwischenbericht des Autobauers sehen Experten mehr als nur ein nüchternes Zahlenwerk. VW erlaubt Einblicke in die nahe Zukunft der deutschen Wirtschaft.

VW Vorzüge
VW Vorzüge 118,80

Es lief schon besser für Europas größten Automobilkonzern: Bereits zu Jahresbeginn haben die Absatzschwierigkeiten im europäischen Pkw-Markt breite Bremsspuren in den Zahlen der Volkswagen AG hinterlassen. Der Konzern bekam die konjunkturelle Unsicherheit in Europa voll zu spüren. Nun steht der Zwischenbericht zum zweiten Quartal an. Gespannt warten Branchenexperten darauf, ob es den Wolfsburgern gelingt, sich in der aktuellen Schwächephase zu stabilisieren - oder ob die Ergebnisse zum Halbjahr den Abwärtstrend bestätigen.

Viel hängt am wirtschaftlichen Erfolg des Dax-Konzerns: Unter dem Dach der Volkswagen-Gruppe arbeiten insgesamt rund 550.000 Menschen. Allein in Deutschland sind es etwa 200.000 Mitarbeiter, die mit ihren Familien von der Arbeit bei VW oder einer der Konzerntöchter leben. Insgesamt betreibt VW Werke an 100 verschiedenen Standorten in 19 Ländern Europas und weiteren acht Staaten in Nord- und Südamerika, Afrika und Asien. Wichtigster VW-Standort in Deutschland ist Wolfsburg mit knapp 57.000 Beschäftigten. Dahinter folgen Kassel, Hannover, Emden, Salzgitter und Braunschweig. Dazu kommen Audi mit der Zentrale in Ingolstadt, MAN in München und Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen.

Rund um den Autobauer ist in den vergangenen Jahrzehnten ein dichtes Geflecht an teils börsennotierten Service- und Zuliefererbetrieben entstanden. Um welches Volumen es dabei geht zeigt eine Zahl aus dem Vorjahr: Einer Studie zufolge erreichte die Gruppe der umsatzstärksten Automobilzulieferer Deutschlands im Gesamtjahr 2012 einen Branchenumsatz von knapp 160 Milliarden Euro. VW selbst erwirtschaftete im gleichen Zeitraum einen Umsatz von 192,7 Milliarden Euro.

Zusammen mit den ungezählten Kleinbetrieben, Werkstätten, Dienstleistern und Mittelständlern, die direkt oder indirekt von der Nähe zum Autobau und ihren in der Regel gut bezahlten Beschäftigten leben, ergibt sich das Gesamtbild einer gewaltigen Wirtschaftskraft mit enormer Bedeutung für die deutschen Konjunkturaussichten. Der Geschäftserfolg von VW hat mittelfristig großen Einfluss auf die lokalen Arbeitsmärkte.

Die Absatzkrise in Europa bedroht damit über kurz oder lang auch deutsche Arbeitsplätze. Der Konzern müsse sich "mehr denn je ins Zeug legen und alles geben", hatte VW-Chef Martin Winterkorn noch im Frühjahr bei der Präsentation der Jahresbilanz versprochen.

Die Marken der Volkswagen AG

Volkswagen zählt zu den größten Automobilkonzernen der Welt. Innerhalb Europas ist VW der mit Abstand größte Hersteller von Pkw, Sportwagen, Motorrädern, Transportern, Bussen und Lkw.

Zwölf Marken aus sieben europäischen Ländern gehören zum VW-Konzern:

  • Audi
  • Bentley
  • Bugatti
  • Ducati
  • Lamborghini
  • MAN
  • Porsche
  • Scania
  • Seat
  • Škoda
  • Volkswagen Nutzfahrzeuge
  • Volkswagen Pkw

(Quelle: Unternehmensangaben)

Jetzt, zum Halbjahr, fallen die Markterwartungen eher verhalten aus: Im Vorfeld befragte Analysten setzen ihre Schätzungen vergleichsweise niedrig an. Im Schnitt gehen die Beobachter beim operativen Ergebnis von einem konzernweiten Rückgang um 6,1 Prozent auf 3,082 Milliarden Euro aus. Der Quartalsumsatz dürfte den Prognosen zufolge um 5,7 Prozent zulegen auf rund 51 Milliarden Euro. Die Schätzungen bewegen sich dabei in einer recht engen Spanne. Sie reicht von 50,0 Milliarden bis 52,6 Milliarden Euro. Im Vergleichszeitraum aus dem Vorjahr hatte VW noch Einnahmen in Höhe von 48,1 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Immerhin: Wenn die Vorhersagen der Analysten zutreffen, dann hat sich VW nach dem Gewinneinbruch im ersten Quartal zumindest gefangen. Die Experten gehen jedenfalls davon aus, dass der Betriebsgewinn im Zeitraum April bis Juni deutlich langsamer schrumpft als in den ersten drei Monaten des Jahres. Von Januar bis März hatte der erfolgsverwöhnte Wolfsburger Konzern wegen der Absatzkrise in Westeuropa noch besonders stark Federn lassen müssen. Der Betriebsgewinn war um mehr als ein Viertel auf 2,3 Milliarden Euro weggesackt.

Für nervöse Aktionäre bietet VW derzeit nicht gerade leichte Kost: "2013 wird für die gesamte Branche zum Jahr der Bewährung - auch für uns bei Volkswagen", bemühte sich Winterkorn zur Hauptversammlung Anfang Mai die Wogen zu glätten. Die Konzernführung hielt bislang stets an ihren Jahreszielen fest. Demnach will VW im laufenden Jahr mehr Autos verkaufen als im Vorjahr und den Umsatz weiter steigern. Beim operativen Gewinn erwartet Volkswagen allerdings ein weiteres Jahr der Stagnation.

Die Mehrheit der Analysten empfiehlt die VW-Aktie derzeit trotz allem zum Kauf: Die Kursziele auf 12-Monatssicht bewegen sich dabei den aktuellen Einschätzungen zufolge zwischen 190 und 240 Euro. Zum Vergleich: Die im Dax notierte Vorzugsaktie von VW liegt kurz vor der Vorlage der Halbjahreszahlen bei 175,90 Euro. Das 52-Wochenhoch erreichte VW Ende Januar mit 187,40 Euro. Seitdem hat sich das Papier deutlich verbilligt.

Qualitativ hochwertiger als gedacht?

Das zweite Quartal des Autobauers dürfte nach Ansicht von Equinet-Analyst Tim Schuldt deutlich besser ausgefallen sein als das erste. Schuldt stützt seine Hoffnung sowohl auf saisonale Effekten als auch auf Fortschritte beim "Modularen Querbaukasten". Citigroup-Analyst Arifumi Yoshida traut dem VW-Konzern in den kommenden Jahren deutliche Ergebniszuwächse zu. Dies sei vor allem der sich vergrößernden Produktpalette bei Porsche, Kostensenkungen bei VW und einem verbesserten LKW-Geschäft zu verdanken, schrieb Yoshida in einer Studie.

Bei der Privatbank Berenberg rechnet Analyst Adam Hull ebenfalls mit kräftigem Aufwärtspotenzial: Der Wolfsburger Autobauer sei ein qualitativ deutlich hochwertigeres Unternehmen, als der Markt ihn wahrnehme. Das Unternehmen könne mit seinem Markenportfolio, den Stückzahlen und der weltweiten Aufstellung von einem Konjunkturaufschwung insbesondere in Deutschland und Europa profitieren.

Die Commerzbank behält das Kursziel für VW vor der Zahlenvorlage zum Halbjahr ausdrücklich bei. Coba-Analyst Daniel Schwarz äußert sich vorsichtig-zuversichtlich: Seine Schätzung für das operative Ergebnis (Ebit) liege leicht unter der Konsensprognose, erklärte er. Ungeachtet guter Nachrichten von Tochter Skoda und dem Audi-Konkurrenten Mercedes drohe dem Wolfsburger Autobauer nämlich auf dem deutschen Markt Gegenwind. Zudem fehle es dem US-Geschäft wegen des Modellzyklus an Dynamik. Die kurzfristige Kursmarke sieht Schwarz bei vergleichsweise moderaten 195 Euro.

Doch aufgrund der langfristig positiven Geschäftsperspektiven würde er negative Kursreaktionen auf die Quartalszahlen als Kaufgelegenheit werten, meinte Coba-Analyst Schwarz. Unausgesprochen steht dahinter allerdings auch stets die Annahme, dass sich die Geschäfte im Zukunftsmarkt China für VW ähnlich vielversprechend entwickeln wie bisher. Volkswagen-Chef Winterkorn will den Konzern an General Motors und Toyota vorbei bis an die Weltspitze bringen und setzt dabei - unbeeindruckt von allen Warnsignalen - voll auf verlässliches Wachstum in Fernost.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa

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