Wirtschaft

Die "Medizin" der EZB ist "ungesund" Fitschen warnt vor Strafzinsen

Klare Ansage: Jürgen Fitschen beim "European Banking Congress" in der Frankfurter Alten Oper.

Klare Ansage: Jürgen Fitschen beim "European Banking Congress" in der Frankfurter Alten Oper.

(Foto: dpa)

Nach der Zins-Überraschung der Europäischen Zentralbank liegen die Nerven blank: Wagen die Währungshüter den Schritt in die Minuszone? Die wiederholten Andeutungen machen Banker und Versicherer zunehmend nervös. Der Chef der Deutschen Bank reagiert sogar ausgesprochen gereizt.

In aller Öffentlichkeit geht einer der einflussreichsten Bank-Manager Deutschlands auf Konfrontationskurs zur Europäischen Zentralbank (EZB). Jürgen Fitschen, zusammen mit Anshu Jain Co-Chef der Deutschen Bank, warnt ausdrücklich vor den Folgen einer zu lange währenden Niedrigzinsphase.

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Die Geldpolitik solle derzeit Wachstum schaffen und Finanzierungslasten der Staaten mildern, sagte Fitschen auf dem sogenannten "Führungstreffen Wirtschaft 2013", einer dreitägigen Tagungsveranstaltung der "Süddeutschen Zeitung" im Berliner Adlon-Hotel. Er habe Verständnis für diese Medizin, erklärte Fitschen. Doch sie sei nicht gesund.

"Jeder, der glaubt, dass er mit einer fortgesetzten Periode des billigen Geldes Probleme löst, dem ist nicht zu helfen", sagte Fitschen. Europa habe nur Zeit gewonnen. Die EZB habe ihr Pulver zudem weitgehend verschossen.

Dieser Auffassung widersprach EZB-Direktor Jörg Asmussen auf derselben Veranstaltung. Die Zentralbank habe durchaus noch Möglichkeiten, etwa bei den Zinsen. Zudem gebe es noch unkonventionelle Maßnahmen, die man bei Bedarf ergreifen könne. Doch sei es unklug, in Aktivismus zu verfallen. "Es ist nicht sinnvoll, jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben." Die EZB dürfe nicht den Eindruck erwecken, sie sehe die Wirtschaftslage schlechter als tatsächlich von ihr eingeschätzt.

In der vergangenen Woche waren am Markt wiederholt Spekulationen um eine Absenkung der Leitzinsen in die Bereiche unter Null aufgekommen. Die Auslöser dieser Minuszins-Gerüchte lassen sich auf die Aussagen verschiedener hochrangiger EZB-Experten zurückverfolgen, darunter Asmussen und Ignazio Visco, EZB-Direktoriumsmitglied aus Italien. Ein negativer Einlagezins der EZB würde nach Ansicht von Fitschen die Kreditvergabe in Europa jedoch nicht - wie von den Befürwortern erhofft - beflügeln.

Nachhilfe aus der Bankenbranche

Der Kurs der EZB stößt in weiten Teilen der Finanzwirtschaft auf wachsende Kritik. Eine Bank müsse sich immer überlegen, wie sie ihr Geld zurückbekomme, erklärte der Deutsche-Bank-Chef dazu vor dem Wochenende auf dem "European Banking Congress" in Frankfurt. Fitschen traf unter anderem auch mit EZB-Chef Mario Draghi zusammen. "Wenn sie darauf keine befriedigende Antwort kriegen, verleihen sie ihr Geld nicht, nur weil die Zentralbank das will und damit droht, Geld dafür zu verlangen, dass sie ihr Geld bei ihr parken", erklärte Fitschen auf einem Bankenkongress in Frankfurt am Main. "Das wäre grotesk. Damit würden wir eine neue Krise schaffen."

Die konkreten Handlungsoptionen der EZB beschäftigen mittlerweile längst nicht mehr nur Ökonomen und Analysten. In der Theorie zumindest könnte ein sogenannter Strafzins die Bankenbranche dazu anregen, mehr Kredite zu vergeben anstatt das Geld bei der EZB zu deponieren. Im Fall negativer Zinsen wäre diese Praxis faktisch mit Kosten verbunden. Befürworter dieses Vorschlags gehen davon aus, dass Kreditinstitute ihre Mittel lieber den Risiken am Kreditmarkt aussetzen als sichere Abschläge in den Depots der EZB in Kauf zu nehmen.

Technisch gar nicht vorgesehen

Kritiker der Strafzins-Idee fürchten, dass die Geldhäuser die Kosten schlicht auf die Kunden abwälzen könnten. Der angestrebte Effekt auf die Kreditvergabe wäre damit dahin. Bislang unbestätigten Angaben zufolge wird innerhalb der EZB darüber diskutiert, den Einlagesatz von jetzt null Prozent auf minus 0,1 Prozent zu kappen - zum ersten Mal in der Geschichte der europäischen Geldpolitik.

Einigen deutschen Banken würden negative Sätze auch technische Schwierigkeiten bereiten. "Viele Banken können das derzeit nicht durchrechnen, weil die Systeme dafür nicht ausgelegt sind", sagte Helaba-Chef Hans-Dieter Brenner.

"Die Systeme müssten ziemlich umfassend geändert werden, schließlich wären davon fast alle Bereiche der Bank betroffen. Die Kosten dafür würden sicherlich in die Millionen gehen." Wie aus Bankenkreisen verlautete, soll sich die Bundesbank bereits vor rund einem halben Jahr bei Geldhäusern umgehört haben, ob sie technisch für einen negativen Einlagezins gerüstet wären.

"Wir können das verarbeiten"

Die HSH Nordbank gab unterdessen Entwarnung: "Unsere IT-Ausstattung war ausgelegt auf den Börsengang einer großen Bank. Wir haben sehr viele Kapazitäten und könnten einen negativen Einlagenzinssatz also sicherlich gut darstellen", sagte Vorstandschef Constantin von Oesterreich. Auch eine BayernLB-Sprecherin versicherte: "Wir können das abbilden und verarbeiten."

Die Währungshüter im Euroraum hatten Anfang des Monats den zentralen Leitzins überraschend auf das neue Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Unbestätigten Angaben zufolge stimmte gut ein Viertel der Ratsmitglieder gegen den von EZB-Präsident Draghi und Chefökonom Peter Praet geforderten Beschluss - darunter auch Bundesbankchef Jens Weidmann.

Quelle: ntv.de, mmo/rts

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