Wirtschaft

Haushaltslücke doppelt so groß Neue Abgründe in Athen

In Griechenland rumort es wieder. Das Zahlenwerk stimmt einfach nicht. Einem Medienbericht zufolge ist die Lücke im griechischen Staatshaushalt doppelt so groß wie bisher angenommen. Die Größe der Finanzlücke wirft ein Schlaglicht auf die neu entfachte Diskussion um einen möglichen zweiten Schuldenschnitt.

Der griechische Ministerpäsident Antonis Samaras in Erklärungsnöten.

Der griechische Ministerpäsident Antonis Samaras in Erklärungsnöten.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Möglicherweise sind die Troika-Experten am Wochenende doch nicht routinemäßig aus Athen abgereist. Wie der "Spiegel" berichtet, klafft eine Lücke im griechischen Staatshaushalt von 20 Mrd. Euro. Das sei das vorläufige Ergebnis der Experten aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), heißt es. Demnach würde der Regierung rund doppelt so viel Geld fehlen wie bisher angenommen.

Die Größe der Finanzlücke wirft ein Schlaglicht auf die neu entfachte Diskussion um einen möglichen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland unter Beteiligung der öffentlichen Gläubiger. Athen muss die Finanzierungslücke schließen, um die nächste EU-Tranche in Höhe von 31,5 Mrd. Euro zu bekommen. Ohne diese Kredittranche wird das Land zahlungsunfähig. Ende vergangener Woche hatte es geheißen, die Troika werde ihre Arbeit in Athen für eine Woche unterbrechen. Kommissionssprecher Simon O'Connor kommentierte Spekulationen über einen möglichen Streit mit der Athener Regierung mit den Worten, die Abreise sei nicht als "Anzeichen für Probleme" zu bewerten. Wie der "Spiegel" berichtet, soll der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras inzwischen aber mehrfach angefragt haben, ob die öffentlichen Gläubiger bereit wären, auf die Rückzahlung von Schulden zu verzichten.

Deutschland gegen zweiten Schuldenschnitt

Die deutsche Regierung ist strikt gegen einen zweiten Schuldenschnitt. Auch in der Opposition regt sich Unmut. Nach Einschätzung des SPD-Haushaltsexperten Carsten Schneider wären mindestens acht Mrd. Euro an deutschen Steuergeldern verloren. "Wenn wie beim ersten Schuldenschnitt in Griechenland 50 Prozent verloren gingen, müsste der deutsche Steuerzahler mit rund acht Milliarden Euro haften", sagte Schneider der "Bild"-Zeitung. Dafür trage dann Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verantwortung. Sie habe die Beteiligung der Banken vor dem ersten Kredit im Jahr 2010 verhindert. Die SPD habe dies schon damals zur Bedingung gemacht und dem Kredit deshalb nicht zugestimmt.

Die Skepsis, ob es Griechenland unter den gegebenen Bedingungen schaffen kann, sich von seiner Schuldenmisere zu erholen, wird von Beobachtern zunehmend bezweifelt. Fest steht inzwischen, dass das Land aller Voraussicht nach länger als geplant auf die Finanzhilfe der Eurozone und des IWF angewiesen sein wird. Bisher waren die Geldgeber davon ausgegangen, dass Griechenland seine Schuldentragfähigkeit bis 2020 wiederherstellt.

Dieses Ziel sei nicht mehr erreichbar, zitierten Zeitungen bereits in der vergangenen Woche informierte Kreise der Trokia. Die Regierung in Athen ringt derzeit mit den internationalen Gläubigern über ein neues 11,5 Mrd. Euro umfassendes Sparpaket, das als Voraussetzung für die Auszahlung einer der Milliarden-Tranche aus dem Hilfsfonds gilt. Die drei Parteien der Regierungskoalition konnten sich bislang selbst noch nicht darauf einigen. Aus Verhandlungskreisen hieß es, dass noch rund 2 Mrd. Euro fehlen. Zugestanden hat die Regierung der Troika bisher, das Renteneintrittsalter um zwei auf 67 Jahre anzuheben. Darüber hinaus sind auch noch weitere Verschlechterungen für die Bevölkerung bei Sozial- und Rentenleistungen geplant.

Die Sparprogramme, wie sie von den internationalen Gläubigern gefordert werden, stoßen bei der griechischen Bevölkerung auf Ablehnung. Die überwältigende Mehrheit der Griechen hält die Pläne für sozial ungerecht. In einer am Wochenende in Athen veröffentlichten Umfrage erklärten 90 Prozent der Befragten, das neue Reformpaket gehe fast ausschließlich zulasten der ärmeren Teile der Bevölkerung. Nur 33 Prozent glauben zudem, dass die neuen Einschnitte ins soziale Netz nicht die Probleme des Landes lösen würden. Gleichwohl plädierten 67 Prozent der Befragten dafür, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt.

Troika-Bericht erst nach US-Wahl?

Wann nun entschieden wird, ob Griechenland Geld bekommt oder nicht, ist völlig offen. Laut "Spiegel" ist darüber zwischen der deutschen Regierung und der EU-Kommission ein Streit entbrannt. Angeblich wollen die Brüsseler Kommissare beim Europäischen Mitte Oktober nunmehr darüber entscheiden. Belastbare Zahlen sollen frühestens im November vorliegen.

Der für weitere Hilfen an Griechenland entscheidende Troika-Bericht wird möglicherweise erst nach der US-Wahl am 6. November vorgelegt. Wie Reuters unter Berufung auf EU-Vertreter und Diplomaten meldete, will die EU offenbar jede Gefahr für die Weltwirtschaft vor der Entscheidung über eine Wiederwahl von US-Präsident Barack Obama vermeiden. Auch die Obama-Regierung wolle nichts haben, was die Weltwirtschaft vor dem 6. November schockieren könne, wurde ein hochrangiger EU-Vertreter zitiert. Ursprünglich wurde der Bericht im Oktober erwartet.

Griechenland hängt seit mehr als zwei Jahren am internationalen Finanztropf und hat schon zwei Hilfsprogramme zugesagt bekommen. Die im Gegenzug verlangten Einsparungen verschärfen die jahrelange Rezession und sorgen im Land für wachsenden Widerstand. Das jüngste Sparpaket, das auch innerhalb der Regierungskoalition umstritten und deswegen immer noch nicht in Kraft ist, soll in dieser Woche endlich beschlossen werden.

Quelle: ntv.de, ddi/rts/DJ/dpa

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