Wirtschaft

EU und IWF verlassen Athen Griechenland muss nachbessern

Bekommt Griechenland die Kurve? IWF-Experten, hier der Leiter der Mission in Athen, Poul Thomsen, haben ihre Bedenken.

Bekommt Griechenland die Kurve? IWF-Experten, hier der Leiter der Mission in Athen, Poul Thomsen, haben ihre Bedenken.

(Foto: REUTERS)

Wasser auf die Mühlen der Euro-Kritiker: Die Troika aus EU, IWF und EZB ist mit der Umsetzung der griechischen Spaprogramme noch nicht zufrieden und setzt ihre Inspektion für zehn Tage aus. Athen soll in der Zeit den Haushalt 2012 ausarbeiten. Das Ergebnis wird danach begutachtet. Finanzminister Venizelos räumt ein, dass die diesjährige Defizitquote höher liegen wird als geplant. Weitere Einschnitte lehnt er aber ab.

Die Gespräche Griechenlands mit Vertretern von Europäischer Union (EU), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) ruhen für zehn Tage. Griechenland solle so mehr Zeit erhalten, den Haushalt 2012 auszuarbeiten, heißt es von beiden Seiten.

Venizelos meint, Griechenland und die Troika verstehen sich gut.

Venizelos meint, Griechenland und die Troika verstehen sich gut.

(Foto: REUTERS)

Die Delegation von EU, EZB und IWF muss prüfen, ob Griechenland die Voraussetzungen erfüllt, dass die Geldgeber die nächste Kredittranche aus dem Rettungsschirm auszahlen. Griechischen Medienberichten zufolge monieren die Experten Verzögerungen bei der Umsetzung des Sparprogramms.

Nun hat die sogenannte Troika Athen vorübergehend verlassen, damit die Regierung Zeit habe, die technischen Arbeiten für die Budgetplanung abzuschließen, teilte die Kommission der drei Institutionen mit. Die Delegation habe Fortschritte erreicht und werde voraussichtlich Mitte September zurückkehren.

Nach den Worten des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos, wurde die Aussetzung der Verhandlungen gemeinsam vereinbart und kommt - entgegen anderslautenden Medienberichten - nicht einem Abbruch gleich. Die Gespräche bezeichnete Venizelos als "freundschaftlich". Ursprünglich sollten die Verhandlungen zwischen Athen und der Troika aber schon am 5. September abgeschlossen werden.

Athen räumt höheres Defizit ein

Brisant in diesem Zusammenhang: Venizelos räumte auf einer Pressekonferenz in Athen ein, dass die diesjährige Defizitquote Griechenlands höher liegen wird als bislang geplant. Aufgrund der schweren Rezession werde das anvisierte Ziel von 7,4 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht erreicht werden. Eine Zahl nannte Venizelos nicht.

Griechische Medien berichteten, die Defizitquote 2011 werde auf 8,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. Am Mittwoch erst war ein Bericht an das Parlament  durchgesickert, in dem unabhängige Experten die Verschuldung des  Landes als "außer Kontrolle" bezeichneten. Venizelos hatte den Autoren Unerfahrenheit vorgeworfen.

Weitere Haushaltsmaßnahmen lehnt Venizelos aus Angst vor einem tieferen Abgleiten in die Rezession ab. In der Pressekonferenz am Freitag sagte er, das Bruttoinlandsprodukt des Landes werde 2011 um etwa 5,0 Prozent schrumpfen - mehr als bislang erwartet. Weitere Maßnahmen seien aber nicht erforderlich, um die Defizitziele zu erreichen.

Krise oder nicht?

Medienberichte über einen Streit zwischen Athen und der Troika über den griechischen Sparkurs dementierte Venizelos. "All das, was seit gestern Abend über eine Unterbrechung der Verhandlungen geschrieben wird, hat nichts mit der Realität zu tun", sagte Venizelos. Das Klima der Gespräche mit der Troika sei "gut und produktiv" gewesen, hieß es.

Führende Medien in Griechenland hatten berichtet, es sei ein Streit zwischen den Kontrolleuren und der Regierung des schuldengeplagten Landes ausgebrochen. Die Troika fordere weitere Einsparungen und Kürzungen, weil Athen die gesetzten Ziele nicht erreiche. Athen lehne dies aber ab. Die Vertreter der Troika seien daraufhin abgereist, hieß es.

Die Vorgänge offenbaren unterschiedliche Auffassungen zwischen der griechischen Regierung und der Troika. "Die Troika ist unzufrieden mit der Umsetzung der griechischen Sparprogramme", meint der unabhängige Politik-Analyst Anthony Livanios. Auf der anderen Seite wolle die Regierung Stärke demonstrieren, um Gewerkschaften und andere Interessengruppen zu beschwichtigen. "Beide Seiten haben also gute Gründe für eine Pause".

Athen im Stau

Am Vortag gab es Proteste gegen die geplante Bildungsreform.

Am Vortag gab es Proteste gegen die geplante Bildungsreform.

(Foto: REUTERS)

Während über Strukturreformen und Sparpläne verhandelt wird, machen die griechischen Bürger ihrem Unmut über die Kürzungen auf der Straße Luft. Am Freitag wurden in der Hauptstadt Athen alle U-Bahnen und die Stadtbahn für 24 Stunden bestreikt. Auf den Haupt-Zufahrtswegen gibt es bereits große Staus. Viele Arbeitnehmer waren gezwungen, mit ihren Privatautos zur Arbeit zu fahren, wie das Fernsehen zeigte. Touristen waren damit auf Taxis oder Busse angewiesen.

Auch dieser Streik ist mit dem harten Sparprogramm zur Rettung Griechenlands vorm Bankrott verbunden. Die Angestellten der Bahnen fürchten, dass es zu weiteren Kürzungen ihrer Gehälter kommen könnte. Zudem sperren sie sich gegen geplante Versetzungen überflüssigen Personals in andere staatliche Unternehmen, teilte ihre Gewerkschaft mit.

Treffen zu Finnen-Deal

Aus den Niederlanden wird derweil berichtet, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Dienstag mit seinen Amtskollegen aus Finnland und den Niederlanden zusammenkommen wird, um die von Finnland mit Griechenland ausgehandelten Sonderabmachung für die Besicherung von Finanzhilfen an Athen zu besprechen.

"Ich sehe Möglichkeiten für eine Gleichbehandlung aller Geldgeber ohne die Nachteile der Besicherungs-Vereinbarung zwischen Finnland und Griechenland", erklärte der niederländische Finanzminister Jan Kees de Jager, wie die Zeitung "De Telegraaf" berichtet.

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder hatten im Juli ein zweites Rettungspaket für Griechenland mit Hilfskrediten im Umfang von 109 Mrd. Euro beschlossen. Finnlands Regierung hatte mit Griechenland als Bedingung für seine Teilnahme daran einen Sonder-Deal ausgehandelt, der die Besicherung des finnischen Beitrags vorsieht. Andere Länder fühlten sich dadurch benachteiligt, die Eurozone wollte die Vereinbarung daher so nicht genehmigen.

Merkel trifft van Rompuy

Bundeskanzlerin Merkel wird sich kommenden Montagabend mit dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy treffen. Das kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert an. Bei einem Abendessen solle über EU-Reformvorschläge gesprochen werden, sagte er bei einer Pressekonferenz in Berlin. Gleichzeitig betonte Seibert auf eine Nachfrage, ein europäischer Finanzminister stehe für die Bundesregierung "jetzt nicht zur Debatte".

Mit Blick auf den jüngsten Troika-Besuch in Griechenland sagte Seibert, für die Bundesregierung zähle "ganz klar, dass Griechenland seiner Verantwortung gerecht wird", und zwar gegenüber seiner eigenen Bevölkerung und seinen europäischen Partnern. Ob dies ausreichend geschehe, müsse die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds beurteilen, auf deren Bericht die Regierung warte.

Quelle: ntv.de, ddi/dpa/rts/DJ

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