Wirtschaft

Personal-Chaos bei der Lufthansa Weber attackiert die Berater

Auf dem Weg zum Rednerpult: Der scheidende Lufthansa-Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Weber.

Auf dem Weg zum Rednerpult: Der scheidende Lufthansa-Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Weber.

(Foto: dpa)

Bei der Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa fallen scharfe Worte: Offensiv wirbt Konzernchef Franz für Mayrhuber als neuen Oberaufseher. Anleger überziehen die Geschäftsführung dafür mit beißender Kritik. Der amtierende Aufsichtsratschef Weber spricht von einer "blinden Corporate-Gouvernance-Auslegung".

Lufthansa-Chef Christoph Franz (l.) im Gespräch mit Weber: "Rein formalistische Kriterien einer blinden Corporate Governance-Auslegung durch ein trotziges Beratungsunternehmen"?

Lufthansa-Chef Christoph Franz (l.) im Gespräch mit Weber: "Rein formalistische Kriterien einer blinden Corporate Governance-Auslegung durch ein trotziges Beratungsunternehmen"?

(Foto: REUTERS)

Der neue Kandidat für den Vorsitz des Lufthansa-Aufsichtsrates ist der alte: Wolfgang Mayrhubers Rücktritt vom Rücktritt ist neben der ausgefallenen Dividende das heißeste Thema auf der Hauptversammlung der Deutschen Lufthansa AG in Köln. Erneut lobt sein Vorgänger und künftige Ehrenvorsitzende Jürgen Weber die Verdienste des 66 Jahre alten früheren Lufthansa-Vorstandschefs. Mayrhuber soll künftig seinen Posten übernehmen und an führender Stelle das Management kontrollieren.

Nach dem Chaos um die Besetzung der Lufthansa-Aufsichtsratsspitze bemühte sich Unternehmenschef Christoph Franz um demonstrative Signale: Mit lobenden Worten stärkte Franz Mayrhuber den Rücken.

Um seine Nominierung für die anstehende Wahl des Aufsichtsgremiums war am Vortag einiger Wirbel entstanden: Ob Mayrhuber wirklich vorbehaltlos als Oberaufseher auftreten kann, hatten vor allem ausländische Investoren in den vergangenen Tagen angezweifelt. Am Montag zog Mayrhuber seine Kandidatur zunächst mangels Rückhalt zurück - nur um sie noch am Abend doch wieder aufzunehmen. Am Dienstag saß der Österreicher scheinbar unbewegt in der ersten Zuhörerreihe. Die Kritik an ihm blieb einigermaßen milde.

Personalchaos bei der Lufthansa: Wolfgang Mayrhuber tritt nun doch an.

Personalchaos bei der Lufthansa: Wolfgang Mayrhuber tritt nun doch an.

(Foto: dpa)

Der frühere Lufthansa-Chef habe in seiner Zeit an der Spitze des Unternehmens Herausragendes geleistet, betonte Franz nun bei der Lufthansa-Hauptversammlung in Köln. Mayrhuber stand der Lufthansa von 2003 bis 2010 als Konzernchef vor. Mayrhuber sei der Erfinder der Strategie mit mehreren Marken und Drehkreuzen, betonte Franz. "Wolfgang Mayrhuber hat ihre Lufthansa zur Nummer 1 in Europa gemacht", rief er den Aktionären zu.

Breitseite gegen die Berater

Die Lufthansa-Fürhung versuchte die beispiellose Volte um die Spitze ihres obersten Kontrollgremiums mit Missverständnissen über das dualistische deutsche Unternehmensmodell zu erklären, das die Amerikaner so nicht einschätzen könnten und daher allzu simpel die eigenen Kriterien angewendet hätten.

"Wir haben die Verwirrungen vom Vortag nicht zu verantworten", sagte der noch amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Weber. Vielmehr habe der Aufsichtsrat große Anstrengungen unternommen, um "rein formalistische Kriterien einer blinden Corporate-Gouvernance-Auslegung durch ein trotziges Beratungsunternehmen wieder ins rechte Licht zu rücken". Es sei bedauerlich, so Weber weiter, wie "fremde Corporate-Gouvernance-Muster" hierzulande als bindend angesehen würden und Schaden anrichten könnten.

Stichwort Corporate Governance

Transparenz- und Wohlverhaltensregeln für Unternehmen:

Der Begriff Corporate Governance (CG) fasst Regeln der guten Unternehmensführung zusammen, anhand derer sich ein Konzern international als solide und verantwortungsvoll geführt qualifizieren kann.

Festgeschrieben sind diese Regeln im "Deutschen Corporate Governance Kodex". Der Gesetzgeber hebt darin insbesondere die Bedeutung der "dualen Unternehmensverfassung mit Vorstand und Aufsichtsrat" sowie die "Unabhängigkeit der Aufsichtsräte" hervor.

Ausdrücklich soll der Kodex "die in Deutschland geltenden Regeln für Unternehmensleitung und -überwachung für nationale wie internationale Investoren transparent" machen, um so "das Vertrauen in die Unternehmensführung deutscher Gesellschaften zu stärken".

Das Regelwerk führt neben Fragen der Unternehmensverfassung und der Bildung des Aufsichtsrats folgende Kritikpunkte auf:

  • mangelhafte Ausrichtung auf Aktionärsinteressen
  • mangelnde Transparenz deutscher Unternehmensführung
  • eingeschränkte Unabhängigkeit der Abschlussprüfer.

Weber nannte zwar keine Namen, spielte aber augenscheinlich auf eine Abstimmungsempfehlung des einflussreichen Beratungsunternehmens Institutional Shareholder Services (ISS) an. Medienberichten zufolge hatte das Institut Aktionären empfohlen, Wolfgang Mayrhuber nicht zu wählen. Begründete habe ISS diese Empfehlung mit der Vielzahl der Mandate, die der designierte Chefkontrolleur bereits inne habe. Außerdem hätten die Berater kritisiert, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende bereits nach zwei Jahren in das Kontrollgremium wechseln wolle.

Trotzige Verständnis von CG-Regeln?

Bei ISS wollte man an der Einschätzung zu Ämterhäufung Mayrhubers und einer mangelnden zeitlichen Distanz zwischen Vorstandsvorsitz und Aufsichtsratskandidatur allerdings kein einzelnes Wort zurücknehmen oder ändern.

Die deutschen Aktionärsschützer machten sich die ISS-Kritik nicht zu eigen. Nach einer fünfjährigen Abkühlzeit würden "Täter als Tattergreise" im Aufsichtsrat wirken, spottete Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung institutioneller Privatanleger (VIP). "Tiefgekühlt statt abgekühlt" lautete ein anderer Spruch in der nüchternen Köln-Arena. Durchaus ernst mahnte Buhlmann dann doch eine verbesserte Kommunikation mit den Investoren an, auch wenn sie außerhalb der deutschen Grenzen residierten.

Die Lufthansa-Spitze wählte daher dem Vernehmen nach das direkte Gespräch mit großen internationalen Investoren wie Franklin Resources oder Blackrock, die jeweils über 9 Prozent an dem Unternehmen halten. Offenbar stand damit erst am Montagabend der Eindruck fest, dass die Mehrheit für Mayrhuber steht.

Den Anteilseignern verlangt Franz unterdessen an ganz anderer Stelle große Opfer ab: Sie sollen seinem bereits zu Jahresbeginn geäußerten Vorschlag zufolge für 2012 komplett auf eine Dividende verzichten, und das trotz eines Jahresgewinns von 990 Mio. Euro. "Unser Unternehmen steht erheblichen Herausforderungen gegenüber", begründete Franz seinen Vorschlag. "Die Weltluftfahrt hat sich verändert. Unsere Branche ist unter Druck, besonders in Europa. Der Wettbewerb wird immer härter."

Lufthansa
Lufthansa 6,72

Diese Entwicklung lasse sich auch an den aktuellen Unternehmenszahlen ablesen. "Deshalb möchte ich gar nicht erst versuchen, unsere Ergebnisse zu beschönigen: Sie sind nicht ausreichend, um auch in Zukunft nachhaltig zu wirtschaften", sagt Franz auf der Hauptversammlung.

Aus den Reihen der versammelten Anteilseigner musste sich Lufthansa-Chef daraufhin einiges anhören: Insbesondere die Fondsgesellschaft Union Investment, die als Großaktionärin für einen gewichtigen Teil der Anlegerinteressen spricht, ging mit der Unternehmensführung und ihrer Personalpolitik hart ins Gericht.

"Wir sind fassungslos"

Der Union-Investment-Vertreter rügte die Deutsche Lufthansa für ihre verfehlte Personalpolitik bei der geplanten Besetzung des Aufsichtsrats. Den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Mayrhuber forderte das Fondshaus auf, auf seine Kandidatur für das Amt als Aufsichtsratschef zu verzichten. Außerdem kritisierte Union Investment die Wankelmütigkeit des Österreichers vom Vortag.

Dicke Luft auf der Hauptversammlung: Gefährdet Weber mit Mayrhuber sein Lebenswerk?

Dicke Luft auf der Hauptversammlung: Gefährdet Weber mit Mayrhuber sein Lebenswerk?

(Foto: dpa)

"Wir sind fassungslos", sagte Fondssprecher Ingo Speich. "Wie kann es sein, dass sich Ihre Einstellung zur Lufthansa innerhalb des gestrigen Tages zweimal grundlegend ändert, Herr Mayrhuber?" Dies werfe ein Schatten auf sein künftiges Amt. Eine verantwortungsvolle "Governance" gebiete es, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende das Amt nicht annehme.

Bereits zu Wochenbeginn hatte Union Investment angekündigt, dass sie bei der Neubesetzung des Aufsichtsrats nicht für Mayrhuber stimmen werde. Die Fondsgesellschaft begründeten dies mit seinem früheren Amt als Vorstandsvorsitzender. "Sie können nicht als Aufsichtsratschef die Fehler und Versäumnisse Ihrer Amtszeit neutral beurteilen, wenn diese den Konzern noch heute belasten," sagte Speich laut Redetext zu Mayrhuber.

Scharfe Vorbehalte gegen Mayrhuber

"Die Altlasten der Ära Mayrhuber drücken den Kranich zu Boden, teure Fehlkäufe statt dringend notwendiger Flottenerneuerung sind der Lufthansa nicht gut bekommen", führte der Sprecher aus. Er forderte den noch amtierenden Aufsichtsratsvorsitzenden Jürgen Weber auf, sein Lebenswerk nicht aufs Spiel zu setzen, indem er Mayrhuber an die Spitze des Aufsichtsrats hole.

Lufthansa in Zahlen

Kennzahlen 2012

  • Umsatz: 30,1 Mrd. Euro
  • operatives Ergebnis: 524 Mio. Euro
  • Konzernergebnis (mit Sondereffekten): 990 Mio. Euro
  • Anzahl Mitarbeiter: 117.000
  • Beförderte Passagiere: 103,051 Millionen
  • Beförderte Fracht: rund 1,972 Mio. Tonnen
  • Geschäftsfelder (Auswahl): Passagierverkehr, Luftfracht, Lufthansa Technik, Catering, IT-Dienstleistungen

(Quelle: Unternehmensangaben)

Mayrhuber und sein Weggefährte Karl-Ludwig Kley, der sich als ehemaliger Finanzvorstand ebenfalls in den Aufsichtsrat wählen lassen will, verkörpern Speich zufolge die alte Lufthansa-Welt, die gescheitert sei und keine Zukunft habe. Union Investment, die eigenen Angaben zufolge rund 1 Prozent der Lufthansa-Aktien hält, fordert als Aufsichtsratsvorsitzenden einen unabhängigen und unbefangenen Kandidaten, der Sachverhalte als Außenstehender nüchtern beurteilen könnte.

Lufthansa ein "Sanierungsfall"?

Nach Einschätzung der Anleger gebe es im Kontrollgremium durchaus geeignete Kandidaten, hieß es. Lufthansa müsse sich jetzt auf das operative Geschäft konzentrieren und dürfe sich nicht in Personaldiskussionen verstricken, forderte der Portfoliomanager.

Lufthansa ist in den Augen der Fondsgesellschaft ein "Sanierungsfall". Die operative Marge sei mit 2,3 Prozent immer noch viel zu dünn, um im knallharten Wettbewerb der Luftfahrtbranche dauerhaft bestehen zu können. Das neue Management habe den Ernst der Lage erkannt und mit dem Sparprogramm "Score" längst überfällige Maßnahmen eingeleitet.

"Nach der gescheiterten Akquisitionspolitik der Ära Mayrhuber ist die Lufthansa immer noch ein Sammelsurium von unprofitablen Fluggesellschaften und Marken und erscheint in der derzeitigen Aufstellung nicht zukunftsfähig", sagte Speich. Die Lufthansa müsse endlich ein normales Unternehmen mit auskömmlicher Marge werden.

"Solange keiner Mehdorn sagt"

Auch bei den Kleinaktionären kam das Verwirrspiel um den Aufsichtsposten schlecht an. "Das schadet dem Unternehmen", meinte zum Beispiel Pensionär und Lufthansa-Anteilseigner Wolfgang Stelzner aus Frankfurt. Eine andere Aktionärin mit rund 600 Anteilsscheinen äußerte sich dagegen zufrieden, dass Mayrhuber mit seinem unbestrittenen Fachwissen nun doch antreten will. "Aber ein kleiner Makel bleibt doch", sagte die 55-Jährige.

"Ich habe gedacht, Weber muss es noch ein Jahr machen", meinte ein weiterer Aktionär bei der Verköstigung mit Wurst und Brezel. An der Person Mayrhuber habe er nun schon seine Zweifel, will aber dennoch einen bestimmten anderen Luftverkehrsmanager keinesfalls bei Lufthansa sehen. "Solange keiner Mehdorn sagt, ist alles gut."

Bemerkenswerter Gehaltsverzicht

Um die Wogen innerhalb der Belegschaft und bei den Aktionären zu glätten, kündigte Mayrhuber eine Geste des Entgegenkommens an: Der Vorstand selbst werde einen Beitrag zum Sparprogramm leisten, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Für die Laufzeit des Programms "Score" bis Ende 2014 werde der gesamt Vorstand auf fünf Prozent seiner Grundvergütung verzichten.

Nach zwei Neuberufungen zählt der Lufthansa-Vorstand ab Sommer insgesamt fünf Köpfe: Neben Konzernchef Franz sind das Simone Menne (Finanzen und "Aviation Services"), Carsten Spohr ("Lufthansa Passage"), Bettina Volkens (Arbeitsdirektorin und "Personal und Recht") sowie Harry Hohmeister (Logistik und "Verbund Airlines"). Neu berufen wurden Volkens und Hohmeister. Der bisherige Arbeitsdirektor Stefan Lauer scheidet zum 30. Juni aus.

Ergebnisse zum ersten Quartal 2013 hatte der Dax-Konzern Ende vergangener Woche vorgelegt: Unter dem Strich fuhr die größte deutsche Fluggesellschaft in den ersten drei Monaten des Jahres ein unerwartet starkes Minus von 459 Mio. Euro ein. Der Umsatz verbesserte sich um 0,1 Prozent auf 6,628 Mrd. Euro.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts

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