Wirtschaft

Freude über US-Einigung weicht Skepsis Finanzmärkte trauen Amerika nicht

Adlerauge sei wachsam.

Adlerauge sei wachsam.

(Foto: picture alliance / dpa)

Das Ende des US-Haushaltspokers sorgt nur kurz für Erleichterung. Insgesamt überwiegt der Frust bei den Investoren. Der Kompromiss ist nicht das Ende vom Lied. Auch dieser Etatkampf hinterlässt Spuren. Störfeuer kommt zusätzlich aus China.

Dax
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Weltbank und IWF haben den Kompromiss im Haushaltsstreit in Washington erwartungsgemäß mit großer Erleichterung aufgenommen - die Situation stand in der Tat spitz auf Knopf. Nach den Worten von Weltbank-Präsident Jim Yong Kim entging die Weltwirtschaft nur knapp einem Desaster. "Die globale Wirtschaft ist einer potenziellen Katastrophe ausgewichen", erklärte er. "Dies sind gute Nachrichten für die Entwicklungsländer und die Armen der Welt."

Auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, sprach von einem "wichtigen und notwendigen Schritt". Die Unsicherheit über die Finanzpolitik der USA müsse nun unbedingt verringert werden, betonte sie. Die Wall Street feierte den Befreiungsschlag noch. Auch an den Börsen in Asien schossen die Kurse nach oben. Nachdem die Nachricht einmal um den Erdball gelaufen ist, ist die Freude jedoch verpufft. Die europäischen Börsen geben auf breiter Front Gewinne ab. Gleichzeitig verliert der Dollar an Wert - und das nicht nur zum Euro. Auch an den Rohstoffmärkten herrscht zunehmend Ernüchterung.

Störfeuer aus China

Gold, Feinunze
Gold, Feinunze 2.343,24

Besonders deutlich wird die wachsende Skepsis am Goldmarkt. Am Morgen nach der   Einigung im Etat-Streit präsentierte sich der Preis für das Edelmetall extrem schwankungsanfällig. Der Preis der Feinunze verteuerte sich innerhalb weniger Minuten von rund 1284 Dollar auf in der Spitze gut 1320 Dollar, das entspricht einem Anstieg um 36 Dollar bzw. 2,8 Prozent. In der allgemeinen Gemengelage suchen offenbar wieder mehr Anleger Zuflucht im vermeintlich sicheren Hafen.

Händler begründeten den plötzlichen Preisanstieg mit der Herabstufung der US-Bonität durch die chinesische Ratingagentur Dagong auf "A-" von zuvor "A". Der Ausblick wird dabei weiterhin negativ bewertet. "Das unterstreicht, dass der Hauptgläubiger der USA nicht bereit ist, nochmal so ein Spiel mit der Zahlungsfähigkeit der USA mitzumachen", sagte ein Teilnehmer. Das Polit-Theater in den USA habe viel Glaubwürdigkeit gekostet, hieß es an anderer Stelle. Dagong war die erste Agentur, die den USA bereits vor längerer Zeit die Bestnote aberkannt hatte.

Die Preise anderer Rohstoffe spiegelten ebenfalls die Ernüchterung. Neben dem Goldpreis sanken auch die Preise für Kupfer und Öl. Einhellige Meinung der Marktteilnehmer: Der große Durchbruch ist den USA mit der Einigung noch nicht geglückt. Bereits Anfang 2014 könnte es im Kongress zu einer Wiederauflage des Schlagabtauschs kommen. "In den nächsten Wochen werden die Märkte wohl weiterhin vorsichtig bleiben", sagte Victor Thianpiriya, Analyst bei der ANZ.

US-Dollar / Euro
US-Dollar / Euro ,93

Auch der Devisenmarkt reagierte heftig auf die Meldung aus China. Der Dollar gab in einem Rutsch um über einen halben Cent zum Euro nach. Der Euro sprang in der Spitze auf 1,3638 Dollar und damit auf den höchsten Stand seit Februar. Zugleich kostete der Dollar weniger als 98 Yen, nachdem er im Tageshoch noch fast 99 Yen kostete.

Nach den zunächst noch positiven Reaktionen setzt sich offenbar an den Finanzmärkten immer mehr die Erkenntnis durch, dass das Problem der Verschuldung und der immer wiederkehrenden Haushaltsstreitigkeiten in den USA lediglich ins neue Jahr verschoben worden ist. "Das generelle Kreditrisiko der USA wird von allen Marktteilnehmern nun wesentlich höher eingeschätzt", hieß es dazu.

Blamage und Vertrauensverlust für Amerika

Offenbar macht die Einsicht die Runde, dass die USA in einer Sackgasse stecken: Nach Einschätzung der Ratingagentur Standard & Poor's haben die USA für den eskalierten Finanzstreit zudem wieder einen hohen Preis bezahlt. Der "Shutdown" soll die Wirtschaft 24 Milliarden Dollar gekostet haben.

Der Haushaltsstreit erhöhte laut US-Notenbank Fed zuletzt auch die Unsicherheit in der US-Konjunkturentwicklung. In immerhin vier der zwölf Distrikte der Notenbank habe sich das Wachstum abgeschwächt, hieß es in dem Konjunkturbericht der Fed ("Beige Book").  

"Für Amerika ist es durch das nervenaufreibende Tauziehen um den US-Haushalt zu einem Imageschaden gekommen, urteilt Helaba-Analyst Ulrich Wortberg. "Das grenzenlose Vertrauen der Marktteilnehmer in die Kreditwürdigkeit des Landes wurde beschädigt - auch vor dem Hintergrund, dass erneute Streitigkeiten zu erwarten sind", schreibt er in einem Kommentar. Bereits Anfang 2014 könnte es im Kongress zu einer Wiederauflage des Schlagabtauschs kommen.

"Die Politiker haben sich bis auf die Knochen blamiert", fasste ein Händler zusammen. Einige Investoren stellten nun die Funktion des Dollar als Weltleitwährung in Frage. Vielen stoße vor allem auf, dass es nur eine temporäre Lösung sei und sich zudem die Politiker fast bis zur letzten Minute für eine Einigung Zeit gelassen hätten, sagte Karpowitz. Der Markt habe während der Krise zwar ein gehöriges Maß an Gelassenheit gezeigt. Doch bleibe ein Nachgeschmack: "Trotz der Last-Minute-Einigung in Washington stellt sich nun zunehmend die Frage, ob die USA ein optimaler Politikraum sind."

Auch die Analysten der Metzler Bank warnen vor einer trügerischen Ruhe. "In den kommenden Tagen und Wochen wird vermehrt die Diskussion aufkommen, ob die USA noch uneingeschränkt als Hort der Sicherheit einzuschätzen sind", schrieben die Analysten in ihrem Tageskommentar. "Insbesondere China und Japan werden sich ihre Gedanken machen, ob die hohen Bestände an US-Tresauries noch für das stehen, weswegen sie seinerzeit erworben wurden - sprich als sicherer Hafen."

Quelle: ntv.de, ddi

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