Marktberichte

Bayer, Zinsängste und noch mehr Abwärtssog reißt Dax unter die 9800

Die labile Situation am deutschen Aktienmarkt zeigt sich am Donnerstag überdeutlich: Im Zick-Zack-Kurs wächst die Handelsspanne des Dax. Ausgebremst wird er dabei nicht nur von den Fed-Protokollen. Auch die Wall Street schließt mit Verlusten.

Nach Verlusten am Dienstag und Gewinnen am Mittwoch haben sich Dax und Co. am Donnerstag mit deutlichen Abschlägen aus dem Handel verabschiedet. "Die US-Zinswende dämpft die Stimmung", sagte ein Händler. Nur als schwächer als erwartet ausgefallene US-Konjunkturdaten bekannt wurden, hob sich die Anlegerstimmung am deutschen Aktienmarkt kurz. Am Mittwochabend hatte die US-Notenbank mit dem Protokoll der April-Sitzung die Tür für eine weitere Zinsanhebung im Juni aufgestoßen.

Der Dax schloss mit einem Minus von 1,5 Prozent bei 9796 Punkten. Das Tageshoch hatte er bei 9900 Zählern markiert, das Tagestief bei 9774 Stellen. Am Dienstag war er leichter aus dem Handel gegangen, am Mittwoch konnte er Gewinne verbuchen. Der MDax verabschiedete sich 0,7 Prozent tiefer bei 19.985 Zählern. Der TecDax verlor 1,0 Prozent auf 1647 Punkte.

Konjunktur: Fed sorgt für Stimmung

"Die Minutes zur FOMC-Sitzung im April sind überraschend hawkish ausgefallen und haben die Markterwartungen auf einen baldigen zweiten Zinsschritt deutlich erhöht", kommentierte Volkswirtin Christiane von Berg von der BayernLB. Die Juni-Entscheidung des FOMC dürfte aber dennoch knapp ausfallen. Die BayernLB geht allerdings weiterhin davon aus, dass die Fed den nächsten Zinsschritt noch bis September hinauszögern wird, auch weil die Finanzmarktvolatilität im Vorfeld des Brexit-Referendums temporär deutlich zulegen dürfte.

Ein Ziel habe die Fed in jedem Fall erreicht, marktseitig würden die Aussagen ernst genommen. Ein Blick auf die Zins-Futures zeigt, dass nun mit einer Wahrscheinlichkeit von 32 Prozent mit einer Anhebung der Leitzinsen im Juni gerechnet wird. Vor den Minutes lag dieser Wert noch bei 12 Prozent. Für den September-Termin ist nach Aussage eines Marktteilnehmers die Wahrscheinlichkeit einer Anhebung auf 62 von 47 Prozent gestiegen.

Devisen: Euro unter 1,12

Ein Verlierer der jüngsten US-Zinsspekulationen ist der Euro. Er notierte am Mittwochabend vor der Veröffentlichung der Protokolle noch bei 1,1290 Dollar - hatte da aber bereits deutlich zum Dollar nachgegeben. Nach der Veröffentlichung rutsche die Gemeinschaftswährung auf 1,1218 Dollar ab. Am Donnerstag nun fiel der Euro bis auf ein Tagestief von 1,1179 Dollar. Am Abend kostete er 1,1198 Dollar. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs am Mittag auf 1,1197 Dollar fest nach 1,1279 Dollar zur Wochenmitte.

Seit Anfang Mai hat der Dollar-Index, gestützt auf solide US-Konjunkturdaten, bereits mehr als zwei Prozent zugelegt. "Wegen der Wachstumserholung, die sich auch in den April-Indikatoren wiederfindet, sehen wir das Risiko zweier Zinserhöhungen in 2016, die erste im Juni/Juli" kommentierten die Strategen von Barclays.

Rohstoffe: Dollar drückt Ölpreis

Der festere Dollar sorgte zudem für Druck auf die in Dollar gehandelten Rohstoffe. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete am Abend etwa 48,76 Dollar. Das waren 1,9 Prozent weniger als zur Wochenmitte. Der Preis für ein Fass der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel 1,7 Prozent auf 48,12 Dollar.

Am Mittwoch hatten bereits frische Daten zu den US-Rohöllagerbeständen den Ölpreis belastet. Statt eines erwarteten Rückgangs waren die Bestände überraschend gestiegen.

Dax: Banken-Titel gefragt

Profiteure steigender Zinsen sind die Banken in der Hoffnung auf steigende Erträge im Zinsgeschäft. Im Dax reagierten deshalb Deutsche Bank - heute mit Hauptversammlung - und Commerzbank positiv auf die Fed-Minutes. Beide legten zu: Deutsche-Bank-Titel gewannen rund 1,5 Prozent, Coba-Papiere etwa 1 Prozent.

Von der Dollar-Stärke profitierten zudem die exportabhängigen Autotitel: VW stiegen im schwachen Marktumfeld leicht. BMW und Daimler präsentierten sich nahezu unverändert.

Mit den Geschäftsausweisen von Henkel und Merck endete zudem die Berichtssaison im Dax. Die Zahlen der beiden wurden positiv aufgenommen: Bei Merck lagen der Umsatz im erwarteten Rahmen, der Gewinne jedoch leicht darüber. Wichtig sei, dass sich sowohl Erbitux als auch Rebif etwas besser entwickelten als angenommen, kommentierte ein Marktteilnehmer. Der Ausblick liege am oberen Ende der Erwartungen. "Die Aktie ist mit einem KGV von 14,5 auf Basis der 2016er Schätzung und bezogen auf die Wachstumschancen nicht teuer und deswegen ein Kauf", sagte Heino Ruland von ICF Brokers. Merck sprangen fast 6 Prozent an.

Henkel schüttelten im späten Handelsverlauf die zeitweiligen Verluste ab und schlossen mehr als 1 Prozent fester. "Die Aktie notiert jetzt dort, wo sie eigentlich hingehört", sagte ein Händler. Einige Anleger hatten zunächst Zweifel an dem bestätigten Ausblick.

SAP-Anteilsscheine zogen sich etwas schwächer aus dem Handel zurück. Positiv für SAP wurde im Handel aber die Entwicklung beim US-Wettbewerber Salesforce gewertet. Das US-Unternehmen für Cloud-Computing-Lösungen hatte ein gutes erstes Quartal hingelegt und den Ausblick auf das Gesamtjahr nach oben genommen. "Die Welt hat verstanden, dass die Cloud die treibende Kraft für Innovationen ist", kommentierte Keith Block, Vorstandschef von Salesforce, die Geschäftszahlen.

Bayer-Papiere sackten rund 9 Prozent ab. Der Konzern hatte Übernahmegespräche mit Monsanto bestätigt. Monsanto wird an der Börse mit etwa 42 Milliarden Dollar bewertet. "Die Margen von Bayer würden verwässert, das drückt den Kurs", sagte ein Marktteilnehmer. Da Bayer die Übernahme unter anderem mit einer Abgaben der Tochter Covestro finanzieren könnte, geraten auch diese Titel im MDax unter Druck. Covestro gaben 2,6 Prozent ab.

MDax: Kuka im Midea-Bann

Kuka gewannen dagegen 2,6 Prozent. Am Mittwoch waren sie im Verlauf von knapp 115 Euro - dem Übernahmepreis des chinesischen Midea-Konzerns - bis auf zuletzt 104 Euro zurückgefallen. "Einige Fragen sind noch offen", sagte ein Händler. So sei Kuka Zulieferer des US-Rüstungskonzerns Northrop Grumman. Von daher könne die Übernahme durch die Chinesen auf US-Widerstand stoßen, hieß es am Markt.

Die Zahlen von Südzucker kamen an der Börse gut an. Zwar fiel der Aktienkurs zunächst deutlich, das Minus wurde im Handelsverlauf aber kleiner. Südzucker-Titel schlossen mit Abgaben von rund 1 Prozent. Der Südzucker-Umsatz war in Augenhöhe mit der Markterwartung ausgefallen, der operative Gewinn übertraf die Prognosen etwas.

TecDax: Frischer Wind bei Nordex

Nordex-Titel verbesserten sich etwa 0,7 Prozent. Der Windturbinenhersteller erhielt einen Auftrag aus Frankreich. Nordex wird nach eigenen Angaben Turbinen mit einer Gesamtleistung von 32,5 Megawatt für den Windpark "Eplessier" in der nordfranzösischen Region Picardie liefern und errichten. Der Konzern wird die 13 Anlagen ab Oktober liefern, die Errichtung soll im ersten Quartal 2017 abgeschlossen werden.

Wirecard fielen dagegen mehr als 2 Prozent - trotz eines im ersten Quartal kräftig gestiegenen Gewinns. Die Zielsetzung fürs laufende Jahr hatte der auf Zahlungsabwicklung spezialisierte Dienstleister bei Vorlage der ausführlichen Erstquartalsergebnisse bekräftigt. Im Quartal wies Wirecard ein Ergebnis nach Steuern von 36,6 Millionen Euro aus, 28 Prozent mehr als im Vorjahr.

USA: Abwärts an der Wall Street

Aus Zinssorgen und überraschend guten Quartalszahlen macht die Wall Street am Vormittag (Ortszeit) Verluste. "Es besteht jetzt das Risiko, dass die Fed bereits im Juni die Zinsen anhebt", sagte Devisen-Analyst Lee Hardman von der Bank of Tokyo-Mitsubishi. "Die Deutlichkeit des Signals hat schon überrascht." Der Markt war bislang von keinem Zinsschritt im Juni ausgegangen und hatte erst frühestens im Herbst mit einem solchen Szenario gerechnet.

Der Dow-Jones-Index schloss am Abend mit 0,52 Prozent im Minus und notierte bei 17.435 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 verlor 0,37 Prozent auf 2040 Zähler. Der Nasdaq100 positioniert sich 0,52 Prozent schwächer bei 4315 Stellen.

Die vorbörslich veröffentlichten US-Konjunkturdaten waren allerdings schwächer als erwartet ausgefallen: Die Zahl der wöchentlichen Erstanträge war um 16.000 auf 278.000 gefallen, blieb damit aber über der Erwartung von 272.000. Deutlich unter den Prognosen war der Chicago Fed National Activity Index ausgefallen. Mit minus 1,8 im Mai hatte er sich gegenüber April (minus 1,6) weiter abgeschwächt. Analysten hatten mit einer merklichen Verbesserung auf plus 3,0 gerechnet.

Wal-Mart hatte im ersten Geschäftsquartal unter dem Strich mehr verdient als erwartet. Der Umsatz stieg um 0,9 Prozent auf 115,9 Milliarden Dollar. Die Aktien sprangen daraufhin um 9,6 Prozent an. Für Cisco ging es 3,2 Prozent nach oben. Der Netzwerkausrüster überraschte mit seinen Drittquartalszahlen positiv und übertraf auch mit dem Ausblick auf die vierte Periode die Markterwartungen. Überraschend gute Geschäftszahlen hatte auch American Eagle Outfitters vorgelegt. Die Papiere schossen mehr als 18 Prozent nach oben. Wettbewerber Urban Outfitters wusste ebenfalls mit seinem Geschäftsausweis zu überzeugen. Der Kurs legte 14 Prozent zu. Tesla will sich zur Deckung der Produktionskosten seines Modell 3 Geld an der Börse beschaffen. Die Aktie stieg um1,9 Prozent.

Asien: Uneinheitlich

Die Aussicht auf einen baldigen US-Zinsanstieg ließ auch die Aktienmärkte in Ostasien nicht kalt. Anleger befürchten, dass eine geldpolitische Straffung in der weltgrößten Volkswirtschaft die Konjunktur in Schwellenländern drosseln könnte. "Dieser mögliche Zinsschritt ist kein gutes Zeichen. Ich denke, wir dürften einige größere Korrekturen in Asien in den nächsten Tagen beobachten", warnt Händler Tareck Horchani von Saxo Capital Markets.

Der MSCI-Index für asiatische Aktien außerhalb Japans verlor 0,8 Prozent. In Tokio schloss der Nikkei-Index nahezu unverändert bei 16.647 Punkten. In Schanghai lieferte der Composite das gleiche Bild. Der Kospi gab in Seoul 0,5 Prozent nach. Der Hangseng büßte 0,7 Prozent ein, der S&P/ASX200 0,6 Prozent.

Quelle: ntv.de, bad/DJ/rts/dpa

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