Kolumnen

Per Saldo - Die Wirtschaftskolumne S&P macht den Schabowski

Standard & Poor's erkennt Frankreich die Top-Bonität ab. Das sei natürlich nur ein Versehen, versichert die US-amerikanische Ratingagentur später - und offenbart damit eine erstaunliche Parallele zwischen Wall Street und SED-Politbüro.

Günter Schabowski während der legendären Pressekonferenz im November 1989.

Günter Schabowski während der legendären Pressekonferenz im November 1989.

"Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich." Mit diesen Worten öffnete Günter Schabowski versehentlich die Mauer. Nun zeigt sich: Die Ratingagentur S&P und der DDR-Funktionär haben offensichtlich sehr viel mehr gemeinsam als gemeinhin angenommen. Beide haben - gelinde gesagt - Kommunikationsdefizite und laufen Gefahr, sich gelegentlich zu verplaudern.

Bekanntlich parliert die Finanzwelt seit geraumer Zeit darüber, wann Frankreich seine Spitzenbonität verlieren wird. Für die Eurozone wäre das ein schwerer Schlag, der Rettungsschirm würde damit noch löchriger, als er ohnehin schon ist. Wahrscheinlich wäre auch er ein Fall für den berühmten Abfallhaufen der Geschichte.

Gestern informierte S&P einige Abonnenten per Mail, Frankreich die Top-Bonität aberkannt zu haben. Die ohnehin schon nervösen Märkte reagierten heftig. Paris war entsetzt. Knapp zwei Stunden später hieß es dann: sorry. Technischer Fehler. Die Mail sei versehentlich verschickt worden. Frankreich habe noch immer die Bestnote "AAA" und einen stabilen Ausblick.

Die S&P-Information im November 2011.

Die S&P-Information im November 2011.

"Das war Mist", brachte es ein Händler auf den Punkt. Das wird sich auch das Politbüro gedacht haben, als sich nach der Ankündigung Schabowskis ein nicht unerheblicher Teil der DDR spontan entschloss, die Nachbarn auf der anderen Seite der Mauer zu besuchen.

Im Gegensatz zu Schabowski gelang es S&P allerdings, den Schaden in Grenzen zu halten. Die Ratingagentur versicherte, der Vorfall habe mit "keiner Aktivität bei der Ratingüberwachung" zu tun.

Alles klar. Wer um alles in der Welt könnte auf den abwegigen Gedanken kommen, dass irgendjemand tatsächlich vorhaben könnte, Frankreich herunterzustufen? So ein Quatsch, das wäre ja absurd. Oder um die Worte eines anderen DDR-Politikers zu paraphrasieren: Niemand hat die Absicht, Frankreich die Top-Bonität zu entziehen.

Natürlich nicht.

Quelle: ntv.de

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