Archiv

Per Saldo - die Wirtschaftskolumne Die Party der Boni-Helden

Ein Jahr nach Lehman, gut zwei Jahre nach dem ersten Taumeln der IKB und volle drei Jahre nach dem Ende des zweifelhaften Immobilienbooms in den USA zeichnet sich eine unheilvolle Entwicklung ab: Die Diskussion um die Lehren aus der Krise verengt sich auf das Thema Vergütungen für erfolglose Manager - und dringt dabei keinen Millimeter in Richtung der eigentlichen Ursachen vor.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen plötzlich die Millionen-Boni, also die variablen Gehaltsbestandteile von gescheiterten Bankern, die in vielen Fällen beinahe obszön hoch erscheinen. Doch während die Boni angesichts milliardenschwerer Staatshilfe berechtige Wut und Unverständnis auslösen, drohen die eigentlichen Ursachen der gesamten Malaise unter den Tisch zu fallen.

Getragen von einem weltumspannenden Sturm der Entrüstung machen sich Politiker in den USA, in Großbritannien, Frankreich und Deutschland nun daran, die "Gehaltsexzesse" zu beenden. Auf dem anstehenden G20-Gipfel in Pittsburgh wollen die Mitgliedstaaten der EU auf eine Einigung auf strenge Obergrenzen drängen. Die seit Jahrzehnten geübte Praxis, tatsächlich oder vermeintlich erbrachte Leistungen durch sogenannte Boni zu belohnen, wird zur horizontfüllenden Zielscheibe der Kritik.

Schuld daran sind die Banken selbst. Während die Geldhäuser reihenweise in die Knie gingen, hielten sie an ihrem System aus Fixgehalt und Leistungskomponente fest. Was hätten sie auch anderes tun sollen? Das Schema war arbeitsrechtlich geregelt und in Verträgen fixiert. Selbst wenn im Aufsichtsrat plötzlich moralische Bedenken aufgekommen sein sollten, führte an der Auszahlung in den meisten Fällen wohl zunächst kein Weg vorbei.

Deshalb erscheint es richtig, diesen Fragen mit einem neuen rechtlichen Rahmen zu begegnen - unabhängig davon, welchen Schwierigkeiten die Politik bei der Umsetzung der gewünschten Gehaltsdeckel im internationalen Umfeld noch begegnen mag. Falsch und geradezu fahrlässig falsch wäre es jedoch, die Konsequenzen aus der Krise auf das Thema Bonus zu beschränken.

Hemds ärmliger Polit-Aktionismus

Boni sind allenfalls ein Symptom der Krise: eine in der Öffentlichkeit höchst unangenehm aufstoßende Randerscheinung, ein moralisches Problem, ein Ansatzpunkt für publikumswirksame Neiddebatten, Anlass für gerechten Zorn und eine hervorragend geeignete Möglichkeit, Wähler in Rage zu bringen. Man kann darin auch einen reichlich abgenutzten Sandsack des Fäuste schwingenden Managerhasses erkennen. Die Verteufelung von Fantasiegagen dient als gut ausgeleuchteter Laufsteg der Politik, auf der sich Wahlkämpfer und Stimmenfänger im Licht eines hemdsärmeligen Entscheidertums präsentieren können.

Bis zu den Ursachen der Hypotheken-, Immobilien-, Kredit-, Finanz- und Wirtschaftskrise - oder wie auch immer die Wirtschaftswissenschaft das anhaltende Sturmtief einst benennen wird - dringt die Boni-Diskussion nicht einmal ansatzweise vor. Doch angesichts der einschneidenden Konsequenzen, mit denen die viele Menschen rund um den Erdball härter zu kämpfen haben als manche Banken, erscheinen eine nüchterne Diagnose und eine Einigung auf wirkungsvolle Therapieansätzen von lebenswichtiger Bedeutung.

Ohne Boni keine Krise? Gegenprobe: Was wäre geschehen, wenn das Bonus-System bereits vor zehn Jahren durch eine rigide, weltweit geltende Regulierung gezügelt worden wäre? Hätte das die Finanzkrise verhindert oder wenigstens abgemildert? Hätte es überhaupt etwas verändert, wenn die Kreditinstitute zwar Milliarden verdient, dabei aber stets darauf bedacht gewesen wären, moralisch unbedenkliche Gehälter auszugeben?

Sicher mag man einwenden: Das Bonus-System bietet starke Anreize für eine kurzfristige Gewinnorientierung. Boni fördern eine Denkweise, die nicht über den Bewertungszeitraum hinausgeht. In den Grundzügen kann dieses Problem übrigens auch in der Politik beobachtet werden: Wo bleibt das Gemeinwohl, wenn sich die sich die politische Gestaltungsmacht in der kurzen Spanne bis zur nächsten Wahl erschöpft?

Kreditpakete auch ohne Boni geschnürt

Die Wahrheit ist: Selbst mit streng reglementierten Gehältern hätte sich einer der wichtigsten Faktoren der Finanzkrise durchgesetzt. Denn im Gegensatz zu den Boni hätte es den Multi-Milliarden-Schaden ohne die sogenannten "Finanzinnovation" nie gegeben. Die Idee, Kredite zu bündeln, zu verpacken, zu benoten und schnell weiterzureichen, war beinahe überall begeistert aufgenommen worden. Und das nicht nur von Managern, die sich davon Extra-Millionen für das eigene Konto versprechen konnten.

Die eilige Verdammung der Gier ändert gar nichts. Denn letztendlich ist Gier nichts anderes als übersteigertes Profitstreben - ein Vorwurf, mit dem sich nicht nur einzelne überbezahlte Bankmanager auseinandersetzen müssen. Wer die nächste Krise verhindern will, muss an anderer Stelle ansetzen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen