Wirtschaft

Raimund Brichta Warum die Schulden verteufeln?

Raimund Brichta, n-tv Telebörse

Raimund Brichta, n-tv Telebörse

Schulden? Will keiner haben. Geldvermögen steht dagegen hoch im Kurs. Dass es sich dabei lediglich um die beiden Seiten derselben Medaille handelt, vergessen viele. Ein wichtiger Zusammenhang, warum also die Schulden so verteufeln?

Schulden gelten als etwas Schlechtes, das man wieder los werden muss. Sogar im Fensehen lernen wir, wie man möglichst schnell raus aus den Schulden kommt. Geldvermögen dagegen hat einen guten Ruf. Wer Geldvermögen bildet, sorgt vor. Das bringen wir schon unseren Kleinsten bei und lassen sie am Weltspartag die Inhalte ihrer Sparschweine aufs Sparbuch einzahlen. Weil es dort schließlich Zinsen bringt.

Subjektiv und aus Sicht eines Einzelnen betrachtet, mögen beide Sichtweisen auch ihre Berechtigung haben. Objektiv und für die Gesamtheit ist die ungleiche Bewertung dagegen nicht gerechtfertigt. Denn Geldvermögen und Schulden sind lediglich zwei Seiten derselben Medaille. Man kann Geldvermögen nur bilden, wenn ein Anderer dafür gleich hohe Schulden macht. Erst durch Schulden wird Geldvermögen also möglich. Das ist ein wichtiger Zusammenhang, der den meisten Leuten nicht bewusst ist.

Anders ist das beim Sachvermögen, also etwa bei Immobilien, Edelmetallen, Schmuck, Rohstoffen oder Unternehmensanteilen. Dem Sachvermögen stehen keine Schulden gegenüber. Die Crux bei dieser Vermögensart aber ist: Sie lässt sich nicht so leicht vermehren wie das Geldvermögen, und deshalb basiert ein großer Teil unserer wachsenden "Reichtums" auf dem Vermögen aus Geld.

Der große Sandhaufen

Erst kürzlich meldete etwa die Allianz, dass das weltweite Geldvermögen auf Rekordhöhe gestiegen sei - trotz der Schuldenkrise, hieß es dann oft in Kommentaren. Dabei ist dies gar kein Gegensatz, sondern das eine eher eine logische Konsequenz des Anderen.

Im Prinzip verhält es sich mit dem Geldvermögen so, als würde man am Strand ein Loch graben und den ausgegrabenen Sand daneben anhäufen. Der Sandhaufen kommt nur dadurch zustande, dass gleichzeitig auch das Loch entsteht. Und genauso ist es beim Geldvermögensberg: Diesen gibt es nur deshalb, weil es auch ein Schuldenloch gibt.

Damit sollte auch deutlich werden, dass durch das Anhäufen von Geldvermögen niemals zusätzliches Vermögen in die Welt gesetzt wird. Denn wenn dem neuen Guthaben eine gleich hohe neue Schuld gegenübersteht, hebt sich beides gegenseitig auf. Das auf der Erde vorhandene Gesamtvermögen bleibt damit unverändert. Genauso ist es am Strand: Dort entsteht durch den Haufen kein einziges zusätzliches Sandkorn, da gleichzeitig das Loch gegraben wird.

Wie kann es also sein, dass wir uns auf der einen Seite freuen, wenn unser Geldvermögen steigt, auf der anderen Seite aber die Schulden verteufeln? Denn wenn das Geldvermögen wächst, was wir alle wünschen, müssen auch die Schulden wachsen.

Stellen Sie sich einmal im Gegenteil vor, die Schulden würden in größerem Umfang abgebaut. Wie sollte das geschehen, ohne gleichzeitig auch die Geldvermögen anzugreifen? Ein Ding der Unmöglichkeit! Eine sinkende Verschuldung zöge vielmehr auch schrumpfende Geldvermögen nach sich.

Besonders deutlich wird das bei der Staatsverschuldung, die ein wichtiger Bestandteil der gesamten Verschuldung ist und die damit eine tragende Säule der Geldvermögen auf der anderen Seite darstellt. Würden die Staatsschulden tatsächlich abgebaut, wie das immer wieder gefordert wird, müssten gleichzeitig private oder ausländische Schuldner für den Staat in die Bresche springen und sich ihrerseits noch mehr verschulden, um die Geldvermögen auf  gleich hohem Niveau zu halten. Aber das ist unrealistisch, weil auch die privatwirtschaftlichen Schulden und die Schulden anderer Staaten schon jetzt zum Großteil exorbitant hoch sind.

Mehrheit redet nur vom Sparen

Trotzdem hört man immer wieder Leute, die sich für einen staatlichen Schuldenabbau stark machen. Man nimmt sie ernst und lädt sie in Talkshows ein, wo sie mit wichtiger Miene einem Millionenpublikum erklären dürfen, was ihrer Meinung nach zu tun ist. Die Parole "Raus aus den Schulden!", ist beliebt, die Forderung "Weg mit eurem Geldvermögen!" dagegen nicht. Nur manchmal hört man Menschen, die für einen Vermögensabbau eintreten - aber dann eher aus der linken Ecke, der es dabei hauptsächlich um das Geld der Reichen geht.

Die M ehrheit redet dagegen nur vom Sparen, obwohl damit noch niemals Staatsschulden abgebaut wurden. Das gelang vielmehr immer nur durch Währungsreformen, Staatspleiten oder Schuldenschnitte. Zum Beispiel der Schnitt für Griechenland: Damals mussten die Inhaber griechischer Staatsanleihen auf einen großen Teil ihrer Forderungen verzichten, sodass sich ihr Geldvermögen im gleichen Umfang wie die Staatsschulden verringerte. Anderes Beispiel die Zypern-Rettung: Hier wurden die Guthaben von Bankkunden beschnitten.

Daran erkennt man auch, dass die Parole von der zwangsweisen Beschneidung des Vermögens sehr realitätsnah ist - auch wenn es die meisten Menschen nicht wahrhaben wollen. Ein wirklicher Abbau von Staatsschulden scheint ohne Zwangsmaßnahmen kaum denkbar - schließlich geben die wenigsten freiwillig ihr Vermögen her.

Zu stetigem Wachstum verdammt?

Man sollte sich auch nicht dem Glauben hingeben, dass Staatspleiten nur auf "exotische" Länder wie Griechenland, Zypern oder Argentinien (im Jahr 2002) beschränkt blieben. Solche Staaten bilden gewissermaßen nur die Vorhut. Denn auch die vermeintlich sicheren Anlagehäfen wie Deutschland oder die USA sind mit diesen Ländern in einem wichtigen Punkt vergleichbar: Auch diese Regierungen sind nur so lange zahlungsfähig, wie sie ausreichende neue Kredite zu akzeptablen Bedingungen bekommen können. Auch sie sind also einzig und allein auf die Bereitschaft der Kreditgeber angewiesen. Bis auf Weiteres können sie sich dieser zwar sicher sein, aber wenn erst einmal Zweifel an der Kreditwürdigkeit aufkommen, werden immer mehr Geldvermögensbesitzer versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Dann könnten auch diese Länder schnell auf dem Trockenen sitzen.

Dass dieser Fall irgendwann eintreten wird, erscheint umso wahrscheinlicher, wenn man sich folgenden Zusammenhang vor Augen führt: Die Mengen an Geld und Geldvermögen auf der einen Seite sowie die entsprechenden Schuldenmengen, die ihnen gegenüberstehen, sind zu stetigem Wachstum verdammt. Schon eine Stagnation und erst recht eine nachhaltige Schrumpfung führen zu erheblichen Problemen.

Das liegt daran, dass die Schulden regelmäßig bedient werden müssen - das heißt, es sind stets Zins- und Tilgungszahlungen zu leisten. Dafür muss auch immer ausreichend Geld vorhanden sein. Und hierin liegt das Problem: Denn diejenigen, die Geld besitzen, die also Geldvermögen angehäuft haben, sind sehr oft nicht identisch mit denjenigen, die Geld schulden. Damit steht ein großer Teil des Geldes für Zins- und Tilungszahlungen gar nicht zur Verfügung, weil es Leuten gehört, die solche Zahlungen überhaupt nicht leisten müssen. Die Folge: Zusätzlich zum bestehenden Geld muss andauernd neues Geld geschaffen werden, damit immer genügend vorhanden ist, um die fälligen Zahlungen nicht an Geldmangel scheitern zu lassen.

Da aber neues Geld wiederum nur durch neue Schulden in Umlauf kommt, handelt es sich um eine Spirale, die sich immer weiter nach oben dreht. Schrumpft die Geldmenge dagegen über längere Zeit, gibt es immer mehr Schuldner, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können. Es kommt zu Pleiten, die wiederum neue Pleiten hervorrufen, weil dadurch andere Schuldner in die Bredouille kommen. So entsteht ein Dominoeffekt, der letztlich zum Zusammenbruch führt.

Auch Bazookas haben Grenzen

Dies ist zum Beispiel in der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre passiert, auch Große Depression genannt. Und genau deshalb ist derzeit insbesondere die US-amerikanische Notenbank erpicht darauf, eine Deflation, also ein anhaltendes Schrumpfen der Geldmenge, zu verhindern. Sie tut im Gegenteil seit Jahren alles, um die Geldmengen weiter wachsen zu lassen. Und die anderen führenden Notenbanken machen es ihr nach, auch wenn es in der öffentlichen Wahrnehmung einige Unterschiede geben mag.

Im Prinzip sind die Notenbanken mit ihren Geldkanonen, ihren "Bazookas" und "Dicken Berthas", ohnehin die letzten, die das System aus wachsenden Mengen an Schulden und Geld noch aufrecht erhalten können. Und das können sie vermutlich auch noch recht lange. Aber irgendwann werden auch sie an ihre Grenzen stoßen. Dann werden auch sie vor der Pleite stehen, was den meisten Menschen derzeit noch undenkbar erscheint.

Zumal man eine solche Pleite dann auch eher Währungsreform oder so ähnlich nennen wird. Aber das Ergebnis ist das Gleiche: Es wird Tabula rasa gemacht und sowohl den Zentralbanken als auch den hinter ihnen stehenden Regierungen ein Neustart ermöglicht. Das heißt, das Gros der Schulden wird dann überall gestrichen werden. Damit wird das ganze System auf nahe null zurückgesetzt – etwa so, wie wenn man bei einem Computer die Festplatte "putzt".

Heikler Nebeneffekt: Dabei wird mit einem Schlag auch das Gros der Geldvermögen vernichtet. Wohl dem also, der in einer solchen Situation kein Geldvermögen hat,

meint Ihr Raimund Brichta

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Quelle: ntv.de

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