Wirtschaft

Die Busch-Trommel Pest oder Cholera

Die regierungsamtlichen Schreckensbilder sind offenbar nicht ohne Wirkung geblieben. Nur wenige Abgeordnete stemmen sich gegen einen europäischen Rettungsschirm, obwohl seine Folgen für Deutschland unabsehbar sind.

Friedhelm Busch

Friedhelm Busch

Nun fallen der Bundesregierung all die alarmierenden Reden schmerzhaft auf die eigenen Füße, die Merkel und Co. in den vergangenen Monaten gehalten haben, um die Abgeordneten ihrer Regierungskoalition von der unbedingten, "alternativlosen" Notwendigkeit der geplanten europäischen Rettungsprogramme zu überzeugen.

Die beschworenen Bilder konnten dabei gar nicht schrecklich genug sein: Bei einem Zusammenbruch Griechenlands und anderer europäischer Pleitekandidaten werde der Euro untergehen und in der Folge unser aller Wohlstand, den wir nicht zuletzt den Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft im benachbarten Europa zu verdanken haben. Fiele erst einmal Griechenland wegen Zahlungsunfähigkeit aus dem Euro-System heraus, würden sich Finanzspekulanten umgehend auf den nächsten Wackelkandidaten stürzen und nicht eher ruhen, bis auch diesem die Kraft, sprich das Geld ausgeht. Land für Land würde Europa demontiert, der Euro zur Bonbonwährung verkommen. Im schlimmsten Fall könnte das geeinte Europa wieder in rivalisierende Nationalstaaten auseinander brechen. Mit Konsequenzen, wie wir sie gerade als deutsche Bürger nie vergessen sollten.

Diese regierungsamtlichen Schreckensbilder sind offenbar nicht ohne Wirkung geblieben. Nur wenige Abgeordnete stemmen sich noch gegen einen europäischen Rettungsschirm, obwohl seine möglichen Folgen für Deutschland unabsehbar sind, während sich die Zweifel an seiner Wirkung konkret in den fallenden Eurokursen spiegeln.

Von Grillen und Ameisen

Doch die Bundesbürger lassen sich offenbar nicht von diesen apokalyptischen Visionen schrecken. Sie bangen ganz konkret um ihre Ersparnisse und Steuergelder, die sich bald in Luft auflösen könnten, weil einige europäische Nachbarn wie die Grille in La Fontaines Fabel den ganzen Sommer lustig fiedelnd durchs Land gezogen sind, ohne einen Gedanken an den kommenden Winter zu verschwenden, nun aber, bei Einbruch der Kälte, von den Ameisen ernährt werden möchten, die im Sommer nicht gefiedelt, sondern Vorräte für den Winter angehäuft haben.

Sollen die Griechen jetzt doch darben, von uns gibt es nichts! So die Mehrheit der Deutschen, die sich, ganz im Sinne ihrer Bundeskanzlerin, offenbar als emsige Ameisen verstehen. Und da sie als Wähler pfleglich behandelt werden müssen, hält die Bundesregierung auch für sie beruhigende Worte bereit: Finanzielle Hilfe gibt es von Deutschland natürlich nur, wenn die europäischen Pleitekandidaten alles, wirklich alles tun, um ihrem " extremen Pumpkapitalismus" abzuschwören.

Und tatsächlich: Alle Wackelkandidaten der Euro-Zone haben natürlich eilfertig ihre Hand zum Stabilitätsschwur gehoben, um von dem europäischen Geldsegen etwas abzubekommen. Schuldenbremsen in der Verfassung, ein Ende bürokratischer Verfilzungen, Öffnung der Märkte, mehr Steuerehrlichkeit, höhere Verbrauchssteuern, geringere Gehaltszahlungen im öffentlichen Dienst, Verkauf des heimischen Tafelsilbers. Halt das ganze Programm. Alles wurde versprochen. Da die Stabilitätssünder Besserung gelobten, konnte man ihnen dabei auch tatkräftig helfen, würde den Protesten der deutschen Ameisen mit der Zeit der Boden entzogen. Oder? Diese Rechnung schien auch anfänglich aufzugehen.

Doch nun stellt sich plötzlich heraus, dass die Stabilitätsschwüre der Griechen wenig bis gar nichts bewirkt haben. Trotz der bereits ausgezahlten Hilfsgelder sind die griechischen Staatschulden seit dem Beginn des Rettungsprogramms nicht gesunken, sondern von 302 Mrd. € auf jetzt 356 Mrd. € gestiegen, befindet sich das Wirtschaftswachstum des Landes im freien Fall, signalisieren Regierung und Proteste der Bevölkerung das Ende ihrer Bemühungen um Stabilität.

Prinzip Hoffnung

Wundern darf sich darüber niemand, denn wie soll die griechische Wirtschaft wachsen, wenn drastische Gehaltskürzungen und höhere Verbrauchssteuern den Konsum im Lande lähmen? Wie sollen die ausstehenden Steuern eingetrieben werden, wenn die Mehrheit der griechischen Steuerschuldner längst pleite oder im Staatsbesitz ist? Woher sollen die einkalkulierten Milliarden-Einnahmen aus Privatisierung und Verkauf staatlicher Unternehmen kommen, wenn es kaum Käufer gibt? Wie kann überhaupt Staatsbesitz zu Geld gemacht werden, wenn die ausländischen Gläubiger diesen als Sicherheiten für ihre Kredite reklamieren?

Nun erweisen sich all diese "unbedingten" Voraussetzungen deutscher Finanzhilfen als wenig durchdachte Illusion, als öffentliches Wunschdenken mit Blick auf die heimischen Wähler. Und jetzt, Frau Merkel? Weiter helfen? Gegen den mehrheitlichen Willen der Bundesbürger? Bei der gegenwärtigen Stimmung im Lande ist das sehr unwahrscheinlich.

Also am Ende doch den Griechen den Austritt aus dem Euro-Verbund durch einen radikalen Schuldenschnitt schmackhaft machen und dem beschworenen Untergang ins Auge sehen? Eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Aber vielleicht war ja alles nur bewusste Schwarzmalerei um die Abgeordneten bei der Stange zu halten. Hoffen wir es.

Quelle: ntv.de

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