Wirtschaft

Ausverkauf vor der Krim-Abstimmung Moskau-Börsen geraten in Panik

Am Sonntag sind die Bewohner zur Abstimmung über die Zukunft der Krim aufgerufen.

Am Sonntag sind die Bewohner zur Abstimmung über die Zukunft der Krim aufgerufen.

(Foto: REUTERS)

Anleger geraten vor der anstehenden Abstimmung über die Zukunft ins Rotieren. Da das Ergebnis wenig überraschen sollte, sind scheinen Sanktionen unausweichlich. Hektisch verkaufen sie Aktien. Derweil werden etliche offizielle Internetseiten lahmgelegt.

Angesichts der angespannten Lage auf der ukrainischen Halbinsel Krim steigt die Nervosität der Anleger. An der Börse in Moskau stürzten die beiden wichtigsten Indizes, der Micex und der RTS, am Freitag ab. "Die Leute geraten in Panik wegen möglicher Sanktionen und internationaler Isolierung. Wer braucht diese Aktien dann?", fragte der Händler einer westlichen Bank in Moskau. "Die Anleger befürchten, dass die Situation schneller außer Kontrolle geraten könnte, als sie ihre Positionen schließen können", sagte Jonathan Sudaria von der London Capital Group.

Der russische Micex-Index und der in Dollar angegebene RTS-Index rutschten zeitweise um mehr als fünf Prozent ab und notierten auf dem niedrigsten Stand seit 2009. In diesem Monat haben dir russischen Indizes bereits rund 18 Prozent verloren.

Wenig liquide Aktien wie die des Stahlkonzerns Severstal und des Versorgers Inter RAO gerieten besonders stark unter Druck und stürzten um mehr als zehn Prozent ab. Aber auch häufig gehandelte Papiere wie die der Sberbank und des Versorgers Gazprom rutschten deutlich ins Minus. In Deutschland fiel der Dax unter die Marke von 9000 Punkten. Auch die asiatischen Märkte mussten bluten.

Rezession nicht ausgeschlossen

"Sanktionen könnten zu einem langsameren Wachstum in Russland führen, da der Zugang zu Kapital teurer und schwieriger werden und der Staat eine stärkere Rolle in der Wirtschaft spielen könnte. Zudem könnte die angespannte Sicherheitslage das weltweite Wachstum hemmen", schrieben die Analysten von Morgan Stanley in einem Kommentar. Einige Experten gehen sogar davon aus, dass Russland durch die Sanktionen in die Rezession rutschen könnte.

Am Sonntag sollen die Einwohner der Krim in einem Referendum über den künftigen Status der Halbinsel abstimmen. Die ukrainische Teilrepublik steht faktisch bereits unter russischer Kontrolle. Es wird mit einer Mehrheit für den Beitritt der Krim zur Russischen Föderation gerechnet. Die Übergangsregierung in Kiew und der Westen halten die Abstimmung aber für illegal und werfen Moskau vor, die Spaltung der Ukraine voranzutreiben. Die USA und die EU verurteilten das Vorgehen Russlands scharf und verhängten erste Sanktionen gegen Moskau, denen weitere folgen könnten. Schon in den vergangenen Tagen sorgte die Aussicht auf eine weitere Eskalation des Konflikts in der Wirtschaft für Unruhe.

Hacker greifen Notenbank-Seite an

Derweil haben Hacker vor der Zins-Sitzung die Internetseite der russischen Notenbank lahmgelegt. Das teilte die Zentralbank mit. Derzeit werde daran gearbeitet, das Problem zu lösen.

Die Notenbanker entschieden über den weiteren Leitzins für  Russland und ließen ihn diesmal unangetastet. Erst vor zwei Wochen hatten die Hüter des Rubel den Leitzins wegen der Ukraine-Krise deutlich auf 7 Prozent erhöht. Mit dem Schritt sollten "Risiken für die Inflation und die Finanzstabilität im Zusammenhang mit den zuletzt erhöhten Schwankungen an den Finanzmärkten" vorgebeugt werden.

Auch die Webseite des russischen Präsidialamtes wurde nach offiziellen Angaben Ziel eines Hacker-Angriffs. Die Seite sei vorübergehend lahmgelegt worden, funktioniere aber inzwischen wieder. Der Internetauftritt des vom Kreml finanzierten Fernsehsender Russia Today ist ebenfalls nicht erreichbar. Auf Twitter sprach der Sender von einer "machtvollen Cyberattacke" mit Verbindungen in die Ukraine.

Oppositionsseiten attackiert

In Russland waren am Donnerstag vier der wichtigsten Internetseiten der Opposition gesperrt worden - darunter der Blog des Politikers Alexej Nawalny, der seit Februar unter Hausarrest steht. Begründet wurde die Sperrung damit, dass Nawalny trotz des Verbots, das Internet zu nutzen, über Vertraute weiter seinen Blog betrieben habe.

Auch die Internetseite Kasparov.ru des früheren Schachweltmeisters und Bürgerrechtlers Garri Kasparow wurde auf die schwarze Liste gesetzt. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor wirft ihm "Aufruf zu illegalen Aktivitäten und Teilnahme an Massenkundgebungen, die die öffentliche Ordnung verletzen", vor. Aus den gleichen Gründen wurden auch die Kreml-kritischen Internetseiten EJ.ru und Grani.ru gesperrt. Die Seiten können jedoch noch außerhalb Russland erreicht werden.

Die Entscheidung von Roskomnadsor erfolgte zwei Tage nachdem die Chefredakteurin der ältesten und meistgelesenen Nachrichtenseite Russlands, Lenta.ru, wegen der Verbreitung "extremistischen Materials" entlassen worden war. Lenta.ru ist bekannt für die detaillierte Berichterstattung über Gegner von Präsident Wladimir Putin. So widmete sich das Portal ausführlich etwa Pussy Riot und Oppositionsführer Nawalni. Die gefeuerte Chefredakteurin Galina Timchenko reagierte auf Facebook auf ihre Entlassung: "Das war's jetzt endgültig. Danke, es war sehr interessant". Ihr Nachfolger kommt von einer Nachrichtenseite, die als Kreml-treu gilt.

Quelle: ntv.de, jwu/jga/AFP/rts/dpa

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