Wirtschaft

Starker Euro gefährdet Wachstum Fed-Entscheid bringt EZB in die Bredouille

Für die europäischen Volkswirtschaften steht viel auf dem Spiel. Ein starker Euro könnte die zarte Erholung abwürgen.

Für die europäischen Volkswirtschaften steht viel auf dem Spiel. Ein starker Euro könnte die zarte Erholung abwürgen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit der Tatenlosigkeit der Fed wächst der Druck auf die EZB. Die europäischen Währungshüter stecken mitten in einem massiven Anleihekaufprogramm. Gewinnt der Euro zu sehr an Stärke, muss die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern.

Die Entscheidung der Federal Reserve Bank vom Donnerstag, ihren Leitzins nahe null zu belassen, könnte die Europäische Zentralbank unter Druck setzen, ihre eigenen Konjunkturmaßnahmen zu intensivieren. Denn gewinnt der Euro zu sehr an Stärke, wäre der schwache Aufschwung in der Währungsgemeinschaft in Gefahr.

Die Fed ließ ihren Leitzins nach einer zweitägigen Sitzung am Donnerstag unverändert, da die Inflation in den USA noch weit unter dem Zielwert von zwei Prozent liegt. Die fallende Arbeitslosigkeit hatte einige Börsianer vermuten lassen, dass die Zinswende nun kommen würde.

Der Euro stieg nach der Fed-Entscheidung im New Yorker Handel um 1,3 Prozent auf 1,1437 Dollar. Hält diese Reaktion an, wird der Druck auf die EZB steigen, ihre eigene Geldpolitik weiter zu lockern. Ein starker Euro ist eine Gefahr für die exportabhängigen Staaten der Währungsgemeinschaft. Derzeit befindet sich die EZB mitten in einem massiven Anleihekaufprogramm. Seit März kauft sie pro Monat Papiere im Wert von 60 Milliarden Euro und will das noch bis mindestens September 2016 tun. Doch das könnte nicht ausreichen.

"Die EZB wird sich mit einer weiteren Stärkung des Euro konfrontiert sehen und wahrscheinlich gezwungen sein, die quantitative Lockerung zu intensivieren", sagt Carsten Brzeski, Ökonom bei der ING Bank. "Zu einem gewissen Grad könnte die Tatenlosigkeit der Fed die EZB zwingen, wieder aktiv zu werden."

"Je länger die Fed nichts tut und je größer das Risiko für das weltweite Wachstum und die Märkte ist, desto mehr steigt der Druck auf die EZB, weitere Maßnahmen zu ergreifen", sagt Ken Wattret, Ökonom bei BNP Paribas. "Wir glauben nicht, dass es bis dahin noch lange dauert."

US-Zinswende: "Für die Welt etwas Positives"

EZB-Vertreter hatten zuletzt signalisiert, dass sie höhere US-Zinsen unterstützen würden, wenn ihre Fed-Kollegen das für nötig hielten, um die Arbeitslosigkeit zu senken und die Inflation unter Kontrolle zu halten.

Wusste EZB-Chef Mario Draghi Bescheid? Hier im Gespräch mit Fed-Chefin Janet Yellen bei der Jackson- Hole-Konferenz im August.

Wusste EZB-Chef Mario Draghi Bescheid? Hier im Gespräch mit Fed-Chefin Janet Yellen bei der Jackson- Hole-Konferenz im August.

(Foto: REUTERS)

"Wenn eine Zinsanhebung durch die Fed nötig ist, um die Inflationsziele zu erreichen und die generellen geldpolitischen Aufgaben der Fed zu erfüllen, wäre das für die Welt etwas Positives", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am 3. September.

Für die europäischen Volkswirtschaften steht viel auf dem Spiel. Seit der globalen Finanzkrise 2008 gab es dort zwei Rezessionen, doch zuletzt scheint sich die Erholung zu verstärken. Das BIP-Wachstum betrug in den letzten drei Quartalen auf das Gesamtjahr umgerechnet durchschnittlich 1,7 Prozent - fast doppelt so viel wie in den vorherigen sechs Quartalen. Doch es ist weiter anfällig für Erschütterungen von innen und außen.

Der Wechselkurs ist ein wichtiger Konjunkturfaktor für die 19 Euroländer. In den jüngsten Quartalen haben sich die Verbraucherausgaben verbessert, doch die Arbeitslosigkeit von elf Prozent setzt ihnen Grenzen. Die europäischen Haushaltsregeln machen es für Frankreich, Italien und Spanien schwer, Steuern zu senken oder Ausgaben zu erhöhen, während Deutschland kein Interesse an derartigen Konjunkturmaßnahmen zeigt.

Das Wachstum in der Eurozone wurde im zweiten Quartal von der europäischen Statistikbehörde nach oben korrigiert. Starke Exporte waren dabei der wichtigste Faktor. Im vergangenen Quartal stiegen die europäischen Exporte in die USA zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent, berichtet Eurostat.

Risiken der Zinswende

Doch höhere US-Zinsen bergen ebenfalls Risiken. Sollten die Finanzmärkte in den nächsten Monaten regelmäßige Zinssteigerungen einpreisen, könnten die langfristigen Zinsen steigen, was wiederum der Kreditvergabe und den Investitionen in Europa schaden würde.

Ähnlich erging es der Eurozone schon Mitte 2013, als Börsianer ein Ende der quantitativen Lockerung durch die Fed fürchteten. Damals stiegen die Renditen von europäischen Staatsanleihen deutlich, da Investoren damit rechneten, dass die EZB bald ähnliche Maßnahmen ergreifen würde.

Stattdessen begann die EZB, den Märkten Hinweise auf ihre langfristige Strategie zu geben. Um den eigenen Kurs von dem der Fed zu unterscheiden, versprach sie, ihre Zinsen für einen längeren Zeitraum besonders niedrig zu halten.

Heute ist Europa stärker. Das monatliche Anleihekaufprogramm hat die Anleiherenditen zementiert und den Euro geschwächt. Das Programm soll noch mindestens ein Jahr dauern, und selbst danach sind höhere Zinsen noch nicht abzusehen.

Wunschzenario: Schwacher Euro - starke Wirtschaft

Das beste Szenario für die Eurozone wäre eine deutliche Schwächung des Euro in Verbindung mit einem robusten globalen Wachstum - das ideale Umfeld für Exporte. Doch das ist unwahrscheinlich, solange das chinesische Wachstum schrumpft und die niedrige US-Inflation einer Zinssteigerung durch die Fed Grenzen setzt.

"In der Eurozone nehmen einige an, dass die Amerikaner ihre Zinsen anheben und dass die europäischen Volkswirtschaften sich auf eine starke US-Wirtschaft und einen starken Dollar verlassen können", sagte Simon Tilford, stellvertretender Direktor des Centre for European Reform, vor der Fed-Entscheidung. Diese Strategie stehe jedoch auf einem schwachen Fundament, solange Schwellenmärkte langsamer wachsen und die Umkehr der geldpolitischen Strategie in den USA in kleinen Schritten stattfindet.

Europa steht also vor demselben Problem, mit dem es schon seit Jahren zu kämpfen hat: Wie kann heimisches Wachstum entstehen, wenn die Arbeitslosigkeit hoch und die Investitionen niedrig sind? "Es ist zu groß, um sich von Exporten abhängig zu machen", sagt Tilford.

Quelle: ntv.de, ddi/DJ

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