Wirtschaft

"Wir haben unseren Gott" Erdogan will Sorge um Lira zerstreuen

Die türkische Lira befindet sich im freien Fall. Anleger fürchten, Präsident Erdogan könnte noch mehr Einfluss auf die Zentralbank ausüben. Doch der beschwichtigt seine Landsleute. Es gebe keinen Grund zur Sorge, sagt er, denn "wir haben unser Volk, unseren Gott".

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bemüht sich, die Furcht vor einem weiteren Verfall der Landeswährung Lira zu zerstreuen. "Macht Euch keine Sorgen", rief Erdogan in Rize am Schwarzen Meer seinen Anhängern zu. Derzeit liefen gegen die Türkei mehrere Kampagnen, sagte er mit Blick auf den Streit mit den USA. "Beachtet sie nicht."

Die Lira hat seit Jahresbeginn mehr als ein Drittel an Wert verloren, am Morgen rutschte sie erneut auf ein Rekordtief. Der Dollar verteuerte sich zur Lira zeitweise um mehr als drei Prozent auf 5,75 Lira. "Vergesst nicht, wenn sie ihre Dollars haben, dann haben wir unser Volk, unseren Gott", sagte Erdogan. "Wir arbeiten hart. Schaut auf das, was wir vor 16 Jahren waren, und schaut heute auf uns."

Erdogans islamisch-konservative Partei AKP hatte bei der Parlamentswahl 2002 einen deutlichen Sieg errungen. Er selbst war von 2003 bis 2014 Ministerpräsident und übernahm dann das Amt des Staatspräsidenten.

Durch ein Verfassungsreferendum 2017 erhielt Erdogan eine enorme Machtfülle und nimmt zunehmend Einfluss auf die Zentralbank, was internationale Anleger schon seit Monaten beunruhigt. Hinzu kommt der Streit mit den USA über den in der Türkei festgehaltenen US-Pastor Andrew Brunson. Eine türkische Delegation, die um Entspannung bemüht war, kam diese Woche ohne greifbare Ergebnisse aus Washington zurück.

Erdogan hat sich selbst als "Gegner der Zinsen" tituliert und angekündigt, eine größere Kontrolle über die Geldpolitik ausüben zu wollen. Er will, dass die Banken billige Kredite vergeben und so das Wirtschaftswachstum weiter ankurbeln. Anleger befürchten jedoch, dass es zu einer Überhitzung kommen könnte. Der Präsident hat bereits seine Landsleute aufgerufen, ihre Dollar- und Euro-Guthaben in die heimische Währung umzutauschen.

Lira-Verfall bedroht die Banken

Der dramatische Ausverkauf der türkischen Lira nährt bei Börsianern die Furcht vor Zahlungsausfällen bei Banken. Einem Bericht der "Financial Times" zufolge schauen sich mittlerweile Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB) europäische Geldhäuser mit Verbindungen in die Türkei näher an. Die Lira taumelt seit Tagen von einem Tief zum nächsten, auch der Euro und die Aktienkurse europäischer Banken gerieten vor dem Wochenende stark unter Druck.

"Die angespannte Situation könnte durch ein beherztes Vorgehen der türkischen Notenbank abgemildert werden", kommentierte Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank die Lage. "Nötig wäre eine kräftige Zinserhöhung, die zu erkennen gäbe, dass die Währungshüter am Bosporus gewillt sind, dem Verfall der heimischen Währung nicht tatenlos zuzusehen. Doch genau hierbei mangelte es in den vergangenen Tagen und Wochen."

Quelle: ntv.de, jug/rts

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