Wirtschaft

Lira im freien Fall Erdogan steckt in der Inflationsfalle

Es geht abwärts.

Es geht abwärts.

(Foto: REUTERS)

Für die türkische Lira geht es kräftig abwärts. Das liegt auch an der eigenwilligen Inflationstheorie von Präsident Erdogan. Und so sinkt die Währung von einem Rekordtief zum nächsten.

Die türkische Wirtschaft brummt. Satte 7,4 Prozent ist sie offiziellen Angaben zufolge im vergangenen Jahr gewachsen - noch kräftiger als China und trotz der Spannungen mit Deutschland und anderen wichtigen Handelspartnern. Also alles gut für Präsident Recep Tayyip Erdogan? Mitnichten.

Das zeigt ein Blick auf die türkische Lira. Sie ist im freien Fall. Nachdem die türkische Währung vergangene Woche erstmals die symbolische Marken von 4 Lira zum Dollar und 5 Lira zum Euro erreicht hatte, geht es weiter abwärts.

Aus Furcht vor einer anziehenden Inflation und einer Zinssenkung ziehen sich immer mehr Anleger aus der Währung zurück. Dies hievte den Dollar nun den fünften Tag in Folge auf ein Rekordhoch. Er verteuerte sich auf bis zu 4,15 Lira. Der Euro war mit 5,14 Lira ebenfalls so teuer wie noch nie. Allein im März hatte die Lira bereits 8 Prozent zum Dollar und 8,5 Prozent zum Euro eingebüßt.

Und das feuert die Inflation an, denn Einfuhren werden damit teurer. Die Preissteigerung liegt in der Türkei bei mehr als zehn Prozent. Bei so hohem Wachstum und so hoher Inflation würde eine Notenbank in der Regel die Zinsen erhöhen - doch die türkischen Zentralbanker machen das nicht, obwohl die Teuerungsrate weit über der Zielmarke von 5 Prozent liegt. Der Grund hat einen Namen: Erdogan.

Denn dem zunehmend autokratisch regierenden Präsidenten ist viel daran gelegen, dass die Wirtschaft auf Hochtouren läuft - zumindest bis zum November kommenden Jahres. Dann werden in der Türkei der Staatschef und das Parlament neu gewählt und Erdogan will dann den Umbau zum Präsidialsystem vollenden. Sollte die Konjunktur vorher schlecht laufen, ist Erdogans Wahlsieg in Gefahr.

Erdogan wettert gegen "Zinslobby"

Vor diesem Hintergrund zeigt sich Erdogan als ein selbst erklärter "Feind von Zinsen". Entgegen der ökonomischen Lehre ist er davon überzeugt, dass niedrige Zinsen zu niedriger Inflation führen - und umgekehrt. "Diejenigen, die das immer noch mit einer westlichen Geisteshaltung lösen wollen, können uns nicht verstehen", sagt er. Hinter denjenigen, die für höhere Zinsen plädieren, sieht Erdogan eine ominöse "Zinslobby", die sich auf Kosten der Türkei bereichern möchte. Und so kündigt er an: "Wir sind entschlossen, uns die Zinslobby und die Zinsen vorzunehmen." Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Notenbanker lieber stillhalten.

Hinzu kommt, dass die hohe Arbeitslosigkeit in der Türkei gegen eine Zinserhöhung spricht. Die Quote liegt ebenfalls über zehn Prozent - trotz der zuletzt starken Wachstumszahlen. Und genau hier liegt ein weiteres Problem für Erdogan. Denn die kräftige Zunahme des Bruttoinlandsproduktes im vergangenen Jahr ist auch darauf zurückzuführen, dass es im Vergleichsjahr 2016 mit 2,9 Prozent für ein Schwellenland sehr schwach ausgefallen war.

"Trotz der Euphorie können wir hier nicht von einem gesunden und nachhaltigen Wachstum sprechen", sagt Ex-Notenbanker Ugur Gürses. Höhere Investitionen der Regierung und stärkere Nachfrage von Privathaushalten hätten dazu geführt, dass die Märkte die Verluste aus dem Putschjahr ausgleichen konnten. Das seien aber nur temporäre Maßnahmen. Weiterhin fehle es an langfristigen Auslandsinvestitionen.

Hohe Schulden im Ausland

Schlimmer noch: Türkische Unternehmen haben sich kräftig im Ausland verschuldet, vor allem in Dollar. Warum deshalb der Lira-Absturz ein Problem ist, zeigt ein Blick auf den Yildiz-Konzern. Zu ihm gehört mit Ülker der größte Lebensmittelhersteller in der Türkei. Der Umsatz liegt bei rund zwölf Milliarden Dollar.

Im Februar bat die Konzernführung Banken, Schulden im Volumen von mehr als sieben Milliarden Dollar umzustrukturieren - damit handelt es sich nach Angaben von "Bloomberg" um den größten Unternehmenskredit in der Geschichte der Türkei. Demnach hieß es in dem Schreiben an die Geldhäuser, dass Yildiz zwischen 10 und 30 Millionen Dollar verbrenne - am Tag. Jeden Monat müsse der Konzern damit zwischen 500 und 600 Millionen Dollar zahlen, um kurzfristige Schulden zu bedienen. Im Februar habe die Rückzahlung sogar bei mehr als einer Milliarde Dollar gelegen. Yildiz steht nicht alleine: Bloomberg zufolge stehen türkische Unternehmen im Ausland im Volumen von 326 Milliarden Dollar in der Kreide.

All das hält Erdogan nicht davon ab, weiterhin niedrigere Zinsen zu fordern, um die Konjunktur weiter anzuheizen. Derzeit liegt der Leitzins bei acht Prozent. Die Notenbank berät in zwei Wochen erneut über ihre Geldpolitik.

Quelle: ntv.de

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