Wirtschaft

Ein Loch in Schäubles Kasse? Was der Flash-Anleihe-Crash bedeutet

Der skeptische Blick von Finanzminister Schäuble ist eher ein Fall von Griechenland-Skepsis. Mit den Kursen und Renditen am Anleihemarkt hat er nichts zu tun.

Der skeptische Blick von Finanzminister Schäuble ist eher ein Fall von Griechenland-Skepsis. Mit den Kursen und Renditen am Anleihemarkt hat er nichts zu tun.

(Foto: picture alliance / dpa)

Deutsche Staatsanleihen, die sicheren "Witwen"-Papiere". Was ist aus ihnen geworden? Eben waren Anleger noch bereit, für diese Sicherheit draufzuzahlen. Dann der Blitz-Absturz. Bringt das Kassenwart Schäuble in Nöte?

Noch vor einem Monat schien es absehbar, dass Banken von ihren Sparern bald Geld verlangen würden, wenn sie Erspartes anlegen wollten. Es ist auch nicht lange her, dass Anleger damit rechneten, für Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit - der Inbegriff des sicheren Hafens für Geldgeschäfte - draufzuzahlen.

Was schlecht für den Sparer war, erfreute Finanzminister Wolfgang Schäuble. Denn der sparte dank der Mini-Zinsen etliche Milliarden für Kredite des Bundes. Innerhalb nur weniger Tage gab es nun eine 180-Grad-Kehrtwende: Dem Run auf deutsche Staatsanleihen mit Höchstständen bei den Kursen und entsprechendem Rekordtief bei Renditen nahe Null folgte die Gegenbewegung: Einer der größten Ausverkäufe in der Geschichte der Bundesanleihen.

In nur wenigen Tagen sauste der Kurs zehnjähriger Bundespapiere abwärts, umgekehrt schoss die Rendite dieses Leitbarometers für Anleihekurse in Europa in die Höhe. Aus dem "Witwen"-Papier schien in kürzester Zeit ein "Zockerpapier" von Spekulanten zu werden.

Noch am 20. April brachte eine deutsche Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit an Börsen gerade einmal eine Verzinsung von 0,07 Prozent. In der vergangenen Woche waren es zwischenzeitlich 0,8 Prozent, am 12. Mai zum Handelsstart fast 0,67 Prozent. Klingt läppisch, aber wer diese Unterschiede bei den Renditen hochrechnet, merkt schnell, dass sich bei einer Million Euro der Zinsertrag von 700 Euro auf 6700 Euro fast verzehnfacht. Das ist alles andere als läppisch.

Jörg Müller von der Deutschen Finanzagentur, die die Schulden des Bundes managt, spricht dennoch von "normaler Marktbereinigung". Klar ist, dass schon lange vor der Bekanntgabe auf ein gigantisches Anleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank spekuliert wurde. Investoren deckten sich im großen Stil ein. Nicht nur Hedgefonds, auch andere Anleger witterten schnelle Gewinne, wenn die EZB auf Einkaufstour gehen und Staatspapiere erwerben würde. Der Markt für zehnjährige Bundesanleihen schien dadurch beinahe leer gefegt. 

Nach zwei Monaten EZB-Anleihekäufen haben Investoren jedoch Erfahrungen gesammelt. Als sicher gilt, dass die EZB das Kaufprogramm bis Ende September 2016 durchziehen wird - weshalb mancher mit keinen allzu stark steigenden Renditen rechnet. Es gebe eben in einem volatilen Umfeld immer neue Marktbereinigungen in immer kürzeren Phasen, heißt es.

Kurssprünge gibt es immer

Aber was bedeutet das nun für den obersten Kassenwart Schäuble? Ihm droht durch den "Blitz-Absturz" oder "Flash Crash", wie die jüngsten beispiellosen Turbulenzen am Anleihemarkt genannt werden, wohl kein Ungemach. Das Volumen umlaufender Schulden ist mit rund 1,1 Billionen Euro sehr groß. Bei einer Restlaufzeit für alle derzeit im Markt befindlichen Anleihen von im Schnitt 6,4 Jahren dürfte es immer mal wieder Rendite- und Kurssprünge geben. Auch der Finanzexperte vom Kieler IfW, Jens Boysen-Hogrefe, erwartet kaum Auswirkungen auf die Staatskassen und spricht von Normalisierung.

Zwischen 2008 und 2014 hat der Bund dank der Niedrigzinsen nach Angaben des Finanzministeriums rund 94 Milliarden Euro an Zinsen gespart. Dies ergibt sich aus der Differenz zwischen ursprünglichen Annahmen und den tatsächlichen Zinskosten. Ein Grund sind auch die hohen Steuereinnahmen und die stabile wirtschaftliche Lage, weshalb der Bund die Kredite zurückführen konnte.

Nach Berechnungen von Boysen-Hogrefe summieren sich die Ersparnisse bis ins Jahr 2030 auf 160 Milliarden Euro. Daran würden auch die jüngsten Turbulenzen nichts ändern, denn die Zinsgewinne seien längst "eingetütet". Natürlich sind solche Zahlen hypothetisch. Für die Etatplaner beim Bund dürfte es erst dann wieder ernst werden, wenn bei den Renditen für Zehn-Jahres-Papiere eine 2 oder 3 vor dem Komma steht. Das kann dauern.

Im Bundesfinanzministerium gibt man sich deshalb entspannt. Die Renditen seien das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Der Bund verfolge eine langfristig angelegte Strategie, für 2015 ergebe sich aus der aktuellen Situation kein Änderungsbedarf, heißt es auf Anfrage in Berlin: "Für den Bund als Emittent von Bundeswertpapieren spielen kurzfristige Renditeschwankungen keine wesentliche Rolle."

Quelle: ntv.de, ddi/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen