Wirtschaft

Am Zuckerhut gibt's Saures S&P straft Brasilien ab

Eine gigantische Karikatur von Präsidentin Dilma Rousseff schwebt über der Militärparade zum Unabhängigkeitstag in Brasilien. Rousseff wird für die Rezession verantwortlich gemacht.

Eine gigantische Karikatur von Präsidentin Dilma Rousseff schwebt über der Militärparade zum Unabhängigkeitstag in Brasilien. Rousseff wird für die Rezession verantwortlich gemacht.

(Foto: dpa)

Brasilien war das Paradebeispiel für das Wirtschaftswunder der Emerging Markets. Mittlerweile gehört das lateinamerikanische Land zu den Krisenkindern. Nun gibt es von S&P ein "Junk"-Rating. Das könnte verheerende Folgen haben.

Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Brasilien den Investment Grade-Status entzogen und das Land, beziehungsweise dessen Anleihen, auf "Junk"-Status herabgesetzt – zum ersten Mal seit 2008. Nun liegt die Bonität bei BB+ und könnte eine Kapitalflucht aus Brasilien auslösen, das die schwerste Wirtschaftskrise seit 25 Jahren durchmacht.

Ibovespa
Ibovespa 125.935,00

Im zweiten Quartal schrumpfte die Wirtschaft um herbe 1,9 Prozent gegenüber dem ersten Quartal. Zudem wurden die Daten für das erste Quartal kräftig nach unten revidiert. Statt einem Minus von 0,2 Prozent steht nun ein Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,7 Prozent zu Buche. Laut der Einschätzung von Experten soll die Wirtschaft in diesem Jahr um rund drei Prozent schrumpfen.

Gleichzeitig schießt die Inflationsrate nach oben: von 6,41 Prozent für Dezember 2014 auf zuletzt 9,56 Prozent. Damit rückt die Zehn-Prozent-Marke immer näher, womit die Inflation meilenweit über der von der Notenbank angepeilten Rate von 2,5 bis 6,5 Prozent liegt. Die Notenbank hat zuletzt dennoch angedeutet, dass die Serie von Zinserhöhungen bis auf stolze 14,25 Prozent allmählich zu Ende gehen könnte. Zumal die Stimmung bei Verbrauchern und Unternehmen schlechter ist als im Jahr 2008.

Verheerendes Doppeldefizit

Die Rezession belastet den Staatshaushalt enorm. In den vergangenen zwölf Monaten bis Juli ist die Neuverschuldung auf horrende 8,8 Prozent der Wirtschaftsleistung nach oben geschossen.

Nachdem Präsidentin Dilma Rousseff in ihrer ersten Amtszeit das Geld mit vollen Händen ausgegeben hatte, versuchte sie zuletzt verzweifelt auf die Ausgabenbremse zu drücken, um zu verhindern, dass die Staatsanleihen auf Ramschniveau abgestuft werden. Nun hat S&P den Anfang gemacht. Sollte eine der anderen Ratingagenturen dem Beispiel folgen, könnten große Pensionsfonds ihre Gelder abziehen, da sie nur in Länder mit Investment Grade Status investieren. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist groß, da Standard & Poor's auch den negativen Ausblick beibehalten hat und damit weitere Herabstufungen jederzeit möglich sind.

Da Brasilien nicht nur ein riesiges Fiskaldefizit hat, sondern auch ein hohes Leistungsbilanzdefizit, ist es aber auf Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen. Das Leistungsbilanzdefizit bewegte sich zuletzt in Richtung fünf Prozent der Wirtschaftsleistung – ein bedenklich hoher Wert. Dieses Doppeldefizit spiegelt die Entwicklung des brasilianischen Real unmissverständlich wider. Er ist mit rund 3,84 Real je Dollar auf ein Zwölf-Jahres-Tief gesunken. Seit Jahresanfang hat der Real um horrende 31 Prozent gegenüber dem Dollar abgewertet. Dabei rückt das Rekordtief von 3,96 Real aus dem Jahr 2000 immer näher. Nach dem Bruch der Marke könnte eine weitere kräftige Abwertung des Real drohen.

Arbeitslosigkeit, Korruption, Unzufriedenheit

Nicht zuletzt treibt die Krise in Brasilien die Arbeitslosenquote nach oben. Nachdem sie Ende 2014 noch bei knapp fünf Prozent lag, sind es inzwischen 7,5 Prozent – Tendenz: stark steigend. Verschärft wird die Lage durch die Konjunkturflaute in China. 18 Prozent der Exporte Brasiliens gehen nach China. Der brasilianische Export ist zudem sehr rohstofflastig, machen Rohmaterialien, wie Eisenerz oder Kupfer, rund zwei Drittel der Ausfuhren Brasiliens aus. Der Verfall der Rohstoffpreise, der vor allem auf die schwache Konjunktur in China und in den Emerging Markets insgesamt zurückzuführen ist, belastet daher Brasilien enorm.

Die Abwertung des chinesischen Renminbi belastet die brasilianischen Exporteure zusätzlich, werden deren Produkte nun in China teurer, während chinesische Produkte in Brasilien billiger werden. Das schwierige Umfeld für die brasilianischen Unternehmen spiegelt sich zusehends am Aktienmarkt wider. Der Ibovespa ist zuletzt mit 44.336,5 Punkten auf das niedrigste Niveau seit Frühjahr 2009 eingebrochen, ehe er sich kurzfristig etwas erholen konnte. Das dürfte mit der Abstufung vorbei sein. Unter Druck sind besonders die Bergbaufirmen wie Vale, die ein Drittel ihres Umsatzes in China macht. Als wenn es noch einer Bestätigung bedurft hätte, sagte Paulo Sergio Kakinoff, der Chef der Fluggesellschaft Gol Linhas, das wirtschaftliche Umfeld in Brasilien sei das schlechteste, das er je gesehen habe.

Dilma Rousseff könnte das Rating-Urteil am Ende den Posten kosten: Wegen der Wirtschaftskrise und anhaltenden Korruptionsvorwürfen sind laut Umfrage ohnehin nur noch acht Prozent der Befragten mit der Amtsführung der brasilianischen Ministerpräsidentin zufrieden. Das ist der schlechteste Wert für ein gewähltes Staatsoberhaupt seit dem Ende der Militärdiktatur im Jahr 1985. Rund 70 Prozent der Befragten befürworteten, dass Rousseff ihres Amtes enthoben wird. Und das war vor der S&P-Watsche.

Quelle: ntv.de

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