Wirtschaft

Cyber-Wettlauf der Supermächte Zwischen USA und China tobt ein Kalter Krieg

Der Zollstreit zwischen Donald Trump und Xi Jinping ist zum globalen Machtkampf eskaliert.

Der Zollstreit zwischen Donald Trump und Xi Jinping ist zum globalen Machtkampf eskaliert.

(Foto: REUTERS)

Donald Trumps Handelsattacken auf China sind zum stillen Weltkrieg der Supermächte eskaliert: Washington und Peking kämpfen um nicht weniger als die globale Vorherrschaft in Wirtschaft, Technik und Militär. Und Europa gerät zunehmend zwischen die Fronten.

Als Donald Trump im April 2017 auf seinem Luxus-Anwesen Mar-a-Lago zum ersten Mal Chinas Präsident Xi Jinping begegnete, schien es noch so, als ließe sich eine Konfrontation zwischen den USA und China vermeiden. Unter Palmen in Florida verdrückten sie zusammen das "wunderschönste Stück Schokoladenkuchen". Später schwärmte Trump von der "großartigen Chemie" zwischen beiden Männern. "Mein Respekt und Freundschaft für Präsident Xi sind unbegrenzt."

Vor einem halben Jahr beerdigte US-Vizepräsident Mike Pence die Hoffnung auf Annäherung endgültig. "Mit gestohlener Technologie schmiedet die Kommunistische Partei Chinas im großen Stil Pflugscharren zu Schwertern", polterte Pence in einer vielbeachteten Rede. China wolle "nichts weniger, als die USA aus dem westlichen Pazifik verdrängen". Das Land habe sich trotz aller Hoffnung für "wirtschaftliche Aggression" entschieden. Doch Washington habe "eine neue Haltung gegenüber China entwickelt", drohte Trumps willigster Vollstrecker: "Wir werden uns nicht einschüchtern lassen. Wir werden nicht zurückweichen."

Zwischen den größten Wirtschaftsnationen der Welt herrscht Eiszeit. Zwischen Washington und Peking tobt seit fast zwei  Jahren ein Handelskrieg. Beide Seiten überziehen sich mit Zöllen und Sanktionen. Mit dem Embargo gegen Huawei macht das Weiße Haus nun eine neue Front auf. US-Firmen dürfen Chinas Telekomriesen nicht mehr beliefern. Google hat den Smartphone-Hersteller schon vom Android-Betriebssystem abgeklemmt. Der Frontalangriff auf den wichtigsten Technologiechampion aus der Volksrepublik zeigt, dass es um mehr geht als Zölle und Handelsfragen. Hinter dem Schlagabtausch steckt ein globaler Machtkampf. Trumps Handelskrieg ist nur ein Feigenblatt für seinen Plan, Chinas Aufstieg zur Weltmacht einzudämmen. Denn Peking tritt immer aggressiver auf.

Die Beziehungen zwischen den Supermächten unserer Zeit treten in eine neue Phase. Bereits seit den 90er-Jahren beäugt Washington Chinas Aufstieg argwöhnisch. Lange hofften US-Vertreter wie der Handelsbeauftragte Robert Zoellick, dass sich das Land als "verantwortungsvoller Akteur" ins westliche Staatensystem eingliedern würde. Inzwischen sind sie überzeugt, dass Peking die internationale Ordnung zum eigenen Vorteil umbauen will: Die Trump-Regierung stuft China neben Russland als "revisionistische Macht" ein.

Weil beiden Seiten im Zollstreit inzwischen die Mittel ausgehen, verlagert sich der Konflikt zunehmend auf andere Felder. Mit ihrem unnachgiebigen Verhalten eskalieren die USA und China den Streit. Europa droht dabei zerrieben zu werden. Und so unwahrscheinlich eine militärische Eskalation momentan auch scheinen mag: Ausgeschlossen ist sie nicht.

Digitales Wettrüsten zwischen Ost und West

Im Wettlauf der Systeme haben die USA Chinas internationale Konzerne als Achillesferse ausgemacht. "Wenn China und die USA einen technologischen Kalten Krieg begonnen haben, kann man die Huawei-Entscheidung am besten als die Errichtung eines digitalen eisernen Vorhangs verstehen", schreibt die "New York Times". Washington will Chinas Marktführer mit aller Macht von den Märkten des Westens abschneiden.

Beim Bau der 5G-Netze soll der chinesische Konzern keine Kontrolle über die superschnellen Nervenbahnen der Digitalwirtschaft erlangen, die künftig selbstfahrende Autos, Roboter und Maschinen im Internet der Dinge verbinden. Washington hält Huawei für ein trojanisches Pferd der chinesischen Geheimdienste: Sie könnten den Westen über Hintertüren in der Netzwerk-Technik des Konzerns ausspionieren oder die Netze im Krisenfall auf Knopfdruck lahmlegen, lautet die Befürchtung.

Der Verdacht kommt nicht von ungefähr: In der Volksrepublik gibt es keine Grenze zwischen Regierung und Privatsektor. Das Politbüro kann jederzeit auf Daten und Netzwerke von Firmen wie Huawei zugreifen: Per Gesetz sind sie verpflichtet, mit Chinas Geheimdiensten zu kooperieren. Dass sich ein Konzern wie Apple weigert, der Polizei Zugang zu seinen Handys zu verschaffen, ist schlicht unmöglich.

Dennoch wirkt der Vorwurf angesichts des digitalen Überwachungsapparats der NSA scheinheilig. Denn der US-Geheimdienst zapft selbst generalstabsmäßig die Datenbanken von Google und Co. an, saugt systematisch Daten ab, schnüffelt Handynutzer in aller Welt aus, platziert Hintertüren in Geräten und verwandelt Softwarelücken in Cyberwaffen. Genauso wie der chinesische oder russische Geheimdienst auch.

Die US-Großattacke auf Huawei dient deshalb zweifellos auch dazu, unerwünschte Konkurrenz auszuschalten. Der chinesische Konzern soll US-Firmen nicht den Rang ablaufen. Deren weltweite Dominanz ist längst nicht mehr unangefochten. China hat hinter der digitalen Schutzmauer, mit der sich das Land vor den US-Internetriesen abschottet, eine Reihe globaler Herausforderer hochgezüchtet: Baidu hat Google im Visier. WeChat nimmt Facebook aufs Korn. Und Alibaba versucht Amazon das Wasser abzugraben.

Während beide Seiten digital hochrüsten, sitzt Europa in dem globalen Ringen zunehmend zwischen den Stühlen. Schon im Frühjahr 2018 lief laut "New York Times" in Berlin eine US-Delegation auf, die darauf drängte, Huawei vom 5G-Ausbau auszuschließen. Im März drohte US-Botschafter Richard Grenell Wirtschaftsminister Altmaier unverhohlen, die Geheimdienst-Kooperation einzuschränken, sollte Deutschland Chinas Telekomriesen nicht boykottieren. Gleichzeitig appelliert Huawei an die EU, die "Schikanen" aus den USA zu ignorieren und dem Druck aus Washington nicht nachzugeben.

Australien und Neuseeland haben Huawei beim 5G-Ausbau bereits ausgesperrt. Außenminister Heiko Maas hält dagegen, Deutschland sei "niemals erpressbar". Auch Frankreichs Präsident Emanuel Macron beharrt darauf, dass Chinas Konzern nicht blockiert wird. Die EU-Länder treibt nicht nur die Sorge um den rechtzeitigen Ausbau der Zukunftsnetze. Sie wollen ihren zweitwichtigsten Handelspartner nicht verprellen.

Zwei autoritäre Herrscher auf Kollisionskurs

Denn auch Peking lässt global immer mehr die Muskeln spielen. Genau wie Trump will Chinas Präsident Xi sein Land zu neuer Stärke führen. Genau wie der US-Präsident, der verspricht, "Amerika wieder groß zu machen", verfolgt Xi seit seinem Amtsantritt den "Chinesischen Traum": "eine große Erneuerung der chinesischen Nation", durch die das Reich der Mitte globale Führungsmacht werden soll. Der Kollisionskurs, auf dem sich Washington und Peking befinden, ist also gleichermaßen Ausdruck ihrer gegensätzlichen Systeme wie der politischen Ambitionen ihrer autoritären Herrscher.

Xi regiert in China inzwischen ähnlich diktatorisch wie Mao. Seine Rivalen hat er mit einer Säuberungswelle unter dem Deckmantel der Korruptionsbekämpfung hinweggefegt. 2018 hat er sich zum Herrscher auf Lebenszeit ausrufen lassen. Mit einem gigantischen Überwachungsapparat in den sozialen Medien hat er China in einen bigotten Polizeistaat verwandelt und strebt die totale Kontrolle über die chinesische Gesellschaft an. Millionen Dissidenten und muslimische Uiguren sitzen in Internierungslagern.

Als Wirtschaftskrieger steht er dem US-Präsidenten in Nichts nach: So wie Trump den Handel als Waffe nutzt, macht auch Xi die Wirtschaft zum Schlachtfeld, um seinen Machtanspruch zu festigen. Wie schon seine Vorgänger schottet er China vor internationaler Konkurrenz ab, blockiert US-Dienste wie Google, Facebook und Twitter, zwingt ausländische Firmen zum Technik-Transfer, manipuliert die Währung, um die Exporte anzukurbeln, und subventioniert marode Staatsbetriebe. Neues Markenzeichen seiner aggressiver Außenpolitik ist aber die "Neue Seidenstraße": ein gigantisches Investitionsprogramm, mit dem China Häfen, Straßen, Eisenbahnen und Pipelines in Entwicklungsländern baut, um Exportwege für seine Industrie zu schaffen. Mit Knebel-Krediten macht die Volksrepublik dabei Länder in ihrer Machtsphäre zu gefügigen Satellitenstaaten.

Zudem nimmt Xi gezielt die Marke "Made in USA" ins Visier. Mit seiner "Made in China"-Initiative will Peking bis 2025 die globale Technikführerschaft in wichtigen Schlüsselindustrien wie Elektromobilität, Biotechnologie, Robotik und Künstlicher Intelligenz erringen. Die USA behalten sich deshalb inzwischen vor, Übernahmen aus dem Ausland im Technologiesektor aus Sicherheitsgründen zu blockieren. Auch Deutschland hat die Regeln für Firmenkäufe letztes Jahr verschärft, um Pekings strategische Einkaufstour zu bremsen.

Und Xi versucht zunehmend durch die Hintertür an westliches Knowhow zu kommen: Vor wenigen Wochen erst hat das US-Justizministerium einen angeblichen chinesischen Agenten angeklagt, der Geheimnisse von General Electric gestohlen haben soll. Der Fall ist laut US-Justizministerium "ein Lehrstück für die Strategie der chinesischen Regierung, US-Firmen ihr geistiges Eigentum zu rauben und ihre Produkte in chinesischen Fabriken nachzubauen, um sie erst auf dem chinesischen Markt und später weltweit zu ersetzen".

Militär marschiert mit Staatskapitalismus voran

Am meisten besorgt Washington jedoch, dass der Wirtschaftskrieg durch militärische Aufrüstung flankiert wird. Xi hat seinen Truppen ein gigantisches Modernisierungsprogramm befohlen. Das Millionenheer der Volksbefreiungsarmee ist dabei dramatisch geschrumpft. Dafür konzentrieren sich die Generäle in Peking nun auf die Luftwaffe, die strategischen Raketenstreitkräfte und die Marine - militärische Mittel, mit denen China seine wachsende Macht in die Welt tragen kann.

Dabei kopiert China einerseits die Großmachtstrategie der USA: Das Land hat nicht nur den Tarnkappenjäger Chengdu J-20 entwickelt und eine Militärbasis im ostafrikanischen Dschibuti eröffnet. Sein Flottenbauprogramm fordert Washingtons Vorherrschaft im Pazifik offen heraus. Inzwischen zählt die chinesische Marine mehr Schiffe als die US Navy. Zwei konventionelle Flugzeugträger hat sie bereits. Außerdem arbeitet sie mit Hochdruck an Schiffen mit Nuklearantrieb. Andererseits werkeln Pekings Generäle verdeckt an asymmetrischen Fähigkeiten, die das militärische Gleichgewicht in Asien ins Wanken bringen.

2015 stand Xi im Rosengarten des Weißen Hauses und versprach US-Präsident Barack Obama, die künstlichen Inseln, die seine Pioniere heimlich im Südchinesischen Meer aufschütten, nicht zu militarisieren. Er log ihm ins Gesicht: Trotz seinen Beteuerungen sind auf den "unsinkbaren Flugzeugträgern" inzwischen Bomber und Raketen stationiert. Zudem hat China die ballistischen Schiffskiller-Raketen DF-21D und DF-26 entwickelt, die vom sicheren chinesischen Inland aus US-Flugzeugträger noch im 4000 Kilometer entfernten Guam ausschalten können.

Den Vormarsch seines Militärs kann sich China dank seines Wirtschaftsmodells leisten: Anders als die Sowjetunion im Kalten Krieg ist die Volksrepublik heute eine wirtschaftliche Weltmacht. Peking hat aus dem Zusammenbruch des Ostblocks gelernt: Der "Sozialismus chinesischer Prägung" ist keine kommunistische Staatswirtschaft, sondern etwas viel Gefährlicheres: autoritärer Staatskapitalismus. China hat die Wertschöpfungsmaschine der Marktwirtschaft erfolgreich mit Diktatur kombiniert.

Einen heißen Krieg muss es nicht geben

Anders als der Kalte Krieg mit der Sowjetunion ist der heutige Machtwettlauf zwischen Washington und Peking daher viel stärker wirtschaftlich als militärisch geprägt. Einen heißen Konflikt zwischen beiden Ländern hat es seit dem Korea-Krieg nicht gegeben. Handel, Industrie und Wirtschaft beider Länder sind um ein Vielfaches stärker vernetzt als es USA und Sowjetunion je waren. Über sein Investment in US-Staatsanleihen ist Peking faktisch Washingtons größter Geldgeber. Auch wenn ein bewaffneter Konflikt mit den USA wegen Taiwan, dem Südchinesischen Meer oder Nordkorea nicht ausgeschlossen scheint: Seine Wirtschaft ist - jedenfalls zurzeit - für China die schärfere Waffe als das Militär.

Noch lassen sich die meisten Streitpunkte zwischen Washington und Peking auch durch Verhandlungen und Verträge lösen. Um Druck aufzubauen, versuchen beide Seiten deshalb, die Weltöffentlichkeit für sich zu gewinnen. Trump macht es Xi dabei leicht: Weil der US-Präsident auf Zollattacken setzt, kann sich Chinas Anführer beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos als Beschützer des Freihandels und der Globalisierung aufspielen - obwohl er sein Land rigoros abschottet.

Welche Seite den Wettlauf gewinnt, dürfte am Ende auch davon abhängen, welche Allianzen sie schmieden kann. China und die USA brauchen in ihrem Wettlauf Bündnispartner. Die Obama-Regierung hatte das begriffen: Mit der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP) wollte sie Chinas Nachbarn auf ihre Seite ziehen und das Land in Asien isolieren. Trump hat die Handelsofferte als eine seiner ersten Amtshandlungen eingestampft - mit der üblichen Begründung, bei dem Deal würden sich die USA von ihren Verbündeten "abzocken" lassen. Und auch Europa stößt der US-Präsident mit Strafzöllen auf Stahl und Aluminium und der Drohung von Autozöllen von sich weg.

All das könnte sich im neuen Kalten Krieg zwischen den USA und China als großer strategischer Fehler erweisen. Bisher sieht Nichts nach einem Strategieschwenk in Washington aus. Im Gegenteil: "Amerika reicht China seine Hand; wir hoffen, dass Peking bald seine Hand zurückstrecken wird - mit Taten, nicht Worten", schloss Vizepräsident Pence im Oktober seine Rede. "Aber wir werden nicht nachgeben, bis unsere Beziehung zu China auf Fairness, Gegenseitigkeit und Respekt für Souveränität basiert."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen