Wirtschaft

Nächster Ausfallkandidat? Venezuela - Sozialismus bis in die Krise

Ein Kunde lässt seinen Fingerabdruck an der Kasse eines staatlichen Supermarktes einscannen. Grund für die Maßnahme sind befürchtete Hamsterkäufe durch verzweifelte Venezuelaner.

Ein Kunde lässt seinen Fingerabdruck an der Kasse eines staatlichen Supermarktes einscannen. Grund für die Maßnahme sind befürchtete Hamsterkäufe durch verzweifelte Venezuelaner.

(Foto: REUTERS)

Nach dem erneuten Zahlungsausfall Argentiniens blicken Investoren besorgt auf Venezuela. Das Land befindet sich in einer schweren Krise, selbst Toilettenpapier wird zum Luxus, Stromausfälle gehören zum Alltag.

Die Lebensbedingungen für die Venezulaner werden von Tag zu Tag schlechter: Weil Präsident Nicolas Maduro versucht, über Kapitalverkehrskontrollen den Abfluss von ausländischem Kapital zu begrenzen, werden Güter des täglichen Bedarfs, wie Lebensmittel, Toilettenpapier und Hygieneartikel zunehmend knapp. Die heimische Währung, der Bolivar, wertet daher immer weiter ab und notierte zuletzt auf dem Schwarzmarkt bei 100 Bolivar je Dollar – ein neues Allzeittief. Vor zwölf Monaten lag der Kurs bei "nur" 41 Bolivar je Dollar.

Hausgemachte Krise

Für die Misere sind Maduro und sein Vorgänger Hugo Chavez verantwortlich. Sie haben wichtige Branchen wie den Energiesektor verstaatlicht, aber nicht viel investiert. Die Folge: Eine Serie von Stromausfällen, denn für den Ausbau von Kraftwerksanlagen und die Wartung der Netze ist viel zu wenig unternommen worden. Ein Paradoxon, gehört Venezuela doch zu den weltweit größten Besitzern von Erdöl. Die Exportzuflüsse aus dem Geschäft spülen dem Land jährlich mehr als 80 Milliarden Dollar in die Kassen. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft reichen jedoch bei weitem nicht, um alle Staatsausgaben zu bezahlen. Daher würde ein weiterer Rückgang des Ölpreises würde das Land erheblich belasten. In den vergangenen Jahren lag das Haushaltsdefizit jeweils bei mehr als zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Und eine Besserung ist laut Experten nicht in Sicht.

Anleihen unter Druck

Die Folgen von Maduros Politik zeigen sich bei den galoppierenden Verbraucherpreisen. "Die Inflation ist im August auf fast 64 Prozent angestiegen – Tendenz steigend", schreibt Mauro Toldo, Analyst bei der DekaBank. Die Krise des Landes spiegeln neben der Währung und der Inflation auch die Anleihen eindrucksvoll wider. Die im Jahr 2027 auslaufenden Papiere notierten zuletzt bei nur mehr 74 Prozent. Die Verzinsung liegt damit bei 14 Prozent.

Die Konjunktur kommt wegen Maduros Politik ebenfalls nicht in Schwung. Laut der Schätzung von Experten soll die Wirtschaft im ersten Halbjahr vielmehr um vier Prozent geschrumpft sein, weil die Unternehmen immer weniger Güter importieren.

Gefahr eines Zahlungsausfalls

Für zusätzliche Verunsicherung bei Investoren sorgen zuletzt die Aussagen von Ricardo Hausmann. Der venezulanische Ökonom ist Professor für Entwicklungsökonomie an der Universität in Harvard und war zuvor Planungsminister in Venezuela. "Hausmann hinterfragte die Sinnhaftigkeit von Zahlungen an internationale Investoren, wenn die Regierung gleichzeitig die Verpflichtungen gegenüber der venezolanischen Bevölkerung nicht erfüllt", schrieb DekaBank-Experte Toldo.

Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat zuletzt das Rating für das Land zuletzt auf CCC+ und damit weit in den Ramschbereich hinein gesenkt. Das Rating impliziert "eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent, dass es innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einem Zahlungsausfall kommt", so S&P. Als Gründe für die Herabstufung führte die Agentur die Verschlechterung der Wirtschaft, die hohe Inflation und den Rückgang der Liquidität an. In den vergangenen Jahren waren die Währungsreserven immer weiter gesunken auf zuletzt nur mehr rund 21 Milliarden Dollar. Lediglich 2,5 Milliarden davon würden laut S&P in liquiden Mitteln gehalten. Dabei werden im Oktober Anleihen im Volumen von 4,5 Milliarden Dollar fällig.

Maduro sucht händeringend nach Geld

Maduros sprunghafte Politik verunsichert die Investoren zusätzlich. Zuerst hatte die Regierung den Verkauf von Citgo, einer US-Tochter des staatlichen Ölmultis Petroleos de Venezuela SA (PDVSA), und einer Raffinerie im US-Bundesstaat Louisiana ins Gespräch gebracht. "Dies sorgte für neue Unsicherheit unter den Auslandsgläubigern, weil mit dem Verkauf pfändbare Auslandsaktiva Venezuelas verloren gingen", so Toldo. Daraufhin hat Maduro eine Kehrtwende eingelegt und erklärt, die Investitionen in Citgo sollten verstärkt werden.

Die angespannte Situation Venezuelas führt zu skurrilen Versuchen, das Vertrauen der Investoren zu behalten. So hat das Land zuletzt einem Volkswirt der Bank of America Zutritt zu seinem Goldspeicher gewährt, damit sich der Experte davon überzeugen konnte, dass das Edelmetall tatsächlich vorhanden ist. Laut seinen Berechnungen war das Gold in Höhe von 13 Milliarden Dollar tatsächlich dort. Nach seiner Aussage befindet sich Gold im Wert von weiteren zwei Milliarden Dollar bei der englischen Notenbank. Das Edelmetall macht damit rund 70 Prozent der Währungsreserven Venezuelas aus. Ob diese Maßnahmen ausreichen, um das Vertrauen der Anleger zu stärken, bleibt abzuwarten.

Quelle: ntv.de

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