Wirtschaft

Grünes Geld oder nur PR? Nachhaltigkeit ist eine große Wundertüte

So einfach ist es manchmal nicht: Wo Bio oder Okö drauf steht, ist leider nicht immer nur Bio oder Öko drin - das gilt auch bei Nachhaltigkeitsfonds.

So einfach ist es manchmal nicht: Wo Bio oder Okö drauf steht, ist leider nicht immer nur Bio oder Öko drin - das gilt auch bei Nachhaltigkeitsfonds.

(Foto: picture alliance / dpa)

Gutes tun und dabei Geld verdienen - wer möchte das nicht? Die Anhäufung von Krisen lässt viele Anleger fragen, ob herkömmliches Investieren noch der richtige Weg ist. Eine gute Antwort darauf scheint nachhaltiges Investieren zu sein. Aber auch hier ist Vorsicht geboten.

Das Angebot an Publikumsfonds mit einem Nachhaltigkeitssiegel ist groß. Nach Angaben des Sustainable Business Institute (SBI) waren Ende März insgesamt 385 nachhaltige Publikumsfonds in Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Vertrieb zugelassen. Dort sind insgesamt 40 Milliarden Euro investiert. Anleger, die ein gutes Gewissen haben wollen, haben also eine große Auswahl unter den nachhaltig arbeitenden Fonds. Ob diese Fonds aber tatsächlich ihren moralischen Erwartungen entsprechen, ist dann aber trotzdem fraglich. Warum? Der Begriff Nachhaltigkeit ist schwammig und lässt viel Spielraum für Grauzonen. Sogar Atomenergie kann nachhaltig sein. Das Argument ist der niedrige CO2-Ausstoß. Auch ein Ölkonzern, der irgendwo ein Urlaubsparadies mit einem Ölteppich verschandelt, kann immer noch als nachhaltig durchgehen. Vielleicht bietet er ja tolle soziale Leistungen und einen vorbildlichen Betriebskindergarten an? Vielleicht ist er aber einfach der nachhaltigste unter allen Ölkonzernen.

Was ist Nachhaltigkeit?

Der Nachhaltigkeitsbegriff lässt viele Widersprüche per Definition zu und öffnet Tür und Tor für das allseits beliebte Greenwashing. Unter Nachhaltigkeit fallen nicht nur Umweltbewusstsein, sondern auch gute Unternehmensführung und soziale Verantwortlichkeit. Das heißt: Für Charity-Aktionen, ein Förderprogramm für weibliche Nachwuchskräfte oder vorbildliches Recycling gibt es Nachhaltigkeitspunkte. Fonds, die sich zum Beispiel den unkritischsten Punkt "gute Unternehmensführung" bei der Aktienauswahl übergestülpt haben, erhalten mitunter schon ein Nachhaltigkeitssiegel. "Immer mehr private und institutionelle Investoren entscheiden sich für nachhaltige Geldanlagen. Das Volumen von Investments, bei denen neben finanziellen Kennzahlen auch ökologische, soziale und Governance-Kriterien in den Anlageprozess einfließen, hat in Deutschland, Österreich und der Schweiz binnen eines Jahres um zwölf Prozent zugelegt", teilt die auf Nachhaltigkeitskriterien spezialisierte Ratingagentur Oekom-Research mit.

Nicht nur bestimmte Publikumsfonds legen nachhaltig an. "Vor allem institutionelle Investoren legen bei ihrer Vermögensverwaltung Wert auf nachhaltige Anlagekriterien", hebt die Geschäftsführerin des Forums für nachhaltige Geldanlagen Claudia Tober hervor. "In der Schweiz und Österreich investieren betriebliche Pensionsfonds besonders häufig in nachhaltige Anlagelösungen, während in Deutschland der größte Anteil auf kirchliche Institutionen und Wohlfahrtsorganisationen entfällt", erklärt Tober. "Aber auch die privaten Anleger sind mit Marktanteilen von 41 Prozent in der Schweiz sowie 25 Prozent in Deutschland und immerhin 14 Prozent in Österreich von Bedeutung." Laut dem Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2014, den das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) Anfang Mai veröffentlicht hat, umfasst der Markt in der Schweiz, Österreich und Deutschland mittlerweile insgesamt 134,5 Milliarden Euro.

Verschiedene Ansätze

Doch wie dauerhaft ist das nachhaltige Investieren eigentlich? Wie so oft bei der Geldanlage kommt es auf den Ansatz an. Es gibt den sogenannten Best-in-Class-Ansatz. Dabei wird aus einem Sektor oder einer Branche der Klassenbeste ermittelt, also das Unternehmen, das das nachhaltigste seiner Gruppe ist. Böse könnte man auch sagen: "Unter den Blinden ist der Einäugige König." Dann gibt es noch den Best-of-Class-Ansatz, also das beste Unternehmen aller Klassen. Weil beide Ansätze ihre Schwächen haben, definieren viele Fonds, nachhaltige Indizes und institutionelle Investoren Ausschlusskriterien. Klassiker sind Glücksspiel, Tierversuche, Kinderarbeit, Pornographie und Waffenhersteller.

Wer nachhaltig investieren will, sollte nachfragen, nach welchem Ansatz die Aktien ins Töpfchen kommen und welche Ausschlusskriterien, also absolute No-Goes, bestehen. Einer der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Fondsanbieter ist Ökovision. Der Flaggschifffonds, der Ökoworld Ökovision Classic, ist dieses Jahr 18 Jahre alt geworden. "Militär, Waffen, Erdöl, Chlorchemie, Atomkraft oder ausbeuterische Kinderarbeit schließen wir für die Investitionen unserer Kunden aus", teilt das Unternehmen mit. Ins Depot dürfen Branchen wie Gesundheit, nachhaltiger Transport, Energieeffizienz, Bildung, nachhaltiger Konsum und Wasserversorgung.

Nicht immer ist drin, was draufsteht

Wie giftig ist Photovoltaik?

Wie giftig ist Photovoltaik?

(Foto: picture alliance / dpa)

Doch auch bei vermeintlich nachhaltigen Themen darf und soll ein Anleger kritisch hinterfragen. Ein gutes Beispiel ist die Solarindustrie. Die Technik, die es ermöglicht, aus der Kraft der Sonne Energie zu erzeugen, ist zweifellos umweltschonend. Die Produktion der Solarzellen aber nicht zwangsläufig. Vor vier Jahren hat Murphy &Spitz Umweltfonds die Photovoltaik-Branche in einer sehr breit angelegten Studie unter die Lupe genommen. Die Spanne reichte von gut bis schlecht. Denn bei einigen Produktionsschritten werden hochgiftige, ätzende Substanzen gebraucht. "Um die Nachhaltigkeit eines Produkts und eines Unternehmens beurteilen zu können, muss der ganze Lebenszyklus des Produkts von der Wiege bis zur Bahre betrachtet werden", wird in der Studie betont. Dazu gehören auch die Lieferanten. Vor sechs Jahren war der Siliziumhersteller Louyang Zhonggug, der Solarzellenhersteller belieferte, in einen handfesten Umweltskandal verwickelt und hat laut Medienberichten hochgiftige Substanzen in der Nähe einer Grundschule entsorgt.

Bäume und Waldfonds scheinen da ein eindeutig umweltfreundliches Thema zu sein. Es gibt einige Anbieter von geschlossenen Fonds, die mit Aufforstung Rendite erwirtschaften wollen. Ein paar Bäume pflanzen, was soll das schon passieren? Naja, wenn man es nicht richtig macht, wächst das Grünzeug nicht richtig oder man schädigt einen intakten Wald oder das Öko-System. Hier sollte man mal nachfragen, wie es mit der Expertise des Fondsmanagers aussieht. Das auf nachhaltige Themen spezialisierte Fondshaus Pictet bietet einen Waldfonds an, den Pictet Timber. Einer der Fondsmanager, Christoph Butz, ist studierter Förster.

Nachhaltiges Investieren macht Arbeit. Anleger müssen erst einmal für sich festlegen, was für sie Nachhaltigkeit bedeutet und was sie haben und nicht haben wollen. Dies sollte genau hinterfragt werden. Dass Anleger sich mit Blauäugigkeit schon eine blutige Nase geholt haben, hat die Noa Bank vor vier Jahren gezeigt. Sie lockte mit hohen Zinsen aus Investitionen mit nachhaltigen Projekten. Das Ganze hatte sich als Schwindel herausgestellt und die BaFin schloss bereits ein Jahr nach der Gründung die Bank. Gutes tun und dabei noch Geld verdienen ist daher mehr als nur ein Nachhaltigkeitssiegel oder -versprechen.

Quelle: ntv.de

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