Wirtschaft

Rauf mit den Börsenkursen, marsch! China interveniert massiv

Die Kursmanipulationen schaden den chinesischen Aktienmärkten.

Die Kursmanipulationen schaden den chinesischen Aktienmärkten.

(Foto: AP)

Pekings Eingriffe in die Kursentwicklung an den Börsen bedeuten ein Desaster für die Glaubwürdigkeit des Standorts. Die Regierung scheint bereit zu sein, jeden Preis für steigende Kurse zu zahlen.

In China gilt: Marktwirtschaft ja, aber nur solange es genehm ist. Wenn der Markt dann tatsächlich seine volle Kraft entfaltet, schieben die Genossen lieber einen Riegel vor. Genau das geschieht gerade an den Börsenplätzen der Volksrepublik. Die Kurse befanden sich wochenlang im freien Fall. Weil Peking die Wertvernichtung zurzeit aber überhaupt nicht gebrauchen kann, greift es umfangreich in die Kursentwicklung ein. Hier geht es wohlgemerkt nicht um ein paar Stellschräubchen, um gute Laune unter Investoren zu schaffen. Nein. Hier geht es darum, dass die Regierung Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um die Kurse positiv zu manipulieren.

Shanghai Composite
Shanghai Composite 3.010,66

Zuletzt trat am Wochenende ein Krisenstab mit hochrangigen Vertretern des Kabinetts und der Zentralbank zusammen und überzeugte die Finanzindustrie davon, dass es besser sei, wenn sie selbst ein paar ihrer Milliarden an der Börse investierten. Für den guten Zweck sozusagen. Risiko hin oder her. Der Stabilitätspakt Marke Peking war aber nur der Gipfel einer Reihe außergewöhnlicher Maßnahmen zur Rettung des Aktienmarkts. Aber es war wohl die ungewöhnlichste. Die Regierung hat deutlich gemacht, dass sie alle und jeden in die Pflicht nimmt, für ihre ureigenen Interessen zu handeln. Wer mit am Tisch saß an diesem Samstag, der hatte wohl kein andere Wahl als sich den Vorstellungen der Autokraten zu beugen.

Das alles ist ein Desaster in mehrfacher Hinsicht. Das Land spricht seit Jahren davon, wie wichtig es sei, mehr Liberalisierung und mehr Marktwirtschaft zuzulassen. Deswegen leitete die Regierung auch schrittweise entsprechende Maßnahmen ein. Doch dann macht sie kehrt und rennt im Sprint in die entgegengesetzte Richtung. Das Signal an ausländische Investoren ist fatal. Niemand von denen kann sich darauf verlassen, dass der Staat sich an anderen Fronten heraushält. Zum Beispiel wenn seine eigenen Unternehmen unter Druck geraten. Internationale Mitbewerber müssen stets auf der Hut sein, weil ihnen von den Behörden möglicherweise Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Zwar beteuern die Genossen, dass dem nichts so ist. Aber sie werfen gerade große Mengen ihrer Glaubwürdigkeit wie Ballast aus einem Heißluftballon.

Das war viele Jahre lang relativ egal, weil sowieso alle genug Geld verdienten. Die ausländischen Firmen fühlten sich trotz der Regulierungswut der Politik am richtigen Fleck, um gute Umsätze zu erzielen. Doch die Bedingungen haben sich geändert. Die Wirtschaft lahmt, die Löhne steigen. China wird künftig deutlich stärker um Investitionen buhlen müssen als jemals zuvor seit Beginn der Öffnungspolitik Ende der 1970er Jahre. Die Konkurrenz in Südostasien wird immer größer. Da tut sich Peking keinen Gefallen mit drastischen Eingriffen in die Automatismen des freien Wettbewerbs. Die Industrie zieht solche systemischen Rahmenbedingungen bei Investitionsentscheidungen immer intensiver in Erwägung.

Naive Anleger scheitern an der Börse

Zum Vertrauensverlust in die marktwirtschaftliche Entwicklung des Standorts China gesellt sich ein zweites Problem. Viele Kleinanleger haben Geld verloren. Es wird bereits von Selbstmorden verzweifelter Bankrotteure gemunkelt. Berichtet wird darüber in chinesischen Zeitungen aber nicht. Millionen Laien und Anfänger wurden an die Börse gelockt, aber nur halbherzig davor gewarnt, dass chinesische Aktien hochspekulative Finanzprodukte sind. Die Regierung nutzte die naive Zockermentalität vieler Landsleute eiskalt aus, weil ihr Erspartes an der Börse gebraucht wurde. Jetzt stehen viele mit leeren Händen und Wut im Bauch da. Die soziale Sprengkraft nimmt mit jedem Crash zu. Da hilft es nichts, dass jetzt ausländische Investoren als Auslöser der Krise von der Aufsichtsbehörde vermutet werden. Sie hätten auf fallende Kurse gewettet und damit erheblichen Anteil am Abwärtstrend. Selbst wenn es so wäre, sind das eben genau jene marktwirtschaftlichen Mechanismen, die einsetzen, wenn eine Börse zu einer großen Blase aufgepustet wird. Und dafür ist Peking ganz alleine verantwortlich.

Doch anstatt eines Endes mit Schrecken bastelt Peking jetzt an einem Schrecken ohne Ende, wenn die Kurse erneut künstlich aufbläht werden. Neue Kleinanleger werden in die Falle tappen, zumal Studie ergeben haben, dass immer mehr Erstkäufer mit sinkendem Bildungsniveau mit Aktien spekulieren. Die Ahnungslosigkeit unterer Bevölkerungsschichten soll Peking dabei helfen, die Konsolidierung der Börsen voranzutreiben. Soziale verantwortlich ist das nicht. Aber es ist eben Ausdruck für den enormen Druck, den die Regierung verspürt. Sie scheint fast jeden Preis zahlen zu wollen, um das Drama an den Börsen zu beenden. Panikverkäufe mögen zu den Kursverlusten verloren haben. Aber die Zentrale in Peking reagiert mindestens genauso panisch.

Quelle: ntv.de

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