Wirtschaft

Was rät Raimund Brichta Anlegern? Anschnallen und auf Sicht fahren!

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(Foto: imago/ZUMA Press)

Nach der Krise ist vor der Krise, stellt Raimund Brichta fest. Die Börsen könnten noch bis in den Frühling wackelig bleiben, Tiefststände werden womöglich wieder getestet. Doch trotz der drohenden Turbulenzen bleibt der Telebörse-Moderator entspannt.

Wann kommt die nächste Krise? Diese Eingangsfrage für meinen Ausblick auf 2016 hatte ich bereits beim Schreiben des Jahresrückblicks festgelegt. Die erste Börsenwoche des Jahres gibt dieser Entscheidung jetzt eine zusätzliche Brisanz.

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Vorweg: Der letzte große Aktieneinbruch startete vor exakt acht Jahren. Damit öffnet sich nach meiner Einschätzung nun langsam wieder das Zeitfenster für den nächsten. Warum? Weil in unserem Finanzsystem Krisen zwangsläufig immer wiederkehren. Nach der Krise ist also auch stets vor der Krise.

Mit Details dazu möchte ich Sie nicht langweilen, zumal sich die Hintergründe hier ohnehin nicht in der gebotenen Gründlichkeit darstellen lassen. Wer mehr wissen will, sollte einfach noch mal einen Blick in mein Buch werfen. (Dies ist ausdrücklich keine Aufforderung zum Buchkauf! Vermutlich gibt es das Werk inzwischen auch in jeder guten Bibliothek zur Ausleihe.)

Im Prinzip reicht aber schon gesunder Menschenverstand aus, um das zu erkennen. Schauen wir nur auf die letzten 20 Jahre: Asienkrise 1997, Russland- und LTCM-Krise 1998, Platzen der Hightech-Blase 2000, große Finanzkrise 2008 – alles Krisen, die ihren Ausgang an den Finanzmärkten nahmen und die zu Rückschlägen an den westlichen Aktienbörsen führten. Manche nur kurzfristig wie 1997 und 1998, manche nachhaltiger wie 2000 und 2008. (Die Eurokrise habe ich bewusst weggelassen, weil sie an den wichtigsten Aktienbörsen keinen Kursrutsch zur Folge hatte.)

Glaubt tatsächlich jemand, dass diese Krisenabfolge nun abrupt zu Ende wäre? Warum sollte sie? Das Finanzsystem ist schließlich dasselbe geblieben.

Und mit acht Jahren Abstand zum Start des letzten großen Abschwungs wird nun langsam die Zeit reifer für den nächsten. Mehr nicht. Ich persönlich rechne zwar erst in zwei bis drei Jahren damit. Trotzdem kann es nicht schaden, von jetzt an wachsamer zu werden. Schließlich beginnt ein großer Abschwung oft genauso wie ein kleiner.

Noch Korrektur oder schon Bärenmarkt?

Moderiert bei n-tv die Telebörse: Raimund Brichta

Moderiert bei n-tv die Telebörse: Raimund Brichta

Was bedeutet das für die aktuelle Lage? Wie im Jahresrückblick beschrieben, habe ich bereits im Dezember Schwächesignale an den Börsen ausfindig gemacht, die für diese Jahreszeit ungewöhnlich waren. Damit rückt ein Ende der übergeordneten Korrekturphase, die schon seit April dauert, wieder in weitere Ferne. Für eine normale Korrektur ist das schon verdammt lang. Und je länger sie dauert, desto größer wird die Gefahr, dass wir uns in Wahrheit schon in einem verdammten Bärenmarkt befinden, also in einem länger dauernden Kursabschwung.

Der Januar sollte so etwas wie ein Hoffnungsmonat sein. Wenn er positiv verläuft, ist das oft ein gutes Zeichen für das gesamte erste Vierteljahr. Leider aber auch umgekehrt: Läuft der Januar schlecht, sind auch die Aussichten fürs Frühjahr trübe.

Umso stärker war für mich das Warnsignal, das bereits der erste Handelstag des Jahres lieferte. In dem Musterdepot, das ich maßgeblich mit betreue, haben wir deshalb gleich zur Börseneröffnung des 4. Januar unsere Gewinne gesichert, um entspannt abzuwarten, bis sich die Lage beruhigt.

Ein Dartpfeil für 2016?

Als jemand, der stets bemüht ist, Sie zuverlässig durchs Börsengeschehen zu navigieren, habe ich mich nie gescheut, konkrete Dax-Ziele für das jeweils neue Jahr zu nennen – angefangen vom Ziel 5000 für das Jahr 2005 bis zum Ziel 12.000 fürs vergangene Jahr.

Diesmal aber ist eine konkrete Marke noch nicht absehbar. Auch das zeigt, wie außergewöhnlich die Situation ist. Natürlich könnte ich einen Dartpfeil werfen oder mir es so einfach machen wie viele Bankanalysten, die in der Regel im Durchschnitt ein Jahresplus von etwa 10 prognostizieren – und das in jedem Jahr.

Aber Sie sind von mir Fundierteres gewohnt. Und deshalb werden wir in diesem Jahr mehr auf Sicht fahren müssen – so wie man das im Auto macht, wenn's neblig ist.

Konzentrieren wir uns also zunächst ganz nüchtern aufs erste Vierteljahr: Nach einem solchen Jahresstart halte ich es für wahrscheinlich, dass die Börsen bis in den März hinein wackelig bleiben. Die Tiefststände von August und Ende September könnten noch einmal getestet oder sogar unterboten werden. Mit der ersten Börsenwoche ist sogar die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass Letzteres passiert.

Von da aus dürfte zwar eine neue Erholung starten, deren Substanz und Nachhaltigkeit wäre aber zu gegebener Zeit erst zu prüfen. Soll heißen, es könnte sich dann erneut nur um eine Zwischenerholung handeln.

Nochmal: Es ist genauso verfrüht, jetzt schon den Beginn einer neuen Krise auszurufen wie diesen kategorisch auszuschließen. Das macht die Lage so schwierig. Sollte sich im Frühjahr ein Tiefpunkt ausbilden, der länger Bestand hat, könnte es danach auch wieder nachhaltiger nach oben gehen – sogar zu neuen Höhen.

Letzteres fände ich ideal, weil der Dax nach meinem Dafürhalten erst noch einmal deutlich steigen sollte, bevor es – in einigen Jahren - zum nächsten wirklich großen Knall kommt, der ohnehin nicht vermeidbar ist (siehe oben). Aber die Börse ist kein Wunschkonzert, und deshalb lege ich von nun an immer dann den Sicherheitsgurt an, wenn es turbulent wird – und warte danach in Ruhe ab, bis die Anschnallzeichen erloschen sind,

schreibt Ihr entspannter

Raimund Brichta

P. S. Mehr zur aktuellen Lage erfahren Sie morgen in Teil zwei meines Jahresausblicks. Kommentare und Anmerkungen zu Teil eins können Sie in der Zwischenzeit hier loswerden.

Quelle: ntv.de

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