Wirtschaft

Fragen und Antworten Warum Irland Hilfe erhält

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(Foto: REUTERS)

Irland muss als erster Staat der Eurozone den Rettungsfonds der Mitgliedsstaaten anzapfen, um einen Staatsbankrott abzuwenden. Wie konnte es dazu kommen? Was tut Irland selbst zur Sanierung seiner Finanzen? Wie teuer wird die Hilfe werden? Antworten auf die brennendsten Fragen.

Warum braucht Irland Finanzhilfen?

Irland wurde früher und stärker als andere Euro-Staaten von der Finanzkrise getroffen. Es war das erste Land der EU, das im Zuge der weltwirtschaftlichen Abkühlung schon in der ersten Jahreshälfte 2008 in die Rezession schlitterte. 2009 schrumpfte die irische Wirtschaft um massive 7,6 Prozent.

Das größte Problem Irlands ist dabei die geplatzte Spekulationsblase am Immobilienmarkt, die auch eine Folge des rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs des Landes ist. Bis zu seinem Beitritt zur Europäischen Union 1974 galt Irland als das Armenhaus Europas. Mit finanzieller Unterstützung der EU und massiven Strukturreformen mauserte sich Irland jedoch Schritt für Schritt zum "keltischen Tiger", der mit niedrigen Unternehmenssteuern Finanzhäuser und Hightech-Firmen aus der ganzen Welt anlockte. Der irischen Konjunktur gab dieses Programm einen sagenhaften Schub und sorgte für 25 Jahre anhaltend kräftigen Wachstums.

Mit dem Boom ging jedoch auch eine scheinbar nicht enden wollende Preisrally am Immobilienmarkt einher. Zum Höhepunkt des Booms im Jahr 2007 trug die irische Bauwirtschaft sage und schreibe jeden vierten Euro zur Wirtschaftsleistung des Landes bei. Kurze Zeit später platzte jedoch die Blase und flog den Iren sprichwörtlich um die Ohren. Tausende von ihnen sind überschuldet, weil sie Hypotheken auf Immobilien aufgenommen haben, die sie nicht mehr bedienen können und die auch nicht mehr vom tatsächlichen Wert des Hauses gedeckt sind.

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(Foto: AP)

Die größte akute Gefahr für eine drohende Pleite Irlands geht im Zusammenhang mit den Immobilienpreisen von den irischen Banken aus. Mit den Immobilienbesitzern gerieten nach dem Platzen der Preisblase auch die Finanzhäuser des Landes in arge Bedrängnis. Sie hatten allzu willfährig Immobilienkredite vergeben, die sich nun als substanzlos erweisen. Allein die Anglo Irish Bank, einer der Platzhirsche des Landes, musste mit staatlichen Finanzspritzen und Umstrukturierungskosten von bislang knapp 30 Mrd. Euro vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Insgesamt summieren sich die Hilfen auf rund 45 Mrd. Euro. Sollte sich die Lage am Immobilienmarkt nochmals verschlechtern, drohen Dublin weitere Bitten um Finanzhilfe - aus einer Staatskasse, die leerer kaum sein könnte. Das Schicksal Irlands hängt daher ganz elementar an der Verfassung seiner Banken.

Wieviel Geld soll Irland erhalten?

Offizielle Zahlen gibt es noch nicht, aber die Rede ist von rund 90 Mrd. Euro aus dem Topf von EU-Staaten und IWF. Auch wenn das Rettungspaket eigentlich eine Institution der Euro-Staaten ist, will sich auch Großbritannien als größter Gläubiger Irlands mit 8 Mrd. Euro daran beteiligen.

Ob Irland diese Summe jedoch tatsächlich vollständig abrufen wird, steht noch in den Sternen. Denkbar wäre, dass Irland wie bei einem Kreditrahmen auch über einen geringeren Betrag verfügen kann, sofern das Land nicht mehr Kapital benötigt.

Hieß es nicht ursprünglich, Irland habe genug Geld?

Eigentlich haben die Iren unter normalen Umständen keinen akuten Kapitalbedarf, weil die Regierung nach eigenen Angaben fällige Schulden bis Mitte 2011 neu finanziert hat. Nach Berechnungen der Investmentbank Morgan Stanley verfügt Irland über ein Liquiditätspolster von 20 Mrd. Euro. Wenn keine unerwarteten Belastungen durch plötzlich auftauchende Haushaltslöcher oder Bankenrettungen auftauchen, gibt das vorerst Luft.

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(Foto: dpa)

Genau hier liegt jedoch das Problem, denn von normalen Umständen kann dieser Tage nicht die Rede sein. Offenbaren sich bei Irlands Banken kurzfristig neue Milliardenlöcher, muss der Staat schnell und mit großen Summen einspringen können, um einen Zusammenbruch der Finanzinstitute zu verhindern. Die hohen Zinsen am irischen Anleihenmarkt dürfen dabei wohl getrost als Warnung verstanden werden. Schon allzu oft hat sich an der Börse bewahrheitet, dass bei Rauch auch das Feuer nicht weit ist.

Wie läuft eine Rettung ab?

Nachdem Irland offiziell um Finanzhilfen gebeten hat und dafür bereits grünes Licht erhalten hat, geht es nun um die Details. Ein Euro-Land kann Hilfen aus drei Töpfen erhalten: Der Notkreditrahmen der EU stellt bis zu 60 Mrd. Euro bereit, der Euro-Schutzschirm (Europäischer Finanzstabilisierungsfazilität) kann über 440 Mrd. Euro verfügen, zudem stellt der IWF bis zu 250 Mrd. Euro bereit.

Um den 60-Milliarden-Topf anzuzapfen, muss sich ein Land an die EU-Kommission wenden, die gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank den Finanzbedarf ermittelt. Die Regierung muss ein Konzept für die Sanierung seiner Staatsfinanzen an den Arbeitsausschuss der EU-Finanzminister schicken. Der Ministerrat entscheidet auf Vorschlag der Kommission hin und muss mit qualifizierter Mehrheit für den Antrag stimmen. Die Kommission handelt mit dem hilfsbedürftigen Land die Konditionen für die Hilfskredite aus. Sie nimmt dann Geld am Kapitalmarkt auf.

Der Garantierahmen der Euro-Länder funktioniert ähnlich. Der Hilfsantrag muss an die Euro-Finanzministergruppe gerichtet werden. Hält diese eine Unterstützung für gerechtfertigt, wird eine Delegation der EU-Kommission, der EZB und des IWF in das Land geschickt, um den Finanzbedarf festzustellen und mit der Regierung ein Sanierungsprogramm abzustimmen. Das Programm muss von der Eurogruppe und - sofern gleichzeitig Kredite vom IWF fließen sollen - vom Währungsfonds angenommen werden. Konditionen und Auszahlungsmodalitäten werden in einer Vereinbarung festgehalten. Die Euro-Schutzschirm kann dann über die deutsche Schuldenagentur Anleihen am Kapitalmarkt begeben und das Geld an das notleidende Land weiterreichen.

Wie teuer wird eine Rettung für Deutschland?

Das kommt darauf an, ob Irland in der Lage wäre, seinen finanziellen Verpflichtungen aus den Hilfskrediten nachzukommen, konkret also Zinsen zu zahlen und Kredite zu tilgen. Gelingt dies, weil Irland durch Hilfsgelder genug Luft zum Atmen bekommt, um finanziell und auch konjunkturell wieder auf gesunde Beine zu kommen, dann könnte dem Rettungsfonds sogar ein Gewinn entstehen. Der Fonds verleiht das Geld an Rettungskandidaten nämlich teurer als es die Gelder selbst ausleiht. Scheitert die Rettung und bleiben Verluste, muss jedes Euro-Land entsprechend seiner Bürgschaft dafür geradestehen.

Formell ist der Schaden auf den deutschen Anteil an den Rettungsinstrumenten beschränkt. Beim 440-Milliarden-Rettungsschirm bürgt Deutschland für maximal 148 Mrd. Euro. Im Rahmen der 60-Milliarden-Hilfen der EU ist Deutschland mit maximal 11,3 Mrd. Euro an Bord. Auch die Hilfen des IWF müssen von den Mitgliedsstaaten getragen werden, im Falle Deutschlands liegen diese bei maximal 14,9 Mrd. Euro.

Welchen Beitrag leisten die Gläubiger des Landes?

Irische Staatsanleihen liegen in erster Linie in den Depots privater Investoren. Auch europäische Banken sind engagiert, jedoch nicht so hoch wie einst in Griechenland. Allerdings schlummern große Risiken durch das starke Engagement gerade deutscher Banken bei Geschäften mit der irischen Wirtschaft bzw. Investitionen am irischen Immobilienmarkt.

Britische Banken stecken besonders tief im irischen Schuldenstrudel.

Britische Banken stecken besonders tief im irischen Schuldenstrudel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bisher werden Kreditgeber von Staaten, also die Käufer von Staatsanleihen, nicht an den Kosten der Rettung beteiligt. Die Idee dabei ist, eine Verschlimmerung der Situation klammer Staaten durch die Gläubiger zu verhindern. Rechnen diese nämlich damit, dass Irland etwa seine Kredite nicht mehr bedienen  kann und deshalb ein Teil ihrer dort investierten Gelder verloren wäre, verkaufen sie ihre Papiere. Das würde die Zinsen für die bereits ausgegebenen Anleihen des Landes nach oben treiben und die Aufnahme neuer Schulden verteuern.

Künftig sollen die Gläubiger jedoch ebenfalls einen Beitrag zur Sanierung leisten und auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Dies soll als neue Regel für den Nachfolger des Systems der Kreditgarantien eingeführt werden, wenn das jetzige System Mitte 2013 ausläuft. An den Märkten hatte die Aussicht auf eine solche Beteiligung bereits zu einem sprunghaften Anstieg der Renditen geführt, da Investoren fürchteten, möglicherweise bereits mit ihrem schon angelegten Geld zur Kasse gebeten zu werden. Auf diese Möglichkeit will die Politik jedoch verzichten, um damit keine zusätzliche Unruhe am Markt zu wecken und damit die Situation zu verschlimmern.

Warum sparen die Iren nicht erst einmal?

Das tun sie bereits. Drei Sparprogramme haben die Iren bereits hinter sich. Dabei wurden Abgaben erhöht und Gehälter deutlich gekürzt. Im öffentlichen Dienst verdienen zahlreiche Beschäftigte heute bis zu einem Fünftel weniger als noch vor zwei Jahren.

Bis 2014 will und muss die Regierung in Dublin noch einmal nachlegen und weitere 15 Mrd. Euro einsparen. Der IWF hat die Pläne in groben Zügen bereits gesehen und für gut befunden. Am 7. Dezember soll der Sparhaushalt ins Parlament eingebracht werden.

Die Crux liegt nun darin, auf der Ausgabenseite möglichst dort die Axt anzusetzen, wo Budgetkürzungen einen möglichst geringen Effekt auf den heimischen Konsum haben. Denn wenn im Gleichtakt mit den Ausgabenkürzungen auch die Steuereinnahmen erodieren, ist wenig gewonnen. Konzepte für intelligentes Sparen sind also gefragt, damit aus einem irischen Notfallplan keine Blaupause zum Harakiri wird.

Was soll auf der Einnahmenseite passieren?

Bisher sind keine konkreten Pläne bekannt - im Gegenteil. Die von vielen EU-Staaten kritisch beäugten Unternehmenssteuern, die in Irland so niedrig wie in sonst keinem EU-Land sind, sollen nicht erhöht werden. Zumindest hat Irland entsprechende Pläne abwenden können, höhere Steuern zu einer Bedingung für Staatshilfen zu machen.

Bislang werden Unternehmen einheitlich mit 12,5 Prozent besteuert. Das bringt dem irischen Fiskus jährlich 3,1 Mrd. Euro oder rund zehn Prozent der Steuereinnahmen. Eine Erhöhung um einen Prozentpunkt würde zusätzlich rund 300 Mio. Euro mehr bringen. Experten zufolge würde zumindest eine leichte Anhebung an der Wettbewerbsfähigkeit unter Steuergesichtspunkten nichts ändern. Die irische Regierung lehnt dies jedoch kategorisch ab.

Ist mit der Hilfe für Irland endlich Ruhe im Karton?

Davon ist nicht automatisch auszugehen. Zwischenzeitlich sind auch die Risikoprämien für die Staatsschulden Portugals und Spaniens wieder deutlich angestiegen. Denkbar wäre auch, dass sich Investoren nach Irland auf das nächste wankende Euro-Land stürzen. Spätestens im Falle Spaniens dürften jedoch die Rettungsinstrumente der EU an ihre Grenzen stoßen.

Quelle: ntv.de

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