Wirtschaft

"Sie irren sich fundamental" Juncker greift Euro-Skeptiker an

Mit ungewohnt scharfen Worten erinnert Eurogruppen-Chef Juncker deutscher Politiker an ihre Verantwortung. Um den Euro zu retten, sei "keine Zeit mehr zu verlieren". Die Debatte um einen Austritt Griechenlands kritisiert er als "Geschwätz" und "billigen innenpolitischen Diskurs". Wer denke, die Probleme der Eurozone durch einen Rauswurf lösen zu wollen, habe "die eigentlichen Ursachen der Krise nicht erkannt".

Der Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, hat eindringlich vor dem Zerfall der Währungsunion gewarnt. "Wir sind an einem entscheidenden Punkt angekommen", sagte Luxemburgs Premier der "Süddeutschen Zeitung". "Die Welt redet darüber, ob es die Eurozone in einigen Monaten noch gibt." Um den Euro zu retten, sei "keine Zeit mehr zu verlieren", fügte der Vorsitzende der Eurogruppe, des mächtigen Gremiums der 17 Euro-Finanzminister, hinzu. "Wir müssen jetzt mit allen verfügbaren Mitteln überaus deutlich machen, dass wir fest entschlossen sind, die Finanzstabilität der Währungsgemeinschaft zu gewährleisten."

Die Euro-Länder müssten jetzt mit einer Stimme sprechen. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren." Besonders umstritten ist im Euro-Raum derzeit die Frage, ob die Europäische Zentralbank (EZB) wieder Staatsanleihen von Krisenländern wie Spanien aufkaufen soll.

Juncker kritisierte "alles Geschwätz" über einen etwaigen als "billigen innenpolitischen Diskurs". Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone gehöre nicht zu seiner "Arbeitshypothese". Juncker wandte sich damit indirekt gegen Wortäußerungen aus den Reihen der Union und der FDP. "Ich weiß, dass es im deutschsprachigen Raum viele gibt, die - obwohl nicht simplen Geistes - einfache Lösungen anstreben, weil die in der inneren republikanischen Befindlichkeit auf Wohlwollen stoßen", erklärte Juncker.

"Aber sie irren sich fundamental", so Juncker weiter. "Wer denkt, dass die Probleme der Eurozone dadurch behoben würden, dass man ausschließt oder fallen lässt, hat die eigentlichen Ursachen der Krise nicht erkannt."

Wiederholt hatte zuletzt unter anderem auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) seiner Ansicht Ausdruck gegeben, für ihn habe ein Austritt Athens "längst seinen Schrecken verloren". Weitere Politiker der Regierungskoalition hatten sich ähnlich geäußert. " ", ließ sich der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Fuchs, zitieren.

Riskantes Spiel mit dem Feuer

Bayerns Finanzminister Markus Söder erklärte die Rettungsbemühungen für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone sogar ausdrücklich für gescheitert und forderte Vorbereitungen auf eine Staatspleite. Griechenland könne und wolle es wohl nicht schaffen, sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". Griechenland sei wirtschaftlich am Ende und könne mit dem Euro keinen Neuanfang bewältigen, so Söder weiter. Die übrigen Länder der Eurozone würden durch einen Ausstieg der Griechen aus der Gemeinschaftswährung mittlerweile keinen Schaden mehr nehmen.

Diesen Einschätzungen aus der deutschen Regierungskoalition hielt der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, am Wochenende eine sehr deutliche Warnung entgegen: Ein Scheitern der Währungsunion wäre nicht nur für Deutschland ein " ".

Unmittelbare Folge einer Rückkehr zur D-Mark wäre nach Ansicht des Allianz-Ökonoms eine starke Aufwertung der deutschen Nachfolgewährung. Dies würde deutsche Produkte im Ausland verteuern und den Export im zweistelligen Prozentbereich einbrechen lassen. Unternehmen würden ihre Standortentscheidungen überdenken, die Schließung von Produktionsstätten könnte die deutsche Wirtschaft erheblich belasten. Vier bis fünf Jahre nach dem Ende der Währungsunion wären Produktionsverluste von bis zu 25 Prozent im Vergleich zu einer normalen Wirtschaftsentwicklung wahrscheinlich, warnte Europas größte Versicherung.

"Luxus in Sachen Eurofragen"

Vor diesem Hintergrund geht Junckers Kritik an der deutschen Politik noch weiter: Er wundere sich immer wieder, dass man vor allem in der Bundesrepublik stets mahne, man müsse den abwarten. Aber schon bevor er da sei, erkläre man dann, was darin stehe. "Das ist Innenpolitik", so Juncker. "Wieso eigentlich erlaubt sich Deutschland den Luxus, andauernd Innenpolitik in Sachen Eurofragen zu machen? Warum behandelt Deutschland die Eurozone wie eine Filiale? Wenn das alle 17 Regierungen machten, was bliebe dann übrig von dem, was uns gemeinsam ist?"

Scharf warnte Juncker vor überhöhten nationalen Befindlichkeiten. Die Schuldenkrise zeige, dass die Europäische Integration ein sehr fragiles Gebildes sei. "Vergessen geglaubte nationale Ressentiments schwimmen sehr dicht an der Oberfläche. Mehr als 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkriege liegen sie nicht kilometerweit, sondern nur zentimetertief unter der Oberfläche", so Juncker. Dabei vertrage eine gemeinsame Währung "keine exzessiven nationalen Reflexe".

Notfalls Staatsanleihen kaufen?

Der Eurogruppen-Chef bestätigte zugleich, dass sich die Euro-Länder zusammen mit dem Rettungsfonds EFSF und der Europäischen Zentralbank darauf vorbereiten, notfalls Staatsanleihen klammer Euro-Länder aufzukaufen. Daran bestehe kein Zweifel, sagte er. "Es ist noch zu entscheiden, was genau wir wann machen werden." Dies hänge "von den Entwicklungen der nächsten Tage ab und davon, wie schnell wir reagieren müssen".

Die Staats- und Regierungschefs der 17 Euro-Länder hatten auf ihrem grundsätzlich grünes Licht für den Aufkauf von Staatsanleihen gegeben. Dadurch soll die Nachfrage am Kapitalmarkt nach Schuldscheinen der bedrängten Staaten gesteigert und so die Zinslasten gesenkt werden.

Madrid hatte in den vergangenen Tagen für seine Staatsanleihen zahlen müssen. Bei dieser Zinslast erhöhen sich die Finanzierungskosten des Landes so stark, dass sie den finanzpolitischen Spielraum im Staatshaushalt stark einschränkt und kurzfristig angesetzte Spar- und Reformmaßnahmen zunichte machen kann.

"Die Welt geht nicht gleich unter"

Frankreichs Staatspräsident François Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Premier Mario Monti bekräftigten indes nach telefonischen Beratungen, alles zu tun, um den Euro zu retten und die Beschlüsse des Gipfels "rasch" umzusetzen.

Nach einem Telefonat mit Monti über die Lage in der Eurozone erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter: "Sie waren sich einig, dass Deutschland und Italien alles tun werden, um die Eurozone zu schützen."

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zeigte sich vor dem Wochenende gelassen. Die Welt gehe "nicht unter", wenn bei einigen Anleiheauktionen höhere Zinsen zu zahlen seien, sagte er im Gespräch mit der "Welt am Sonntag". Trotz der , den Ausblick für die Topbonität Deutschlands auf "negativ" zu senken, erwartet Schäuble kein höheres Zinsniveau: "Nein, da bin ich schon vor Urlaubsantritt entspannt", sagte Schäuble vor seiner Reise nach Sylt. Er "halte die Entscheidung von Moody's für falsch. Natürlich sorgt die Krise in der Eurozone für Risiken. Aber kein Land profitiert so von der Gemeinschaftswährung wie Deutschland."

Zugleich versicherte Schäuble, dass kein neues Hilfsprogramm - über die bisher zugesagten 100 Mrd. Euro hinaus - für das geplant sei. "Nein, an diesen Spekulationen ist nichts dran", sagte Schäuble auf die Frage, ob Spanien einen Antrag bei den Partnern stellen könnte, dem Rettungsfonds EFSF den Kauf von Staatsanleihen zu ermöglichen.

In seinem Urlaubsort auf Sylt empfängt Schäuble am frühen Nachmittag den amerikanischen Finanzminister , um die Lage in Europa und den USA unter vier Augen zu besprechen. Geithner reist den Angaben seiners Ministeriums zufolge anschließend nach Frankfurt, um sich mit Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, zu beraten.

Quelle: ntv.de, ghö/mmo/dpa

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