Politik

Zyperns Präsident bangt um Zustimmung Anastasiades will nachverhandeln

Nikos Anastasiades muss einen politischen Balanceakt vollführen.

Nikos Anastasiades muss einen politischen Balanceakt vollführen.

(Foto: dpa)

Die Menschen in Zypern sind außer sich: Sie sollen im Gegenzug für EU-Nothilfen eine Sonderabgabe auf ihr Vermögen zahlen. Und in dieser aufgeheizten Stimmung muss Präsident Anastasiades das Rettungspaket durchs Parlament bekommen. Um die Abgeordneten zu überzeugen, verspricht er in einer TV-Ansprache Zugeständnisse.

Zyperns Präsident Nikos Anastasiades hat im Fernsehen für das EU-Rettungspaket geworben und zugleich versucht, die von Abgaben bedrohten Kleinsparer zu besänftigen. Er sicherte zu, die Bedingungen für Zahlungen nachzuverhandeln. "Ich kämpfe weiter dafür, dass die Beschlüsse der Eurogruppe in den nächsten Stunden dahingehend differenziert werden, dass die Auswirkungen auf die Kleinsparer eingeschränkt werden", sagte er.

Umstrittenster Punkt des Rettungspakets sind Sonderabgaben von 6,75 bis 9,99 Prozent auf die Spareinlagen der Bankkunden. Die Verluste würden die Zinsen von zwei Jahren kaum übersteigen, sagte Anastasiades, und die Maßnahme sei einmalig. Außerdem würden die Kunden umgehend mit Aktien der betroffenen Banken entschädigt.

Treuen Kunden stellte Anastasiades eine weitere Kompensation in Aussicht: Wer sein Geld für die nächsten zwei Jahre im Lande lasse, soll 50 Prozent der verlorenen Summe in Form von Optionen auf die Gewinne aus den vermuteten Gasvorkommen vor der Küste Zyperns erhalten.

Regierung fürchtet Bank Run

Mit teilweise dramatischen Worten warb der Staatschef im Fernsehen für die Beschlüsse des jüngsten Eurogruppen-Treffens. Zypern befinde sich im Notstand. Das Land durchlebe seine schlimmste Krise seit der türkischen Invasion und der Teilung der Insel 1974.

Anastasiades umriss noch einmal die Alternativen einer ungeordneten Staatspleite oder einer schwierigen, aber kontrollierten Situation, die die Chance auf einen Neubeginn biete. Er habe sich für das letzte entschieden, trotz seiner ursprünglichen Zusage, dass die Bankguthaben nicht angetastet würden. Er übernehme dafür die volle Verantwortung.

In Zypern macht sich die Regierung zudem Sorgen um einen möglichen Sturm auf die Banken. Sollte am Montag keine Entscheidung über die Rettungsmaßnahmen gefallen sein, sollen die Finanzinstitute der Insel auch noch am Dienstag geschlossen bleiben – am Montag sind die Banken wegen eines Feiertags ohnehin zu. So soll verhindert werden, dass Zyprer in Scharen ihre Konten räumen und damit das Finanzsystem des Landes in arge Bedrängnis bringen. Dies berichtete der zyprische staatliche Rundfunk nach dem Ende einer Kabinettssitzung.

Parlamentssitzung wird verschoben

Um einem massenhaften Ansturm zuvorzukommen, hat die Zentralbank Zyperns das gesamte Bankensystem quasi lahmgelegt. Über ein entsprechendes Schreiben von Zentralbankchef Panicos Demetreades berichteten griechischsprachige Medien. Demetreades verbietet demnach darin "vorläufig und bis auf weiteres" sämtliche Transaktionen wie Auszahlungen oder Überweisungen innerhalb und außerhalb Zyperns, sogar innerhalb derselben Bank. Bereits erteilte Aufträge seien auszusetzen, heißt es in dem Schreiben.

Am Freitagabend hatten sich die EU-Finanzminister nach monatelangem Zögern auf ein Rettungspaket für das pleitebedrohte Zypern geeinigt. Ein wesentlicher Bestandteil der Hilfskredite über zehn Mrd. Euro aus dem Rettungsfonds ESM ist eine Beteiligung von Sparern durch eine einmalige Abgabe auf ihre Guthaben bei den zyprischen Banken. Wer mehr als 100.000 Euro auf dem Konto hat, muss eine "Solidaritätsabgabe" von 9,9 Prozent bezahlen, bei niedrigeren Beträgen sind es 6,75 Prozent.

Eigentlich hätte das Parlament über das nötige Gesetz am Sonntag abstimmen sollen. Doch die entscheidende Sitzung wurde um 24 Stunden vertagt. Zunächst soll am Montagmorgen die zyprische Regierung zusammenkommen, um über das Hilfspaket zu beraten. Anschließend wollte Anastasiades den Brüsseler Gipfelbeschluss vor dem Parlament verteidigen. Danach sollen die Abgeordneten eine Entscheidung über die Milliardenhilfen treffen.

Dem Fernsehsender Sigma zufolge hat Anastasiades die Parlamentssitzung auf Montag verschoben, weil er eine Ablehnung des Hilfspakets fürchte. Tatsächlich ist die Zustimmung zu dem Programm alles andere als sicher: Die beiden Mitte-Rechts-Parteien Disy und Diko, die Anastasiades stützen, haben im Parlament nur 29 von 56 Sitzen, es genügt also ein Abweichler, um ein Patt herzustellen. Diko-Chef Marios Garogian sagte, er habe mit dem Staatschef über "Alternativen" zur Beteiligung der Sparer gesprochen. Mehrere Abgeordnete der Partei äußerten Kritik am Beschluss des EU-Gipfels.

Die Opposition hat bereits angekündigt, dass sie die Sonderabgabe ablehnen wird. Widerstand dürfte vor allem von der Partei Akel mit kommunistischen Wurzeln kommen, die 19 Sitze innehat. Das gleiche gilt für die sozialistische Partei Edek, zu der fünf Abgeordnete gehören.

Schulz setzt sich für Zyprer ein

Für den Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, sind die Einschnitte für die Zyprer zu hart. Er verlangt einen Schutz für Kleinsparer bei dem beschlossenen Hilfspaket. Zwar sei die Beteiligung von Bankkunden an dem Hilfsprogramm richtig, doch es müsse auch auf Sozialverträglichkeit geachtet werden, sagte Schulz der "Welt am Sonntag". "Da muss nachgebessert werden, etwa über einen Freibetrag von 25.000 Euro", schlug Schulz vor. Kleinanleger seien schließlich nicht verantwortlich für die Misswirtschaft, argumentierte er.

Grundsätzlich sei die Beteiligung von Bankkunden aber richtig. Es könne nicht sein, dass wie bisher am Ende immer der Steuerzahler gerade stehen müsse – auch "angesichts riesiger Bankeinlagen ungeklärter Herkunft".

Ähnlich äußerte sich auch der Vizechef der Linken, Axel Troost. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Kleinanleger für die Fehler der Banken einstehen müssten.

Bank offen, Konto dicht

Nach dem Bekanntwerden der Zwangsabgabe versuchten am Samstag viele Menschen auf Zypern, ihre Konten zu räumen. Kurzzeitig kam es zu einem Ansturm auf einige wenige Genossenschaftsbanken, die geöffnet hatten. Dutzende versuchten ihre Spareinlagen abzuheben, berichtete der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Sie wurden von den Angestellten darüber informiert, dass das Onlinesystem der Banken außer Betrieb sei. Später schlossen auch die wenigen geöffneten Filialen.

Die Banken auf der Insel sind wegen der engen Verflechtungen mit der griechischen Finanzbranche ins Schlingern geraten. Sie wurden durch das Anfang 2012 geschnürte Rettungspaket für Griechenland besonders stark getroffen. Die beiden größten Institute Zyperns häuften Verluste von 4,5 Mrd. Euro an - das entspricht einem Viertel des zyprischen Bruttoinlandsprodukts der Insel.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Euro-Zone lange mit Schritten zur Sanierung Zyperns gezögert hat. Schließlich steht die Insel im Ruf, mit russischem Geld gewaschen worden zu sein. Doch von den 69 Mrd. Euro, die auf zyprischen Konten liegen, gehören nur rund 37 Prozent ausländischen Anlegern. Dennoch machen manche wie der 54-jährige Andy Georgiou ihrem Zorn über die Russen Luft: "Ich bin sehr verärgert. Ich habe Jahr um Jahr dafür gearbeitet und nun verliere ich es, weil die Holländer und Deutschen es so wollen. Die Russen bleiben ungeschoren." Georgiou hatte voriges Jahr sein Haus in London verkauft und war mit seinen Ersparnissen nach Zypern gezogen.

Die britische Regierung sagte auf Zypern stationierten Militärs und Regierungsangestellten zu, die Sonderabgabe auf Bankguthaben zu erstatten. Auf Zypern sind rund 3000 britische Militärs sowie zahlreiche Regierungsangestellte stationiert. Daneben leben zehntausende britische Zivilisten auf der Insel.

Quelle: ntv.de, jog/nne/ppo/dpa/AFP/rts

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