Wirtschaft

"Iran besitzt größere Sprengkraft" EU nimmt höheren Ölpreis in Kauf

(Foto: picture alliance / dpa)

Im Atomstreit mit dem Iran beschließt die EU mit einem Ölembargo eine neue Sanktionsrunde. Der Iran hat zwar an den gesamten Öleinfuhren der EU "nur" einen Anteil von knapp sieben Prozent. In einigen Staaten wie Griechenland oder Italien ist der Anteil aber höher. Welche Folgen hat das Embargo für den Ölpreis? Wer wird die Nachfrage der klammen Euroländer bedienen? n-tv.de fragt Axel Herlinghaus, Rohstoffanalyst der DZ Bank.

n-tv.de: Der Iran ist der zweitgrößte Opec-Produzent nach Saudi-Arabien. Welche Spuren wird das Ölembargo am Ölmarkt hinterlassen?

Axel Herlinghaus, Analyst für Rohstoffe bei der DZ Bank.

Axel Herlinghaus, Analyst für Rohstoffe bei der DZ Bank.

Axel Herlinghaus: Die Iran-Problematik besitzt Sprengkraft, denn der Iran hat eine ganz andere Dimension als beispielsweise Libyen. Das Land produziert 3,6 Millionen Barrel pro Tag an Rohöl. Davon laufen 2,2 bis 2,3 Millionen Fass an Abnehmer rund um die Welt. Man hat im Rahmen des Arabischen Frühlings gesehen, wohin der Ausfall von Libyen, das ja nur 1,5 Millionen Barrel produziert und deutlich kleiner ist, führen kann. Keiner weiß so genau, wie sich diese komplexe Konstellation weiterentwickelt. Neben dem Iran haben wir mit Nigeria und dem Irak noch zwei weitere durchaus brisante geopolitische Konfliktherde, die sich im laufenden Jahr entzünden und zu nachgelagerten Produktionsausfällen führen könnten. Ohne Störungen von der Angebotsseite befand sich der Markt in einer leichten Erholungsphase mit tendenziell steigenden Lagerbeständen und sinkenden Preisen. Strukturell neigt der Markt aber zur Knappheit, da die Nachfrage - in China, in Indien - schneller wächst, als ihr die Angebotsseite folgen kann. Und nun kommt hinzu, dass sich nicht zu unterschätzende Problemlagen in drei wichtigen Angebotsstaaten abzeichnen. Dazu köchelt es noch ein bisschen in Syrien. Auch hier fehlen ein paar Barrel. In Kasachstan gibt es ebenfalls Probleme. Der Markt hat gut damit zu tun, das einzupreisen. 

Können Sie Preise nennen?

Wir haben einen fundamental  fairen Preis ausgerechnet. Dieser läge derzeit bei 90 bis 100 US-Dollar pro Fass, wenn wir von den geopolitischen Problemlagen abstrahieren würden. Wir liegen bei der Sorte Brent aber bei über 110 US-Dollar. Ich würde sagen, dass wir eine Geoprämie von 10 bis 15 US-Dollar im Markt haben, wobei diese nicht exakt aus empirischen Modellen ableitbar ist.

Schneiden sich die westlichen Nationen mit dem Embargo nicht ins eigene Fleisch?

Das ist eine politische Frage. Der Westen hat diese Frage für sich beantwortet. Er will eher die Kosten eines höheren Ölpreises in Kauf nehmen, als dass der Iran gegebenenfalls zu Atomwaffen kommt. Das könnte die ganze Region destabilisieren. Im Nahen Osten befindet sich immerhin ein großer Teil der weltweiten Rohölvorräte. Die bisherigen Sanktionen haben nicht ausgereicht, zu verlässlichen Verhandlungslösungen zu kommen, obwohl das iranische Volk durchaus Probleme mit Versorgungsengpässen, mit höheren Preisen, Benzinmangel etc. hat. Die offene Flanke des Iran sind die Öleinkünfte. Damit muss er seine Bevölkerung bei Laune halten.

Der Anteil Irans an den Ölimporten der einzelnen EU-Länder ist unterschiedlich. Ausgerechnet Griechenland hängt mit 22 Prozent seiner Öleinfuhren aus dem Iran am Tropf. Italiens Anteil liegt bei 13,3 Prozent. Woher wird das fehlende Öl ab Juli kommen?

Rohöl (Brent)
Rohöl (Brent) 88,17

Das Szenario, das die USA entwickelt haben, geht nicht in die Richtung, dass man die iranische Produktion vollständig vom Ölmarkt abschneiden will. Man möchte nicht so sehr dafür sorgen, dass gar kein Öl mehr fließt, sondern primäres Ziel ist es, die Rohölumsätze des Iran möglichst empfindlich zu drücken. Wir gehen davon aus, dass die Europäer ihre Rohöllieferungen nach Inkrafttreten des Embargos aus anderen Quellen beziehen. Diesbezüglich könnten Russland, Saudi-Arabien oder sogar die USA aufgrund ihrer Schieferölfunde einspringen. Auch die Internationale Energieagentur könnte strategische Reserven freigeben.

Aber andere Staaten wie China kaufen weiter Öl aus dem Iran. Wie sehr wird Teheran das Embargo treffen?

Ein strategisches Ziel der Vereinigten Staaten ist es auch, die Verhandlungsmacht der Restkäufer von iranischem Öl zu erhöhen. Da kommt China ins Spiel, das mit seinem riesigen Energiehunger einer der großen Käufer ist. Das Reich der Mitte ist schon dabei, seine höhere Verhandlungsmacht umzusetzen. Sie fordern Preisnachlässe. Dies könnte eine erste Verstärkung der Sanktionsschraube sein, mit der man die Öleinnahmen des Iran effektiv absenkt, ohne dem Markt Rohöl physisch zu entziehen.

Obwohl die Weltwirtschaft schwächelt und die US-Wirtschaft lahmt, hält sich der Öl-Preis der Sorte Brent seit Monaten über der Marke von 100 Dollar. Bestätigt das nicht die Theorie der Anhänger von "Peak Oil", nach der das Fördermaximum weltweit bereits überschritten ist?

"Peak Oil" ist eine Glaubensfrage. Aus Tausenden Feldern wird Rohöl gepumpt. Solange Sie keinen Zähler an diesen Feldern haben, der anzeigt, wie viel Rohöl gefördert wird, müssen Sie sich darauf verlassen, dass die Staaten das auch liefern und auf den Markt bringen, was in den üblichen Publikationsorganen angegeben wird. Es gibt eine "ewige 40" auf dem Rohölmarkt. Man schaut immer, wie lange die Reserven bei aktuellem Verbrauch noch reichen. Diese 40 Jahre Reservenlebensdauer schieben wir mittlerweile seit vielen Jahren vor uns her. Es gilt, die Vokabeln "Ressourcen" und "Reserven" auseinanderzuhalten. Ressourcen sind potenzielle Rohölquellen, die man wirtschaftlich (noch) nicht fördern kann. Reserven sind hingegen die wirtschaftlich förderbaren Ölquellen. Je höher der Preis steigt, desto mehr Rohöl-Ressourcen "verwandeln" sich durch die Wirtschaftlichkeit der Förderung in Rohöl-Reserven. Sprich: Wenn der Rohölpreis bei 50 Dollar läge, könnten Sie kein Schieferöl fördern, weil es sich nicht lohnen würde. Das würden die Unternehmen aus Profitabilitätserwägungen nicht machen. Bei 100 Dollar lohnt es. Insofern ist der hohe Preis nicht zwingend Beleg für "Peak Oil", sondern ist der Reflex auf die immer aufwendigeren Methoden, der Erde weiteres Rohöl abzujagen. Fest steht aber, dass das am leichtesten förderbare und daher günstigste Rohöl weitgehend gefördert ist. Angesichts des Rohöldurstes der sich entwickelnden Volkswirtschaften in den Schwellen- und Entwicklungsländern - vor allem China und Indien - werden wir in den kommenden Jahren mit weiter steigenden Ölpreisen rechnen müssen.

Es sind Lagerstätten von Schieferöl mit zwei Milliarden Barrel bekannt, drei Mal so viel wie die gesicherten Reserven von Saudi-Arabien. Das dürfte die Abhängigkeit von Importen arabischen oder auch russischen Öls dramatisch reduzieren. Steht uns auf den letzten Metern des Ölzeitalters ein neuer Ölboom bevor?

Schieferöl ist eine Wachstumsgeschichte, wenn man sieht, dass die Amerikaner wieder eine steigende Rohölproduktion haben. In den USA findet diese Geschichte in erster Linie in North Dakota statt. Dort hat man vor geraumer Zeit noch 100.00 Barrel pro Tag gefördert. Jetzt ist man bereits bei 500.000 Barrel - Tendenz steigend. Nach Schätzung der Internationalen Energieagentur werden die USA schon im laufenden Jahr 200.000 Barrel pro Tag mehr fördern können. Das ist ein substanzieller Beitrag zur Verbesserung der Angebotsseite. Schieferöl und Schiefergas haben aber durchaus noch zu lösende Problemlagen. Es ist auch eine vergleichsweise teure Technologie. Man braucht Schätzungen zufolge zwischen 80 und 100 Dollar am Markt, damit Schieferöl produziert werden kann. Man sieht auf jeden Fall, dass wir in vielerlei Hinsicht sehr abhängig von fossilen Brennstoffen sind. Also wird man diese Technologie auch möglich machen. Schieferöl ist eine der Ölarten, die es bei steigenden Preisen möglich machen, den "Peak Oil" noch weiter rauszuschieben.

Mit Axel Herlinghaus sprach Diana Dittmer

Quelle: ntv.de

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