Wirtschaft

Stoff aus der Traumfabrik Wall Street erwartet Comeback

Der Finanzdistrikt von New York in Lower Manhattan.

Der Finanzdistrikt von New York in Lower Manhattan.

(Foto: Flickr/Nosha)

Neue Vorschriften und die Euro-Krise machen den US-Banken das Leben schwer. Die Einschnitte sind zwar groß, aber die Institute wären nicht sie selbst, versprühten sie nicht trotzdem Zuversicht. Personalabbau und neue Boni-Bescheidenheit tun ihrem Optimismus keinen Abbruch. Das macht die Wall-Street-Kultur eben aus.

Für Investoren in US-Bankpapieren war 2011 eine Katastrophe. Der Bankenindex von Keefe, Bruyette & Woods (KBW), der 24 börsennotierte Bankwerte umfasst, verlor im vergangenen Jahr 23 Prozent. Und das, obwohl der breite US-Markt insgesamt zulegte. Die Geldinstitute spüren die Wirtschaftsflaute, den Sog der europäischen Schuldenkrise und natürlich die neuen Bankenregularien, die zu Umstrukturierungen zwingen.

Wutbürger der Occupy-Bewegung in New York protestieren gegen die Macht der Banken.

Wutbürger der Occupy-Bewegung in New York protestieren gegen die Macht der Banken.

(Foto: REUTERS)

Viele Banker verlieren ihre Jobs. Nach Informationen der Beratungsgesellschaft Challenge, Gray and Christmas waren es im vergangenen Jahr knapp 64.000 Beschäftigte. Wer nicht rausgeflogen ist, bekommt die Quittung für das Katastrophenjahr in Form deutlich niedrigerer Boni präsentiert. Goldman Sachs, der am besten zahlende Arbeitgeber an der Wall Street, , meldete das "Wall Street Journal". Das hört sich dramatisch an, relativiert sich aber schnell angesichts der tatsächlichen Höhe der Gehälter. 2012 könnte wegen der Euro-Krise ebenfalls schwierig werden, meinen viele Beobachter. Andere wittern aber bereits ein riesiges Comeback. 

Mehr Puffer gegen die Krise

Washington versucht derweil - mehr schlecht als recht - Vorsorge zu treffen, um weitere Schocks für die weltweit vernetzte Finanzwelt zu verhindern. Trotz lauten Lobbygeschreis soll der Strukturwandel in der Bankenbranche zumindest teilweise erzwungen werden. Nie mehr soll der Staat gezwungen sein, eine Bankenpleite abzuwenden, so wie es 2008 bei der US-Investmentbank Lehman Brothers der Fall war. Oberstes Gebot soll künftig Haushaltsdisziplin sein.

Systemrelevante Geldinstitute wie JP Morgan müssen in den USA dafür künftig eine höhere Kernkapitalquote von 9,5 Prozent der risikogewichteten Werte in der Bilanz erfüllen. Das entspricht der Vorgabe durch die Basel-III-Regeln, auf die sich die G20-Staaten Anfang November verständigt haben. Ab 2013 sollen die Regeln gelten. Zeit für die Umsetzung haben die Institute dann bis 2018. Die kleinen Institute kommen mit 7 Prozent davon. Im Sommer tritt außerdem die sogenannte Volcker-Regel in Kraft. Die neue Vorschrift soll riskante Geschäfte der Geldhäuser auf eigene Rechnung deutlich einschränken.

JP Morgan-Chef Jamie Dimon mit Frau Judith Kent zu Gast im Weißen Haus.

JP Morgan-Chef Jamie Dimon mit Frau Judith Kent zu Gast im Weißen Haus.

(Foto: REUTERS)

Die neuen Regularien bringen die Wall-Street-Größen in Wallung: "Antiamerikanisch" bezeichnete Jamie Dimon, Chef der größten US-Bank JP Morgan Chase, die neuen Eigenkapitalvorschriften des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht. Aber trotzdem strotzt Dimon vor Optimismus. Seiner Ansicht nach steht das Investmentbanking vor einem Riesen-Comeback.

Banken stecken Krise weg

Das Vermögen der Investoren werde sich in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, lautet Dimons Schätzung. Dieses Geld muss investiert werden und das bedeutet gute Aussichten für die Banken. Der Chef des weltgrößten Finanzhauses hat Anlass zu frohlocken.

So ärgerlich das "Korsett" der neuen Regularien auch sein mag, es hätte viel enger ausfallen können. Die US-amerikanischen Bankenaufseher lassen ihren Banken bislang deutlich mehr Spiel als die europäischen. So sollen die verschärften Eigenkapitalvorschriften nicht wie in Europa für alle, sondern nur für die systemrelevanten Finanzinstitute gelten. Auch sonst gehen die Staaten der EU mit strengerem Beispiel voran. Im Unterschied zu den USA wird bereits ab Mitte 2012 von 70 Instituten eine Kernkapitalquote von neun Prozent verlangt. Der Druck der EU auf die USA, die Regeln 1:1 umzusetzen, wächst.

Paul Volcker, einer der wichtigsten Berater von US-Präsident Obama.

Paul Volcker, einer der wichtigsten Berater von US-Präsident Obama.

(Foto: REUTERS)

Auch die Volcker-Rule ist nicht so wasserdicht, wie Bankenexperten es sich wünschen. Die Abgrenzung zwischen Geschäften im eigenen Interesse und solchen, die im Auftrag von Kunden abgewickelt werden, sei schwierig, geben Kritiker zu bedenken. Hinzu kommt, dass die Umsetzung dieser Regel auch erst ab 2017 anvisiert ist.

Kosmetische Maßnahmen?

Im Moment kommen die USA bei der Bankenregulierung nicht vom Fleck. Schuld daran hat die Regierung von Barack Obama, wie Eliot Spitzer, Ex-Gouverneur von New York und einstiger "Sheriff der Wall Street" sagt. Im Interview mit dem "Handelsblatt" moniert er, dass Obamas Finanzminister selber von der Wall Street komme. So sei kein Druck zu machen. Tim Geithner war vor seinem Amt bei der Notenbank beschäftigt. Spitzer unterstützt heute die Bewegung "Occupy Wall Street".

Eliot Spitzer, früher oberster Strafverfolger, später Gouverneur von New York, fordert hartes juristisches Vorgehen gegen Banken.

Eliot Spitzer, früher oberster Strafverfolger, später Gouverneur von New York, fordert hartes juristisches Vorgehen gegen Banken.

(Foto: REUTERS)

Finanzmarktanalytiker der Bank Oppenheimer in New York stützen die These von einem Comeback für das Investmentbanking. Die Experten rechnen mit einem Gewinnschub von 57 Prozent in diesem Jahr. "Die Banken könnten 2012 profitieren, weil sich Handelsgeschäft und Ausgaben normalisieren", zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg die Experten.

Den Wall-Street-Größen Morgan Stanley und Goldman Sachs trauen sie in diesem Jahr eine Steigerung der Gewinne je Aktie auf mehr als das Doppelte zu. Dass beide ihre Gewinnziele 2011 am klarsten verfehlt hatten, tut der Rechnung keinen Abbruch.

Weiche Landung mit kleineren Boni

Vom Tellerwäscher zum Millionär - Die Wall Street ist Teil des Amerikanischen Traums.

Vom Tellerwäscher zum Millionär - Die Wall Street ist Teil des Amerikanischen Traums.

(Foto: REUTERS)

Investmentbanker werden sich über diese optimistischen Prognosen freuen. Einen großen Teil ihrer Vergütungen erhalten sie in Form von Boni, die wiederum in Aktien ausgezahlt werden, was auch die jüngst gemeldeten Einbußen bei den Bezügen erklärt. Da die Bankenkurse im Keller sind, werden sie von einem möglichen Anziehen der Preise profitieren. Ein willkommener "Nebeneffekt" der Krise. Sorgen müssen sich Banker aber so oder so nicht machen.

Nur ein Jahr nach der Lehman-Pleite lagen ihre Boni schon wieder auf Vorkrisenniveau. Die Kürzungen für das vergangene Jahr hatten lediglich zur Folge, dass die Mitarbeiter der US-Großbanken "nur noch" sechsstellige Gehälter kassierten. Das Durchschnittsgehalt bei der Elite-Investmentbank Goldman Sachs betrug nach Berechnungen des "Wall Street Journal" immerhin noch 385.000 Dollar. Die Spitzenmanager verdienten mit Gehalt und Boni insgesamt zwischen 3 und 6,5 Millionen (!) Dollar. Vielleicht kommen die guten fetten Jahre nicht wieder. Existenzsorgen müssen Banker deshalb aber nicht haben.

Die Party geht weiter - irgendwie

Eine neue Wall-Street-Kultur bleibt Zukunftsmusik. Eine Finanzwelt ohne riskante Spekulationsgeschäfte mit Banken, die selbst für ihre eigenen Risiken einstehen, wurde bislang nicht umgesetzt. Banker bleiben eine Spezies, die mit Bescheidenheit wenig am Hut hat. Wer in die Finanzbranche das große Geld sucht, wird es dort auch finden. Auch noch in den nächsten Jahren. Solange selbst "Wutbürger" ihr Geld zu den Banken tragen und nicht unters Kopfkissen schieben, wird mit dem Geld ein Geschäft zu machen sein.

Der Frust der Wutbürger sitzt tief.

Der Frust der Wutbürger sitzt tief.

(Foto: REUTERS)

Dazu passt eine Nachricht aus dem Londoner Finanzdistrikt. Dort sollen mittlerweile viele Institute vor dem Hintergrund der höheren Boni-Besteuerung die Festgehälter aufstocken, um ihre Mitarbeiter für sinkende Bezüge zu entschädigen. Nach Angaben von Headhuntern sollen sie bereits um bis zu 25 Prozent in den vergangenen zwei Jahren gestiegen sein.

Quelle: ntv.de

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