Wirtschaft

Wiedergeburt einer alten Idee Warum Transaktionen besteuern?

Bisher lohnen sich auch Geschäfte, die kleinste Kursbewegungen ausnutzen - eine Finanztransaktionssteuer würde dem ein Ende bereiten.

Bisher lohnen sich auch Geschäfte, die kleinste Kursbewegungen ausnutzen - eine Finanztransaktionssteuer würde dem ein Ende bereiten.

(Foto: AP)

Der Vorstoß kommt für Globalisierungskritiker und Börsianer gleichermaßen überraschend: Bis vor kurzem standen Anhänger einer Steuer auf Finanztransaktionen noch auf verlorenem Posten. Dank "Merkozy" könnte diese Abgabe bald europaweit gelten. Um was geht es genau?

Als Beitrag zur Stabilisierung der Eurozone wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Einführung einer Finanztransaktionsteuer durchsetzen. Die Idee kommt nicht nur Experten bekannt vor.

Erste Ansätze dazu stammen bereits aus dem Jahr 1972. Geistiger Vater einer solchen Idee ist der Ökonom James Tobin, der mit einer minimalen Steuer auf Devisentransaktionen kurzfristige Spekulationen eindämmen wollte. In Fachkreisen werden die Effekte einer solchen Steuer seit Jahren eingehend diskutiert. Das globalisierungskritische Bündnis Attac etwa gründete sich als Organisation, die für die Einführung einer solchen Steuer ringt: Sein Name ist eine Abkürzung, die übersetzt "Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der BürgerInnen" bedeutet. Von der Politik aufgenommen wurde die Idee einer Finanztransaktionssteuer erst unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise ab 2008. Umgesetzt wurde sie aber noch nirgends.

Was ist eine Finanztransaktionsteuer?

Nach den gängigen Konzepten soll die Steuer auf den Handel fast aller Finanzprodukte aufgeschlagen werden, also Aktien, Währungen und Wertpapiere, mit denen auf Entwicklungen an Märkten etwa für Rohstoffe oder Immobilien spekuliert wird. Damit funktioniert diese Steuer - grob vereinfacht - in etwa wie eine Mehrwertsteuer auf diese Geschäfte. Alternativ könnten auch nur die Gewinne von Finanzunternehmen besteuert werden. Diese Lösung wird unter dem Begriff Finanzaktivitätsteuer diskutiert.

Was soll die Finanztransaktionsteuer bewirken?

Die Steuer soll den kurzfristig angelegten Aktivitäten an den Börsen, mit denen vor allem durch eine hohe Zahl von Finanzbewegungen Gewinne erzielt werden können, die Anziehungskraft rauben und so hektische Spekulationen eindämmen. Zudem hat die Steuer aufgrund des großen Volumens der Handelsaktivitäten das Potenzial, reichlich Geld einzubringen.

Welche Höhe soll die Steuer haben?

Zu konkreten Fragen der Ausgestaltung haben sich Merkel und Sarkozy nicht geäußert. Bisher standen allerdings sehr niedrige Sätze von 0,01 bis 0,25 Prozent des gehandelten Wertes je Transaktion zur Debatte. In Deutschland etwa schlagen Befürworter einen Steuersatz von 0,05 Prozent vor. Dies könnte auf Basis der derzeit gehandelten Volumina Einnahmen von 10 bis 36 Mrd. Euro pro Jahr bringen.

Was spricht gegen die Steuer?

Kritiker der Steuer argumentieren, dass die Steuer indirekt auch Kleinsparer belasten könnte, etwa bei der privaten Altersvorsorge. Darüber hinaus könnten betroffene Handelshäuser in Versuchung geraten, die Mehrbelastungen auf ihre Kunden abzuwälzen. Die Befürworter halten dem entgegen, dass dies bei einem minimalen Satz kaum ins Gewicht falle.

Die heftigsten Gegner sitzen ohnehin an den großen Finanzplätzen: Sie führen an, dass eine Finanztransaktionsteuer den Standort unattraktiv macht und der Handel mit Finanzprodukten sich sehr schnell dorthin verlagert, wo keine Steuer erhoben wird. Etwa nach Großbritannien oder die USA. Sie befürworten daher, dass die Steuer global eingeführt werden muss - wohl wissend, dass dies nahezu utopisch ist.

Um Ausweichbewegungen zu verhindern, gibt es jedoch auch Vorschläge, die Besteuerung nicht am Handelsplatz eines Finanzgeschäfts festzumachen, sondern am Unternehmenssitz der beteiligten Handelspartner. Dies sieht etwa auch der Plan der EU-Kommission zur Einführung einer solchen Steuer vor.

Wie weit sind die Pläne?

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatte es die Finanztransaktionsteuer in ihrer Eigenschaft als Spekulationsbremse bis auf die Tagesordnung des Pittsburgher G20-Gipfels im Herbst 2009 geschafft. Der IWF wurde beauftragt, einen Vorschlag zur Umsetzung zu machen und sprach sich im April 2010 für eine Finanzaktivitätsteuer aus. Das EU-Parlament stimmte ein Jahr später für eine Finanztransaktionsteuer - so unter Druck gesetzt, entwickelte die EU-Kommission einen Vorschlag. Merkel und Sarkozy beauftragten ihre Finanzminister daraufhin, konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung vorzulegen. Die EU-Staaten sind sich aber nach wie vor durchaus uneins. Merkel hat nun erklärt, sie "persönlich" sei dafür, die Steuer notfalls auch nur in der Euro-Zone vorzuschlagen, wenn es keine Lösung für alle 27 EU-Länder gebe. Bis spätestens März soll dafür das Konzept stehen.

Wem nützt die Steuer?

Mit ihrem Vorstoß haben Merkel und Sarkozy - deren neue Einigkeit Kritiker spöttisch mit dem Kunstwort "Merkozy" umschreiben - nicht nur ihre innenpolitischen Gegner überrumpelt. Auch an den Börsen sorgten die Pläne zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer für erheblichen Wirbel. Kaum überraschend stieß das Vorhaben in Europa vor allem bei dem Aktienmarktbetreiber Deutsche Börse auf scharfe Ablehnung. Eine solche Steuer "schafft Anreize, noch stärker als bisher in die Nischen auszuweichen, die von dieser Steuer nicht erfasst sind", kommentierte der Dax-Konzern die Pläne. Sie wäre "ein Geschenk an die unregulierten Finanzplätze und Finanzprodukte dieser Welt", hieß es aus Frankfurt.

Quelle: ntv.de, mmo/nne/AFP/rts

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