Wirtschaft

Kein Kuschelkurs im VW-Skandal Winterkorn gerät in den USA erneut ins Visier

Die Reisefreudigkeit von Martin Winterkorn dürfte sich noch lange Zeit in Grenzen halten.

Die Reisefreudigkeit von Martin Winterkorn dürfte sich noch lange Zeit in Grenzen halten.

(Foto: REUTERS)

Die deutsche Justiz hat im Dieselskandal einzelne VW-Manager bislang geschont. In den USA ist das anders. Ex-Boss Winterkorn, der bereits mit Haftbefehl gesucht wird, wird ein weiteres Mal angeklagt. Laut SEC wusste er schon 2007 von den Abgas-Tricks.

"Wer versucht, die Vereinigten Staaten zu betrügen, wird dafür einen hohen Preis zahlen", sagte US-Justizminister Jeff Sessions bei der Vorstellung der Anklageschrift im Dieselskandal in den USA vor knapp einem Jahr. Es war eine Drohung, die explizit nicht nur an Volkswagen, sondern auch an einzelne VW-Manager gerichtet war. Auch im vierten Jahr des Skandals behält sie ihre Gültigkeit.

Während es in Deutschland deutlich ruhiger geworden ist, bleiben die US-Behörden bei der Aufklärung der Umweltmanipulationen durch den deutschen Konzern unerbittlich. Nach der US-Justiz schafft nun auch die US-Börsenaufsicht SEC Fakten. Sie beschuldigt Volkswagen, zehn Jahre lang ein Abgas-Komplott betrieben zu haben.

In der Anklageschrift heißt es, der Konzern habe Investoren und Versicherern "falsche und irreführende Angaben über die Fahrzeugqualität" gemacht. Zwischen April 2014 und Mai 2015 seien Anleger beim Kauf von Anleihen im Wert von 13 Milliarden Dollar getäuscht und dabei "Hunderte von Millionen Dollar auf betrügerische Weise eingenommen" worden. Leitende Angestellte hätten gewusst, dass über 500.000 Fahrzeuge in den USA die gesetzlichen Abgas-Grenzwerte überschritten.

Wegen der angeblichen Täuschung verklagt die US-Börsenaufsicht nicht nur den Konzern und zwei seiner Tochterfirmen, sondern auch Ex-VW-Chef Martin Winterkorn. Wieder dreht sich dabei alles um die Frage: Wann hat der damalige Konzernlenker wirklich von den Schummeleien erfahren? Die Finanzaufsicht ist sich mit dem US-Justizministerium dahingehend einig, dass das damalige Top-Management um Winterkorn auf jeden Fall vor 2015 von schweren Verstößen gegen Umweltgesetze gewusst haben muss. Genau aus diesem Grund wurden die Anleger aus Sicht der SEC auch getäuscht.

Winterkorn hat sich zu den neuen Anschuldigungen noch nicht geäußert. In der Vergangenheit hat er aber immer beteuert, erst kurz vor seinem Abgang im Herbst 2015 von den Abgastricks, mit denen sein Konzern über Jahre Messdaten manipulierte und sowohl die Zulassungsbehörden als auch die Kunden täuschte, erfahren zu haben.

US-Justiz fackelt nicht lange

Die Behörden und Ermittler in den USA kaufen ihm das nicht ab. Bereits die Anklageschrift des US-Justizministeriums aus dem vergangenen Jahr nennt Mai 2014 als Zeitpunkt, an dem Ingenieure ihn über die Betrügereien unterrichtet haben sollen. Die SEC geht sogar noch weiter: Laut ihrer Klage wurden Winterkorn und andere VW-Manager schon im November 2007 erstmals auf die Abschalteinrichtungen in den Dieselmotoren hingewiesen.

Dass sie nicht zimperlich mit VW-Managern umgehen, haben die US-Gerichte bewiesen. Während ein Konzern lediglich zu Strafzahlungen verurteilt werden kann, müssen Einzelpersonen auch mit Gefängnis rechnen. Die ersten haben bereits Erfahrungen mit dem Leben hinter amerikanischen Gittern gemacht. Zwei wurden 2017 verhaftet und zu sieben beziehungsweise drei Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen insgesamt 13 ehemalige Mitarbeiter laufen in den USA Klagen. Auch Winterkorn muss die US-Justiz fürchten. Setzt er einen Fuß auf US-Boden, drohen ihm 275.000 Dollar Geldstrafe und bis zu 25 Jahre Gefängnis.

Die deutsche Justiz wirkt dagegen vergleichsweise zahnlos: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt zwar noch wegen Verdacht auf Betrug und anderer Vorwürfe gegen 52 Beschuldigte, darunter auch Winterkorn, Vorstandschef Herbert Diess und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Ob es aber jemals zu einer Anklage kommt, ist unklar.

Volkswagen bezeichnet die Klage der SEC als juristisch und von der Sachlage her fehlerhaft. Zur Erklärung heißt es jedoch nur nebulös, es habe sich um Wertpapiere gehandelt, die nur erfahrenen Anlegern verkauft worden seien. Die Investoren seien nicht geschädigt worden. Sie hätten sämtliche mit den Papieren verbundenen Zahlungen vollständig und pünktlich erhalten. Mit dem Vorwurf, das Management habe Kenntnisse von den Manipulationen gehabt, hat das allerdings nichts zu tun.

Die Vorwürfe gegen Winterkorn kommentierte ein Konzernsprecher mit den Worten, die SEC wiederhole lediglich unbewiesene Anschuldigungen. Der damalige VW-Chef sei in die Verkäufe der Anleihen in keiner Weise involviert gewesen. Auch das wirft die SEC Winterkorn aber überhaupt nicht vor.

Dreieinhalb Jahre nach Bekanntwerden des Dieselskandals war man in Wolfsburg eher davon ausgegangen, dass sich die Wogen geglättet hätten. Die Hoffnung war, dass die Schuld mit Zahlungen von über 20 Milliarden Dollar sowie den Haftstrafen gegen einzelne Manager abgegolten wäre. Erst diese Woche hat der Konzern mit seiner E-Offensive einen Neustart versucht. Ganz so leicht kommt er seiner Vergangenheit aber offenbar nicht davon - zumindest nicht in den USA.

Quelle: ntv.de

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