Wirtschaft

Kampf gegen Kryptowährungen Wie China unfreiwillig zum Bitcoin-Retter wird

China lässt die Kurse nur kurz einbrechen.

China lässt die Kurse nur kurz einbrechen.

(Foto: REUTERS)

Peking kämpft mit aller Macht gegen Cyber-Währungen, weil immer mehr Chinesen ihr Geld damit ins Ausland schaffen. Doch letztlich ist Chinas Feldzug ein Glücksfall für Bitcoin und Co.

Investieren in digitales Geld ist längst kein Geheimtipp unter Internet-Freaks mehr. Sogar It-Girl Paris Hilton, die virtuell ansonsten eher mit knappen Outfits, jeder Menge Bling-Bling und schlüpfrigen Details ihres Privatlebens von sich reden macht, postete am Sonntag freudig, sie beteilige sich an einem sogenannten Initial Coin Offering (ICO). Dass das milliardenschwere Jet-Set-Girl in eine neue Cyber-Währung investieren wollte, ließ viele aufhorchen. Mancher Beobachter sprach spontan von einer "Dienstmädchen-Hausse", gemeinhin ein todsicheres Indiz, dass die Gewinnphase sich ihrem Ende nähert.

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Mit einem ICO wollen Unternehmen frisches Kapital generieren - letztlich nicht viel anders, als bei einem Börsengang. Sie erschaffen dafür eine neue digitale Kunstwährung, die Investoren kaufen sie - in der Regel mit Bitcoin - und erhalten für ihr Investment statt Aktien sogenannte Token. Was einmal als politisches Statement der Tech-Szene begann - weil digitales Geld wie Bitcoin von Zentralbanken unreguliert wachsen und gedeihen kann - bietet heute einer wachsenden Klientel unterschiedlichste Möglichkeiten für lukrative Investments - darunter auch vielen mutmaßlichen Laien.

Wundern tut das nicht. Denn Anlagen in die großen Kryptowährungen, zu denen auch Ethereum und Dash gehören, schlagen heute alle konventionellen Geldanlagen in Aktien, Gold oder Immobilien um Längen. Der Hype ist unübersehbar. Ein Bitcoin kostet mittlerweile über 4000 Euro. Während Kritiker fragen, wann die Blase platzt, lauern andere auf Möglichkeiten, noch auf den Zug aufzuspringen, um ihren Teil des Kuchens abzubekommen. So wohl auch Paris Hilton.

Die Topliste der Kryptowährungen bei Coinmarketcap.com am 6. September.

Die Topliste der Kryptowährungen bei Coinmarketcap.com am 6. September.

Dumm nur, dass unmittelbar nach der Ankündigung des amerikanischen Party-Girls die Kurse digitaler Währungen bis zu 20 Prozent crashten. Binnen 24 Stunden waren schnell mal 34 Milliarden Euro verbrannt. Mit dem milliardenschweren "Dienstmädchen" und allen anderen mutmaßlichen Laien hatte dieser Kurseinbruch allerdings nichts zu tun. Denn nicht die Spekulanten machten hier die Kurse, sondern die chinesische Finanzaufsicht. Diese hatte nämlich nur kurz zuvor ICOs, in die auch die Hilton-Erbin investieren wollte, verboten.

Kampf gegen Kapitalflucht

Insbesondere bei chinesischen Unternehmen ist Geld tanken via ICO besonders beliebt. Allein in diesem Jahr gab es laut einer Studie 65 solcher Platzierungen mit einem Volumen von insgesamt 2,62 Milliarden Yuan (umgerechnet rund 330 Millionen Euro). "ICOs sind eine Art illegale öffentliche Kapitalbeschaffung, die im Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften wie Betrug und Schneeballsystemen stehen", begründete die Zentralbank ihr Verbot.

Es ist nicht das erste Mal, dass Peking gegen Kryptowährungen eingeschritten ist. Im Februar drohte die Zentralbank mehreren Handelsplattformen mit Schließung. Die Regierung kämpft vor allem aus politischen Gründen gegen deren Verbreitung. Wegen der wirtschaftlichen Abkühlung, der hohen Verschuldung vor allem von Unternehmen und der Gefahr einer Überhitzung des Immobilienmarktes schaffen immer mehr Chinesen ihr Geld ins Ausland.

Digitale Währungen sind dabei ein immer beliebteres Fluchtvehikel, ein perfektes Schlupfloch, um die strikten Kapitalkontrollen zu umgehen. Die Volksrepublik hat sich deshalb zur Hochburg des Kryptohandels gemausert: In China werden derzeit bis zu 98 Prozent aller Bitcoin-Transaktionen abgewickelt.

Die mangelnde Regulierung hat zwar längst nicht nur die chinesischen Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen, auch die US-Finanzaufsicht SEC zweifelte jüngst die Legalität von ICOs an. Konsequenzen gab es bislang allerdings nicht.

Vorreiter bei der Regulierung?

Anleger verfolgen die Schritte der chinesischen Zentralbank deshalb umso aufmerksamer. Für Rainer Böhme, Informatikprofessor der Universität Innsbruck, ist die Volksrepublik nur ein Vorreiter. Seiner Ansicht nach könnten auch andere Staaten beginnen, den Markt zu regulieren.

Ein Ende des Hypes um Bitcoin und Co. sieht er deshalb jedoch nicht. Der Markt der Kryptowährungen sei volantil, aber ICOs seien nicht der einzige Faktor, der die Wertsteigerung von Bitcoin bedinge. Wichtig sei die Nachfrage generell. "Zu 100 Prozent kann man das Wachstum nicht erklären", sagte Böhme der "Süddeutschen Zeitung". Seine Einschätzung deckt sich mit der des Ökonomen, Nobelpreisträgers und vielleicht größten Krypto-Kritikers Robert Shiller.

Für Shiller ist es vor allem die "Qualität der Bitcoin-Story", die den Reiz ausmacht. Kryptowährungen, speziell den Bitcoin, umwehe nicht nur der Hauch des Mysteriösen, weil die Macher anonym seien. Für Menschen sei es auch eine attraktive und mächtige Vorstellung, dass Regierungen das Cyber-Geld nicht stoppen könnten. Die Krypto-Geschichte suggeriere ihnen darüber hinaus, dass sie sich für den "technischen Umbruch unserer Zeit" wappnen könnten, sagte Shiller dem US-Online-Magazin Quartz. Es passe zur "Angst unserer Zeit", dass Menschen fürchteten, den Anschluss in die Zukunft zu verpassen.

Dem Nobelpreisträger scheint genau dies jedoch äußerst riskant. Er spricht vor einer "irrationalen Übertreibung" und "spekulativen Blasenbildung". Und nicht nur Shiller warnt vor einem Crash. Trotzdem lässt sich die Uhr nicht zurückdrehen.

Konsequenzen in der realen Welt

Wie sehr Kryptowährungen auf dem Vormarsch sind, belegen die Zahlen: Der Wert aller digitalen Währungen zusammen stieg im August gegenüber dem Vormonat um 79 Milliarden Dollar, das ist ein Zuwachs von 84 Prozent. Wer heute noch denkt, dass Krytowährungen ausschließlich was für Freaks sind, täuscht sich. Sie führen kein Nischendasein im Internet mehr, sondern haben die digitale Welt längst verlassen.

Platzt die Krypto-Blase, hat das Konsequenzen in der Realwirtschaft. Der Chipfabrikant AMD freut sich dank der gestiegenen Nachfrage nach schnellen Prozessoren von Seiten der Cyber-Zocker über sprudelnde Umsätze. Das Gleiche gilt für Firmen wie AMD oder Nvidia, die tausende Menschen beschäftigen.

Deshalb werden die Finanzaufseher in vielen Ländern auch zunehmend aktiver. Wenn China aus politischen Gründen mit Verboten vorprescht, macht es das digitale Geld nicht madig, sondern stärkt das Vertrauen der Investoren sogar noch.

Für Spät- oder Neueinsteiger ist der Knick im Bitcoin-Kurs, den Peking mit seinem jüngsten Angriff verursachte, letztlich sogar ein ganz besonderer Glücksfall. Bitcoin machte am Mittwoch über acht Prozent des Kursverfalls wieder gut. Der kleine, neue Bruder Bitcoin Cash berappelte sich sogar um über neun Prozent. Nicht nur Paris Hilton wird sich dafür bedanken. Das hat sich Peking sicher anders vorgestellt.

Quelle: ntv.de

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