Wirtschaft

Kritik ohne Folgen Wenn Geldgier Aktionäre blind macht

Nicht-Entlastung: Die Bayer-Aktionäre straften ihren Vorstand auf der Hauptversammlung im April ab.

Nicht-Entlastung: Die Bayer-Aktionäre straften ihren Vorstand auf der Hauptversammlung im April ab.

(Foto: REUTERS)

Die Glyphosat-Vorwürfe waren bekannt. Trotzdem stieg die Bayer-Aktie auf ein Allzeithoch. Als der Kurs fiel, verkauften manche Anleger nicht schnell genug. Das machte sie stinksauer. Ähnlich prinzipienlos jagen auch Deutsche-Bank-Aktionäre den Gewinnen hinterher.

Als Bayer-Chef Werner Baumann im Mai 2016 sein Kaufangebot an Monsanto der breiten Öffentlichkeit im Detail erklärte, prognostizierte er: "Wir sind seit langem von Monsanto beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde." Und: "Für die Mitarbeiter der beiden Unternehmen würde der angestrebte Zusammenschluss attraktive berufliche Entwicklungschancen eröffnen."

Bayer
Bayer 27,42

Gekommen ist es anders: Der Chemie- und Saatgutkonzern will bis Ende 2021 weltweit 12.000 Stellen streichen, darunter 4500 in Deutschland. Und ein erheblicher Wert für Aktionäre entstand nur für diejenigen, die ihre Titel rechtzeitig (wieder) verkauften. Die Bayer-Aktie erlebte bis zum Sommer 2017 einen Höhenflug, der jäh endete.

Viele Aktionäre sind deshalb stinksauer auf das Management. Auf der Hauptversammlung Ende April wurden Baumann und der Rest des Vorstandes abgestraft. 55,5 Prozent des anwesenden Grundkapitals stimmten gegen die Entlastung des Topmanagements. Ein Jahr zuvor hatte es für Baumann und Co. noch den für Dax-Konzerne üblichen Zuspruch von 97 Prozent gegeben, obwohl es damals schon erhebliche Kritik an der folgenschweren Monsanto-Übernahme gab.

In der Tat: Alles, was Bayer heute auf die Füße fällt, war bekannt. Es gab reichhaltige Berichterstattung über Monsanto, das in deutschen und US-Medien gerne als "das unbeliebteste Unternehmen der Welt" bezeichnet wurde. Denn mit einem sympathischen Image konnte der US-Hersteller von Saatgut- und Unkrautvernichtungsmitteln nun gar nicht punkten.

Monsanto gefährde mit seinem genveränderten Saatgut und dem Unkrautvernichter Glyphosat die Gesundheit der Menschen und die Ökosysteme, lauteten die Einwände. US-Landwirte warfen der Firma vor, das Geschäft so auszurichten, dass sie gar nicht ohne Monsanto-Produkte auskämen. Am "March Against Monsanto" (Marsch gegen Monsanto), den es seit 2013 weltweit gibt, nehmen jährlich Hunderttausende Menschen teil.

Gute Geschäftszahlen, die Bayer 2016 vorlegte, überzeugten die Aktionäre, dass sich der Dax-Konzern mit seinem immer weiter gesteigerten Übernahmeangebot an Monsanto nicht übernehmen sollte. Gleichzeitig setzte der Preisverfall bei Glyphosat Monsanto zu. Im Geschäftsjahr 2015/16 war der Nettogewinn um rund 42 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar eingebrochen. Der Umsatz sank binnen Jahresfrist um zehn Prozent auf 13,5 Milliarden.

Risiken bewusst ausgeblendet

Der Krebsverdacht durch Glyphosat war längst Gegenstand der öffentlichen Debatte. Zwar war Bayer laut Baumann das "hohe Prozessrisiko" nicht bekannt. Dass sich aber Gerichte damit befassen könnten, spielte in den Verhandlungen der zwei Konzerne bereits eine Rolle. "Bei den ersten Gesprächen mit Monsanto lagen 21 Klagen vor", hatte Baumann gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eingeräumt. Inzwischen sind es 13.400 Klagen, die Schadenersatz im zweistelligen Milliardenbereich nach sich ziehen könnten.

Und die Aktionäre? Pfiffen darauf. Was allein für "den Markt", der doch angeblich immer recht hat, zählte, waren die Wachstums- und Gewinnaussichten. Und die waren glänzend, wenn alles so gelaufen wäre, wie es ihnen Baumann ausmalte. Seine Argumente verfingen, zumal auch eine Übernahme von Bayer durch Monsanto im Raum stand.

Am 19. Juni 2017 erreichte die Bayer-Aktie ihren Höchststand von 121,34 Euro. Heute ist sie noch etwa 54 Euro wert. Die Börse ist nun einmal Roulette. Aktien können nur abgestoßen werden, wenn es Käufer für sie gibt. Und die gibt es wie Sand am Meer. Wer die Signale - vor allem die schrägen Töne - überhört und nicht handelt, sondern von immer höheren Kursen und Dividenden träumt und sich daran berauscht, ist auf verlorenem Posten und verliert jede Menge Geld.

Dass Baumann und seine Mistreiter das Prozess- und Verlustrisiko völlig falsch einschätzten, hauen ihnen die Anteilseigner heute um die Ohren. Darunter sind mit Sicherheit Tausende, die den Kurshöhenflug gerne und kritiklos mitnahmen. Natürlich läuft der Deal in Aktiengesellschaften so: Der Anleger gibt dem Konzern Geld und erwartet vom Management bestmögliche Performance, damit sein Investment Gewinn bringt. So läuft das Geschäft. Aber das verbietet niemandem, die Unternehmen genau zu beobachten und - wenn alle Stricke reißen - sogar aus Index-Fonds auszusteigen, wenn Unternehmen wie Bayer oder die Deutsche Bank mehr oder weniger versagen.

Erst das Mauk aufreißen, dann schmusen

Deutsche Bank
Deutsche Bank 16,82

Beim nationalen Bankenprimus sind die Aktionäre nicht nur opportunistisch, sondern auch feige. Während die Bayer-Anteilseigner auf der Hauptversammlung ihrem Zorn Luft machten, kamen die Verantwortlichen des Finanzkonzerns mit einem Dämpfer davon. Dass der erst seit gut einem Jahr amtierende Vorstandsvorsitzende Christian Sewing bei 75,23 Prozent Nein-Stimmen entlastet wurde, mag angehen. Denn der Bankchef hat sein Unternehmen auf einen guten Weg gebracht und das Zeug, weitere Hürden auszuräumen. Immerhin hat er sich nicht auf das Abenteuer Fusion mit der Commerzbank eingelassen.

Im Gegensatz zu Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Dass der Österreicher ebenfalls von 71,63 Prozent der Hauptversammlung den Segen für seine Arbeit erhielt, ist nach all der Kritik ein Armutszeugnis für die Aktionäre der Deutschen Bank, die sich offenkundig alles bieten lassen. Begründet wird die Entscheidung auch mit "personeller Konstanz" im Aufsichtsrat, weil weitere Personalrochaden für noch mehr Unruhe sorgen würde.

 "Ich bedanke mich persönlich", wird Achleitner von Medien zitiert. "Wenn Sie diese Art von Demokratie wollen, können sie nicht 99 Prozent erwarten. Wir müssen wegkommen von den kommunistischen Wahlergebnissen." Falsch. Wegkommen müssen wir von Aktionären, die erst das Maul wie Löwen aufreißen und sich dann brav wie Schmusekater verhalten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen