Wirtschaft

Erst Absturz, dann Kursfeuerwerk Was ist bei Wirecard los?

Mehr als fünf Milliarden Euro Börsenwert lösen sich mit dem Absturz der Wirecard-Aktie in Luft auf - in nur einer Stunde. Der Vorstand bemüht sich um Schadensbegrenzung und spricht von "persönlichen Feindseligkeiten".

Das nennt man wohl tiefen Fall. Mitte vergangener Woche stürzte die Aktie des Zahlungsanbieters Wirecard zeitweilig um knapp 25 Prozent ab, am Freitag ging es dann trotz mehrerer Handelsunterbrechungen weiter nach unten - um bis zu 31 Prozent. In nur einer Stunde wurden rund fünfeinhalb Milliarden Euro Börsenwert vernichtet

Was ist da bloß los? Nach Ansicht des Vorstands: viel Aufregung um nichts.

Für den Absturz hatte die "Financial Times" gesorgt. Am Mittwoch berichtete die Zeitung zunächst über mögliche Dokumentenfälschung und Geldwäsche durch einen Manager von Wirecard in Singapur. Am Freitag legte das Blatt nach und meldete, dass eine von Wirecard beauftragte Anwaltskanzlei Hinweise auf finanzielle Unregelmäßigkeiten entdeckt habe.

Wirecard wies die Berichte als "diffamierend und unzutreffend" zurück. Im "Handelsblatt" sprach Vorstandschef Markus Braun nun von einer "Non-Story". "Wir haben alles aufgearbeitet. Es gibt keinerlei Risiko. Wir mussten in der Buchhaltung keinerlei Korrekturen oder Anpassungen vornehmen", sagte Braun. Weitere Vorgänge gebe es nicht. "Unsere Aktionäre werden ein starkes Jahr 2019 erleben", kündigte er an. Der Aktienkurs sprang daraufhin mehr als 12 Prozent nach oben.

Der "Financial Times" zufolge ist in einem internen Bericht der Kanzlei Rajah & Tann von einem Verdacht auf gefälschte Buchführung, Betrug, Korruption und Geldwäsche die Rede. Davon habe das Spitzenmanagement bereits am 8. Mai vergangenen Jahres erfahren. Die Behauptungen seien irreführend, so eine Konzernsprecherin. Zwar sei Rajah & Tann von Wirecard beauftragt, die Einhaltung von Vorschriften zu überwachen. Die Kanzlei habe aber zu keinem Zeitpunkt erhebliches Fehlverhalten in der Buchführung festgestellt.

"Persönliche Feindseligkeiten"

Während die Zeitung berichtete, die von Wirecard beauftragten Anwälte hätten mögliche Straftaten in mehreren asiatischen Ländern und in Deutschland ausgemacht, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, aus Sicht der bayerischen Ermittler gebe es keine Anhaltspunkte für die von der Zeitung geschilderten Straftaten.

Im April 2018 hatte laut Wirecard ein Mitarbeiter in Singapur Bedenken wegen mutmaßlicher Regelverstöße eines Kollegen geäußert. Diese hätten sich als unbegründet erwiesen. Es habe zudem Hinweise gegeben, dass die Vorwürfe auch mit "persönlichen Feindseligkeiten" zwischen den beteiligten Mitarbeitern zusammenhängen könnten.

Die Polizei in Singapur hat derweil eine Untersuchung gestartet. "Die Polizei prüft die Angelegenheit", sagte eine Sprecherin der Polizei dem "Handelsblatt". Sie sagte aber nicht, in welche Richtung ermittelt wird.

Wirecard mit Sitz in dem Münchner Vorort Aschheim wickelt für Firmenkunden in aller Welt Online-Zahlungen zwischen Verbrauchern, Händlern und Banken ab und kassiert dafür Gebühren. Der Konzern profitiert wie nur wenige andere von der weltweiten Verlagerung der Zahlungsströme ins Internet. Zu den Partnern zählt unter anderem Apple.

Wirecard war 1999 auf dem Höhepunkt der Internetblase gegründet worden und konzentrierte sich schnell auf den Zahlungsverkehr im Internet. Zu den ersten Kunden gehörten vor allem Kasinos und Porno-Seiten, weil sie den Onlinehandel damals schon nutzten. Seitdem kamen aber viele Kunden aus anderen Branchen hinzu - Aldi und TUI etwa, Lufthansa oder O2.

Commerzbank aus Dax verdrängt

Das Unternehmen hatte im vergangenen Herbst für Gesprächsstoff gesorgt, als es die Commerzbank aus dem Dax verdrängte. Zu diesem Zeitpunkt war die Firma mehr als 23 Milliarden Euro wert und überrundete damit sogar die Deutsche Bank.

Für Wirecard ist der rasante Absturz keine neue Erfahrung. In der Vergangenheit gab es wiederholt nicht erwiesene Vorwürfe gegen das Unternehmen, denen Aktienkurseinbrüche und Ermittlungen wegen Marktmanipulation durch die Finanzaufsicht folgten.

Vor mehreren Jahren wurden deshalb frühere Führungskräfte der Aktionärsvereinigung SdK verurteilt. Gegen den Herausgeber einer unter dem Firmennamen "Zatarra" veröffentlichten Publikation ist in München ein Strafbefehlsverfahren anhängig. Die Wirecard-Aktie war im Februar 2016 um ein Viertel eingebrochen, nachdem Zatarra Research dem Unternehmen betrügerische Machenschaften vorgeworfen hatte. Eine Entscheidung des Amtsgerichts München über den Vorwurf der Marktmanipulation wird nicht vor April erwartet.

Quelle: ntv.de, mit AFP/rts

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