Wirtschaft

Trump ist kein Buhmann für alles Was hinter Daimlers Gewinnwarnung steckt

Unter anderem wegen des drohenden Handelskriegs zwischen den USA und China senkt Daimler überraschend seine Jahresprognose. Ist der Autobauer vorsichtig oder ist der Zollkrieg nur ein Feigenblatt für die Diesel-Krise im Konzern?

Der Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt fordert ihr erstes prominentes Opfer in Deutschland. Als erster Dax-Konzern rechnet Daimler mit einem Gewinnrückgang durch den von US-Präsident Donald Trump angezettelten globalen Handelsstreit. 

Daimler
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In der überraschenden Pflichtmitteilung von Mittwochabend nennt der Stuttgarter Autobauer vier Gründe für seine plötzliche Gewinnwarnung: die USA-China-Zölle, die Belastungen durch das neue Abgastestverfahren, den Diesel-Rückruf und den Schwund beim Bus-Absatz in Südamerika.

Einerseits passt die Warnung ins Bild. Die ersten drei Punkte wirken klar auf die Kosten und belasten die Erträge von Daimler. Andererseits überrascht sie aber auch. Vor allem der Zeitpunkt und das angeführte China-Argument werfen Fragen auf.

Richtig ist, dass die Mercedes-Mutter unter steigenden Einfuhrzöllen, die China als Vergeltungsmaßnahme gegen entsprechende US-Zölle plant, in irgendeiner Form leiden wird. Daimler exportiert aus seinem Werk Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama jedes Jahr immerhin 60.000 Fahrzeuge nach China.

Im Reich der Spekulationen

Andererseits gelten diese höheren Importzölle in China auf Einfuhren aus den USA aber noch gar nicht. Der Handelsstreit zwischen den zwei größten Volkswirtschaften ist ständig im Fluss. Ob er wirklich in einen Krieg mündet oder ob Trump nicht noch eine 180-Grad-Wendung in dem von ihm angezettelten Streit vollzieht, können selbst Experten nicht vorhersagen.

Die derzeitige Großwetterlage sieht eigentlich gar nicht so schlecht aus: Das "Wall Street Journal" (WSJ) berichtete zuletzt, dass sich der US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, für die Abschaffung von Zöllen auf Autos beim Handel zwischen den USA und der EU einsetze. Er habe sich bei den Chefs von Daimler, BMW und Volkswagen entsprechende Rückendeckung geholt. Die Bundesregierung unterstütze diese Initiative. Zwar hat nur die Europäische Kommission ein Mandat, über Zoll- und Handelsfragen zu verhandeln. Aber Grund zur Panik scheint es bislang nicht zu geben. Laut US-Finanzagentur "Bloomberg", die den Effekt auf der Basis der derzeit geltenden chinesischen Einfuhrzölle auf Autos aus den USA durchgerechnet hat, sieht es zumindest halb so schlimm aus.

Die Annahme, dass es überhaupt zu Einbußen kommt, setzt laut Bloomberg voraus, dass Daimler die Preise in China nicht erhöhe oder versuche, keine anderen Märkte für seine Wagen zu finden. Einfach hinnehmen werden die Stuttgarter die Absatzdelle sicherlich nicht. Weitere Effekte, falls es höhere Vergeltungszölle geben sollte, gehören noch mehr ins Reich der Spekulationen und müssten eigentlich deshalb noch kein großes Thema sein.

BMW wartet ab

Auffällig in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Stuttgarter Konzernzentrale es umgekehrt nicht für nötig hielt, die Gewinnerwartungen nach oben zu schrauben, als China im vergangen Monat ankündigte, die Zölle auf Autos aus Europa ab diesem Sommer von 25 auf 15 Prozent zu senken. Positiver und negativer Effekt müssten gegengerechnet werden. Konkurrent BMW - der in den USA stärker vertreten ist als Daimler - sah zumindest bislang keinen Grund, auf den Zollstreit zwischen den USA und China zu reagieren.

Auch der negative Einfluss des neuen Abgasstandards WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure), der als zweiter Grund für die Gewinnwarnung angeführt wird, scheint bei genauerer Betrachtung dürftig: Daimler hatte bislang erklärt, nur wenige seiner Modellvarianten seien davon betroffen. Die Europäische Union hatte das Testverfahren WLTP am 1. September 2017 eingeführt. Es gilt für Personenkraftfahrzeuge und leichte Nutzfahrzeuge. "Die Kosten bei WLTP hätte man planen können", sagt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer n-tv.de. Der "große und teure Engpass" sei erst durch die Diesel-Zertifizierungen gekommen.

Genau das ist das Stichwort. Denn beim Diesel lauern die größten Unwägbarkeiten. Insgesamt muss der Stuttgarter Autobauer 774.000 Pkw-Modelle wegen überhöhter Stickoxid-Emissionen in die Werkstätten rufen - ein Großteil davon war allerdings schon bei der 2017 angekündigten freiwilligen Rückrufaktion eingeplant.

Drohen Bußgelder wegen Diesel-Tricks?

Noch ist kaum absehbar, wie sich das auf Rückstellungen für Rechtskosten auswirkt. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) wirft Daimler vor, die Abgasreinigung durch eine unzulässige Abschalteinrichtung gedrosselt zu haben. Der Autokonzern will dagegen rechtlich vorgehen. Aber es steht ein Ordnungsgeld von 5000 Euro pro Fahrzeug im Raum. Und auch in den USA droht ein Bußgeld wegen Abgasmanipulation. Diese Einmalkosten könnten weh tun.

Große Sprünge hatten Daimler-Investoren in diesem Jahr sicherlich nicht mehr erwartet. Die Gewinnwarnung an diesem Punkt aber auch nicht. Bisher waren die Warnungen, etwa vor den hohen Investitionen in Elektro-Fahrzeugen, eher zurückhaltend. Vor einem Monat sagte Konzern-Chef Dieter Zetsche: "Mehr Elektroautos sind gut für die CO2-Bilanz. Aber nicht so gut für unsere Konzern-Bilanz". In der Gewinnwarnung hat sich diese Befürchtung aber nicht niedergeschlagen.

"Die Gewinnwarnung ist eine vernünftige Informationsstrategie", sagt Dudenhöffer. Niemand sollte warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen sei. "Aber die Trumpschen Zölle in den Vordergrund zu rücken und die Diesel-Thematik unter ferner liefen zu erwähnen, ist nicht die richtige Gewichtung." Unter der gebotenen Sorgfaltspflicht war die Gewinnwarnung fällig. Es hätte sie aber wahrscheinlich so oder so gegeben. "Trump ist wohl nur der Geburtshelfer gewesen."

Quelle: ntv.de

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