Wirtschaft

Wie lange geht das noch gut? Wall Street steht vor Kurskorrektur

RTSM2RR.jpg

(Foto: REUTERS)

Der Rekordlauf an den US-Börsen scheint ungebrochen. Dennoch sind etliche Investoren ziemlich nervös - und ihre Sorgen sind mehr als berechtigt.

Wann erleben die US-Börsen die lang erwartete Korrektur? Die Zeit ist reif, immerhin hat es beim Leitindex S&P 500 in den vergangenen 16 Monaten keinen Kursrückgang um insgesamt fünf Prozent mehr gegeben. Ein Minus von zehn Prozent ist sogar schon 20 Monate her. Das sind extrem lange Zeiträume für derartige Entwicklungen. Dabei könnte sich durchaus etwas Unschönes an der Börse zusammenbrauen. Dafür gibt es vor allem die folgenden Gründe:

S&P 500
S&P 500 5.044,94

Bewertung: Der S&P 500 ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18 höher bewertet als selten zuvor. Der langfristige Schnitt liegt bei lediglich elf bis zwölf, was dem durchschnittlichen Gewinnwachstum der Unternehmen aus dem S&P 500 entspricht. In einem derartigen Umfeld können selbst kleine Auslöser genügen, um die Aktienmärkte zu erschüttern. Zuletzt gingen die Kurse zurück, weil Investoren zusehends zweifeln, ob US-Präsident Donald Trump eine Steuerreform durch den Kongress bringen kann. Sollte er tatsächlich dabei scheitern, würden sich die Gewinnperspektiven der Firmen aus dem S&P 500 deutlich verschlechtern, da bei der Reform auch deutliche Unternehmenssteuersenkungen vorgesehen sind.

Zurückfahren von Quantitative Easing (QE): Das ehemalige Anleihenkaufprogramm der US-Notenbank Fed hat die Zinsen deutlich gedrückt und im Gegenzug den Aktienmarkt enorm beflügelt. Durch die erhöhte Nachfrage nach Staatsanleihen durch das Anleihenkaufprogramm der Fed stiegen die Anleihenkurse. Das hat gleichzeitig sinkende Zinsen zur Folge. Im Oktober jedoch hat die Fed begonnen, ihre Bilanzsumme von 4,4 Billionen Dollar durch den Verkauf von Staats- und Hypothekenanleihen allmählich abzubauen, da die Wirtschaft der USA robust ist und weniger geldpolitische Unterstützung braucht. Der Sinn der Übung: den Zinsauftrieb verstärken.

Sollte es der US-Notenbank gelingen, mit der Auflösung des QE-Programms und der Anhebung der Leitzinsen für deutliche Zinssteigerungen bei Staatsanleihen zu sorgen, würde dies den S&P 500 erheblich belasten. Das ist dadurch begründet, dass die Dividendenrendite des Index bei 2 Prozent liegt und die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihen bereits jetzt schon mit 2,32 Prozent über der Dividendenrendite liegen. Steigen die Zinsen deutlich weiter, etwa auf 3,5 Prozent oder mehr, würden Aktien zusehends unattraktiver.

Rezession: Viele Experten schätzen die Rezessionsgefahr für die US-Wirtschaft zwar als sehr gering ein. Sollte Trumps Steuerreform aber scheitern, während die Fed die Zinsen weiter erhöht, würde das die hoch verschuldete US-Wirtschaft deutlich belasten. Schließlich sind die Unternehmensschulden auf Rekordhochs nach oben geschossen, während die Schulden der privaten Haushalte ebenfalls neue Höchststände erreicht haben. Damit steht die Privatwirtschaft, also die privaten Haushalte und die Unternehmen außerhalb des Finanzsektors, mit dem Rekord von 28,5 Billionen Dollar in der Kreide. Das sind 146 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. Verschlechtert sich die Wirtschaft, und kommt es zu einem stärkeren Zinsanstieg, könnte die US-Wirtschaft in eine Rezession abgleiten, da immer mehr (hoch-) verschuldete Unternehmen ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können und eine Abwärtsspirale in Gang setzen können. Üblicherweise nimmt das der Aktienmarkt sechs bis neun Monate vorweg. In dem Szenario dürfte ein deutlicher Kursrutsch beim S&P 500 bevorstehen.

Profitabilität und Konkurrenz: Wegen der sehr niedrigen Zinsen und der guten Weltwirtschaft machen die Unternehmen aus dem S&P 500 mehr Gewinn als je zuvor. Investoren befürchten allerdings, dass es den US-Arbeitnehmern wegen der sehr niedrigen Arbeitslosenquote gelingen könnte, künftig deutlich höhere Löhne bei den Unternehmen durchzusetzen. Das wiederum drückt auf die derzeit so hohe Profitabilität und würde US-Firmen stärker belasten.

Daher schauen sich Anleger nach der Kursrally in den USA nach Anlagealternativen um, was andere Börsen in den Fokus rückt. Dazu zählt auch Japan, dessen Märkte in den vergangenen zehn Jahren nur wenig Beachtung fanden. Die Wirtschaft hat sich erholt und wächst schon seit sechs Quartalen in Folge. Seit mehr als einer Dekade hat es in Japan einen derart kräftigen Aufschwung nicht mehr gegeben. "Das verlorene Jahrzehnt scheint überwunden", resümiert daher Heike Fürpaß-Peter vom französischen ETF-Anbieter Lyxor.

Geopolitische Risiken: Die Nordkorea-Krise ist vom Radarschirm verschwunden, weshalb sie nicht mehr den US-Aktienmarkt belastet. Allerdings könnte das Thema jederzeit wieder hochkochen, weil es für Trump noch längst nicht vom Tisch sein dürfte. Sollte die Lage eskalieren, könnten Investoren sich vom Aktienmarkt verabschieden. Ebenso könnte dieses Szenario auch unabsehbare wirtschaftliche Folgen für die Beziehungen der USA zu China haben, dem Verbündeten von Nordkorea.

Der Zeitpunkt für eine Korrektur ist schwer vorherzusagen, Anleger sollten allerdings die beschriebenen Risiken im Auge haben. Es könnte nämlich viel schneller zu einem Kurseinbruch am US-Aktienmarkt kommen als vielen Investoren lieb sein dürfte.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen