Wirtschaft

Korruption in Griechenland Versickerte EU-Geld für Athen bei Novartis?

Novartis soll griechische Ärzte und Politiker geschmiert haben. Dem Staat entstand mitten in der Euro-Krise ein Milliardenschaden.

Novartis soll griechische Ärzte und Politiker geschmiert haben. Dem Staat entstand mitten in der Euro-Krise ein Milliardenschaden.

(Foto: picture alliance / Petros Gianna)

Während das griechische Gesundheitssystem am Tropf der EU-Länder hing, soll Novartis Politiker in Athen geschmiert haben, um Wucherpreise für seine Pillen durchzusetzen. Milliarden könnten illegal bei dem Pharmariesen gelandet sein.

Es ist eine Geschichte, die in das Griechenland-Bild vieler Kritiker passt: Milliarden aus den Hilfspaketen der Steuerzahler in Deutschland und den anderen Euro-Ländern sind durch Bestechung womöglich in die Taschen des Schweizer Pharmariesen Novartis statt in den griechischen Haushalt geflossen. Während Griechenland über Jahre die Renten kürzte, Steuern erhöhte, Beamte feuerte und Krankenhäuser kaputtsparte, sollen korrupte Politiker in Athen überhöhte Preise für die Medikamente von Novartis abgenickt und sich und die Firma damit bereichert haben.

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Den Bericht zu der Affäre haben griechische Antikorruptionsermittler vor zwei Wochen ans Athener Parlament geschickt. Seit Donnerstag gibt es nun einen Untersuchungsausschuss. Laut dem britischen "Guardian" soll Novartis zwischen 2006 und 2015 über 4500 Ärzte mit Reisen, Geld und Haushaltsgeräten bestochen haben. Zudem soll der Pharmariese Politiker mit bis zu 50 Millionen Euro geschmiert haben. Falls die Vorwürfe stimmen, sind dem griechischen Staat laut der Zeitung mitten in der Haushaltskrise vier Milliarden Euro verloren gegangen.

Die Elite der griechischen Politik steht am Pranger: zehn Top-Politiker der Konservativen und Sozialisten, die über Jahrzehnte die Regierung stellten, darunter der frühere Premierminister und jetzige Oppositionschef Antonis Samaras, der ehemalige Übergangs-Regierungschef Panagiotis Pikramenos, der heutige Zentralbankchef Yannis Stournaras und der griechische EU-Migrationskommissar und Ex-Gesundheitsminister Dimitris Avramopoulos.

"Hexenjagd" auf die alte Elite

Novartis hat angekündigt, "rasch und bestimmt" vorzugehen, sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen. Die Politiker in Athen streiten alles als "Hexenjagd" ab. "Die rücksichtsloseste und lächerlichste Verschwörung aller Zeiten" nennt sie Samaras. Die linksgerichtete Syriza-Regierung habe "falsche Zeugen aufgerufen, um ihre Rivalen zu beschmutzen", sagte Samaras im Parlament. Er hat Premierminister Alexis Tsipras sogar verklagt. "Schändliche Verleumdung" nennt Notenbankchef Stournaras die Vorwürfe. Sie seien das Produkt "kranker Köpfe" und politisch motiviert, wies Avramopoulos die Anschuldigungen zurück.

Völlig abwegig sind sie keinesfalls. Schon 2010 tauchten die Namen mehrerer Ex-Minister auf einer geheimen Steuersünder-Liste auf, die die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde in Athen übergeben hatte. Auch enge Verwandte des damaligen sozialistischen Finanzministers Georgios Papakonstantinou standen darauf. Die Lagarde-Liste verschwand zwei Jahre lang in einer Schublade. Und als sie wieder auftauchte, waren die Namen von Papakonstantinous Verwandten von der Liste verschwunden. Der Ex-Finanzminister bekam dafür ein Jahr Gefängnis auf Bewährung.

Richtig ist aber auch, dass der Skandal der populistischen Syriza-Bewegung von Regierungschef Tsipras Zulauf bescheren dürfte. Sie liegt momentan hinter Samaras' Oppositionspartei in den Umfragen zurück. "Das griechische Volk muss erfahren, wer sich an Schmerzen und Krankheit bereichert hat", donnerte Tsipras am Donnerstag im Parlament. Ein besonders glaubwürdiger Ankläger des Parteienfilzes ist er allerdings nicht: Drei Monate nach seiner Wahl 2015 bekam Tsipras Cousin einen Posten im Außenministerium. Und der Vater seines engsten Vertrauten und Informationsministers Nikos Pappas wurde kürzlich zum Chef der Verkehrsbetriebe in Thessaloniki berufen.

Das FBI brachte Athen auf Novartis' Spur

Entscheidend werden die Beweise in dem Fall sein. Die Vorwürfe beruhen auf den Aussagen von drei anonymen Kronzeugen, deren Identität die Tsipras-Regierung schützt. Das amerikanische FBI hat die griechischen Ermittler offenbar auf die Spur des Skandals gebracht. Die Männer seien Top-Manager von Novartis und hätten sich 2016 und 2017 mit Informationen an die US-Behörden gewandt, sagte ihr Anwalt Pavlos Sarakis laut "New York Times" im griechischen Fernsehen.

Novartis ist bereits in einigen anderen Ländern durch Korruption aufgefallen. 2015 zahlte die Schweizer Firma 390 Millionen Dollar an die US-Regierung, um Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, sie habe US-Apotheken bestochen, damit sie Patienten Novartis-Pillen empfehlen. 2016 folgte ein weiterer Ablass von 25 Millionen Dollar an die US-Finanzaufsicht SEC, diesmal für Korruptionsvorwürfe in China. Und im gleichen Jahr geriet Novartis wegen möglicher Bestechung auch ins Visier der türkischen Behörden.

Quelle: ntv.de

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