Wirtschaft

"Unvertretbar riskant" VW hält Bericht zu Dieselskandal geheim

Verantwortlich für einen Weltkonzern mit mehreren Hunderttausend Arbeitsplätzen: VW-Chef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.

Verantwortlich für einen Weltkonzern mit mehreren Hunderttausend Arbeitsplätzen: VW-Chef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch.

(Foto: imago/localpic)

Chefaufseher Pötsch packt auf der Hauptversammlung ein heißes Eisen an: Zu den internen Ermittlungen in der Abgas-Affäre werde es "keinen Abschlussbericht" geben, sagt er. Dabei hatte VW der Öffentlichkeit eigentlich eine "schonungslose Aufklärung" versprochen.

Europas größter Automobilkonzern Volkswagen lehnt einen ausführlichen Bericht zu den Ermittlungsergebnissen der Anwaltskanzlei Jones Day zum Diesel-Abgasskandal weiter ab. "Mir ist bewusst, dass sich einige von Ihnen eine noch weitergehende Transparenz wünschen", sagte VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch auf der Hauptversammlung in Hannover vor versammelten Aktionären.

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"Einen schriftlichen Abschlussbericht von Jones Day gibt es nicht und wird es auch nicht geben", erklärte Pötsch. Die US-Anwaltskanzlei Jones Day hatte VW mit ausführlichen Ermittlungen zur Aufarbeitung des Skandals um manipulierte Abgaswerte bei Dieselmotoren beauftragt. Zu welchen Erkenntnissen die Ermittler kamen, soll offenbar dauerhaft Konzerngeheimnis bleiben. Über die gemeinsam mit dem US-Justizministerium veröffentlichte Faktensammlung ("Statement of Facts") hinaus werde es keinen gesonderten Bericht geben, betonte Pötsch.

Keine schriftliche Zusammenfassung

Dass VW die Erkenntnisse der Jones-Day-Ermittler - anders als anfangs versprochen - doch nicht veröffentlichen will, war bereits bekannt. Bei Aktionären stieß jetzt vor allem Pötschs Begründung auf deutliche Kritik. Der VW-Chefaufseher begründete das Vorgehen des Konzerns mit rechtlichen Risiken.

Das Unternehmen stehe in der Verpflichtung, sich "nicht in Widerspruch zu den im 'Statement of Facts' angegebenen Fakten" zu äußern, sagte Pötsch. Der Konzern wolle daher keine zusätzlichen Ergebnisse veröffentlichen. "Alles andere wäre für Volkswagen unvertretbar riskant", fügte der VW-Aufsichtsratsvorsitzende hinzu.

"Nahezu beleidigend"

Volkswagen hat für die Kosten des Dieselskandals insgesamt bereits 22,6 Milliarden Euro verbucht. Anfang des Jahres hatte sich der Wolfsburger Autokonzern gegenüber der US-Justiz schuldig bekannt und eine Strafe in Höhe von 4,3 Milliarden Dollar akzeptiert. Die von VW beauftragen US-Juristen von Jones Day hatten ihre Ermittlungen Ende März formell beendet - greifbare Ergebnisse zu den Verantwortlichkeiten gab es nicht.

Dabei stand die transparente Aufarbeitung des ungemein kostspieligen Skandals nicht nur für Politiker und VW-Aktionäre von Anfang an im Vordergrund. Auch der VW-Belegschaft, die sich seit Bekanntwerden der Diesel-Manipulationen im Herbst vor zwei Jahren um die Zukunft des Unternehmens und die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze Sorgen machen musste, hatte VW-Chef Matthias Müller Ende September 2015 wörtlich eine "schonungslose" Aufklärung des Abgasskandals versprochen.

Mittlerweile ist viel Zeit vergangen. Doch vielen VW-Aktionären geht der Aufklärungswille der Konzernspitze nicht weit genug. "Dass die Ergebnisse immer noch unter Verschluss sind, lässt vermuten, dass sie VW nicht gefallen", sagte zum Beispiel Andreas Thomae von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Invest. "Ihr Verweis auf das 'Statement of Facts' ist inhaltlich unzureichend und nahezu beleidigend", ergänzte der Experte für ordnungsgemäße Unternehmensführung, Christian Strenger.

"Grundsätzlich wollen wir zwar den Aufsichtsrat entlasten", mischte sich Hansgeorg Martius von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) in die Debatte ein. "Was wir aber nicht akzeptieren, ist, dass der Bericht von Jones Day gar nicht geschrieben wird", kritisierte der Aktionärsvertreter.

In die gleiche Kerbe schlugen andere Investoren. "Die Aufarbeitung der Gründe für die Dieselkrise ist unzureichend", sagte Hans Christoph Hirt vom Aktionärsberater Hermes EOS. Es sei auch weiter offen, wer im Vorstand wann über was Bescheid gewusst habe. "Wie soll das Vertrauen zurückerlangt werden, wenn der Abschlussbericht nicht veröffentlicht wird?"

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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