Wirtschaft

Rückzug vom Atom-Deal Trump stellt deutschen Firmen Iran-Ultimatum

US-Präsident Trump will nicht nur dem Iran zeigen, wo es langgeht.

US-Präsident Trump will nicht nur dem Iran zeigen, wo es langgeht.

(Foto: REUTERS)

Donald Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Iran macht Geschäftsbeziehungen mit dem Gottesstaat heikel. Washington wird wohl nicht zögern, auch Europas Konzerne zu sanktionieren.

Die Ansage aus den USA lässt keinen Interpretationsspielraum. Was Washington nach der Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran von Deutschland erwartet, hat der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, klar formuliert: Deutsche Unternehmen sollen "sofort" ihre Geschäfte mit dem Iran herunterfahren.

Die deutsche Wirtschaft steckt in der Zwickmühle: Wenn die USA neue Sanktionen gegen Teheran verhängen, berührt das formell zwar nicht die Entscheidungen der anderen Vertragspartner weiter Handel mit dem Iran zu treiben. Trotzdem wird Washington wohl nicht zögern, bei der erstbesten Gelegenheit deutsche oder europäische Unternehmen zu ahnden, wenn sie Geschäfte nicht nur im Iran, sondern auch in den USA machen.

Die neuen Sanktionen der USA stellten eine Gefahr für den Handel zwischen Europa und dem Iran dar, sagt der Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad n-tv.de. Man müsse schauen, "ob die Europäer einen sicheren, legalen Raum schaffen können für europäische Firmen, die weiterhin in dem Land tätig sind. Es ist aber zu bezweifeln, dass vor allem große Konzerne, für die die USA der wichtigere Handelspartner sind, es wagen, weiterhin im Iran aktiv zu sein".

Dass die Angst vor Rache aus Washington nicht unbegründet ist, zeigt ein Beispiel: Im eskalierenden Handelskrieg mit China schnitt die Trump-Administration erst kürzlich die chinesische Handyfirma ZTE vom US-Markt ab. Offizielle Begründung: massive Sanktionsverstöße von ZTE in Nordkorea - und Iran. China ist nicht Europa und hinter Washingtons Attacke auf Pekings Technikriesen standen wohl auch andere Motive. Aber es zeigt, dass die Trump-Regierung nicht unbedingt zimperlich sein wird, ausländische Firmen mit der Sanktionskeule zu strafen.

Lieferstopp für Airbus und Boeing

Ein großes Iran-Debakel zeichnet sich bereits für Airbus und Boeing ab. Sie müssen um Aufträge im Milliardenwert bangen. Beide Flugzeughersteller sind von der Zustimmung der USA bei Iran-Lieferungen abhängig. In den Flugzeugen des europäischen Herstellers Airbus steckt enorm viel Technik aus US-Produktion. US-Finanzminister Steven Mnuchin hat bereits angekündigt, dem europäischen Flugzeugbauer und dem amerikanischen Rivalen Boeing die Lizenz zum Verkauf von Passagiermaschinen an Iran zu entziehen. Damit steht die Bestellung von 200 Fliegern für IranAir mit einem Listenpreis von insgesamt 38,3 Milliarden Dollar auf der Kippe. Die Hälfte dieser Aufträge entfällt auf Airbus.

Bei deutschen Unternehmen ist die Verunsicherung deshalb groß. Überstürzen will man nichts. Man sei noch dabei, die Folgen zu analysieren, sagt Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas. Der Industrieriese werde sich an alle Export-Vorschriften halten. Erst im vergangenen Jahr hatte der Konzern einen Sonderertrag von 130 Millionen Euro verbucht, weil Aufträge im Iran nach dem Ende der Sanktionen wieder auflebten. "Wir werden Dinge, die wir begonnen haben, im rechtlichen Rahmen auch zum Ende bringen", kündigt Thomas an.

Auch andere Großkonzerne wie VW äußern sich vorsichtig. "Volkswagen hat im vergangenen Jahr damit begonnen, Fahrzeuge in den Iran zu exportieren", erklärt ein Sprecher. "Wir beobachten und prüfen die Entwicklung des politischen und wirtschaftlichen Umfelds in der Region daher sehr genau."

Auch Henkel-Chef Hans Van Bylen stellte fest, dass die Auswirkungen der US-Entscheidung für den Konsumgüterkonzern noch nicht klar seien. Deshalb wolle er über einen möglichen Rückzug aus dem Iran nicht spekulieren. Henkel erwirtschaftet im Iran ein Prozent des Konzerngeschäfts.

USA wollen auch Europäer bestrafen

Die Geschäfte der deutschen Wirtschaft stünden "unter einem enormen Vorbehalt", warnt der Präsident des Deutschen Industrie- und und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer. Die Unternehmen treibe die Sorge um, durch ihren Handel mit dem Iran das US-Geschäft zu verlieren. "Schließlich drohen jetzt auch europäischen Unternehmen Strafen in den USA, sollte sich zum Beispiel der iranische Geschäftspartner auf US-Sanktionslisten wiederfinden." Viele US-Sanktionen träfen deutsche Unternehmen selbst dann, wenn die EU auf Sanktionen verzichteten. Es ist zudem unklar, ob die USA Altverträgen einen Bestandschutz gäben.

Was jahrelang aufgebaut wurde, könnte mit einem Federstreich zunichte gemacht werden. Bereits kurz vor Trumps Ankündigung hatte der DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier erklärt: Der Schaden werde über das Bilaterale hinausgehen. "Das zarte Pflänzchen, das sich zuletzt entwickelt hat, könnte wieder zertreten werden." BDI-Präsident Dieter Kempf pflichtete bei: "Unsere Unternehmen haben sich große Hoffnungen auf die Marktöffnung durch Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gemacht. Diese Aussichten sind nun eindeutig getrübt."

Deutschland zählt zu den wichtigsten europäischen Handelspartnern Irans. Derzeit sind etwa 120 deutsche Firmen mit eigenem Personal vor Ort, darunter auch Großkonzerne wie Siemens. Etwa 10.000 deutsche Unternehmen treiben Handel mit dem Gottesstaat. Die deutschen Warenexporte stiegen im vergangenen Jahr um 16 Prozent auf knapp drei Milliarden Euro, was etwa 0,2 Prozent der deutschen Gesamtexporte ausmacht. "Das wird in diesem Jahr auf diesem Niveau stagnieren", prognostiziert Michael Tockuss,Vorstandsmitglied der Deutsch-Iranischen Handelskammer.

"Dieses Abkommen ist nicht tot"?

Schon vor dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen war es schwierig, Geschäfte in dem Land zu machen. Große Banken waren bislang nicht bereit, das Iran-Geschäft anzufassen - vor allem aus Sorge vor möglichen US-Strafen. Laut den Handelskammern gibt es viele Projektanfragen, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien, die im Iran derzeit stark gefördert werden, aber an der fehlenden Finanzierung scheitern. Trumps Rückzieher ist ein zusätzlicher Bremsklotz.

Den Graben im transatlantischen Verhältnis dürften die Sanktionen weiter vertiefen. Angela Merkel, Frankreichs Präsident Macron und Großbrtanniens Premierministerin May haben bereits Widerstand angekündigt. Sie wollen sich auch für "den Erhalt von wirtschaftlichen Vorteilen für das iranische Volk" einsetzen, die das Atomabkommen gebracht habe.

Damit der gerade aufgeblühte Handel nicht zum Erliegen kommt, ist die Politik gefragt: Der Maschinenbauerverband VDMA sieht die iranische Führung am Zug. Die müsse entscheiden, ob sie am Atomabkommen auch ohne die USA festhalten wolle. Am Montag treffen sich die Iraner mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens. Dann entscheidet sich, ob das Abkommen wirklich tot ist.

Quelle: ntv.de

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