Kartellamt überprüft Stahlriesen Thyssen schockt mit neuen Hiobsbotschaften
09.11.2018, 15:28 UhrSeit Jahren steckt Thyssenkrupp in der Krise. Auch unter dem neuen Vorstandschef Kerkhoff kommt der Stahlriese nicht auf die Beine. Mit einem Kartellverfahren und einer massiven Gewinnwarnung verschreckt der Konzern nun abermals seine Anleger.
Der Industriekonzern Thyssenkrupp kommt auch unter dem neuen Chef nicht auf die Beine: Zu schleppenden Geschäften mit Anlagen, Autoteilen und Aufzügen gesellt sich nun auch noch eine drohende Kartellstrafe in der Stahlsparte. Der neue Vorstandschef Guido Kerkhoff, gerade einmal seit dem Sommer im Amt, muss deshalb einräumen, dass der Industriekonzern auch seine bereits nach unten korrigierten Ziele im abgelaufenen Geschäftsjahr verfehlt hat.
An der Börse sorgt das für einen regelrechten Ausverkauf. Die Aktie verlor zeitweise mehr als zwölf Prozent und verbuchte damit den höchsten Verlust innerhalb eines Tages seit Juni 2016. Zudem war sie mit Abstand schwächster Wert im Dax. "Das zeigt, wie fragil das Geschäft ist und schwächt das Vertrauen in den Vorstand noch weiter, der die Probleme einfach nicht in den Griff bekommt", sagte Portfoliomanager Ingo Speich von Union Investment. "ThyssenKrupp ist immer noch ein Koloss auf tönernen Füßen."
Die vollständige Bilanz stellt Kerkhoff am 21. November vor. Aber schon jetzt ist klar, dass die Zahlen für 2017/18 (per Ende September) eine Enttäuschung sind. Das operative Ergebnis ging auf 1,6 (Vorjahr: 1,7) Milliarden Euro zurück. Der Überschuss brach um beinahe zwei Drittel auf 100 Millionen. Erst Ende Juli - wenige Wochen nach dem Rücktritt seines Vorgängers Heinrich Hiesinger - hatte Kerkhoff die damalige Prognose eingedampft und ein bereinigtes Ebit von rund 1,8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt sowie einen Überschuss deutlich über dem Vorjahr.
Kerkhoff ist bereits seit 2011 im Konzern und galt als enger Vertrauter Hiesingers. Der langjährige Finanzvorstand war zunächst nur als Interimschef gehandelt worden. Doch dann hatte er die Gunst der Stunde genutzt, Probleme in den einzelnen Konzernsparten klar beim Namen genannt, mehr Rendite versprochen und einen Fünfjahresvertrag erhalten. Nun holen ihn die Probleme wieder ein. "Es droht eine grauenhafte Hauptversammlung Anfang Februar kommenden Jahres mit schlechten Ergebnissen und unklaren Perspektiven", sagte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer.
Anfangseuphorie ist passé
Am Markt ist die Euphorie über die vor wenigen Wochen angekündigte Aufspaltung des Konzerns schon wieder verflogen. Kerkhoff will den Konzern aufteilen - in eine Industrials AG, zu der unter anderem die lukrative Aufzugssparte gehören soll, und eine Materials AG mitsamt der Beteiligung an dem geplanten Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel.
"Der entscheidende Punkt ist doch, wie bringe ich das Geschäft voran", sagte Anlegerschützer Hechtfischer. Allein durch eine Aufspaltung würden die Geschäfte nicht ertragreicher. Außer hohen Kosten im Milliardenbereich habe er nichts Konkretes dazu gehört. "Es wird schwer zu erklären, wie das vorangehen soll, nachdem jetzt doch ein ganzer Sack von Belastungen aufgemacht worden ist. Selbst die Aufzugssparte läuft seit Jahren bei der Performance den Besten hinterher."
Ein Marktexperte äußerte die Vermutung, dass Kerkhoff nun reinen Tisch macht. Dann könne er im neuen Geschäftsjahr umso besser aussehen. Auch Thyssenkrupp richtet den Blick nach vorne und erklärte: "Der Vorstand räumt konsequent auf und adressiert offen alle Themen."
Bundeskartellamt ermittelt
Das Unternehmen war früher öfter zu hohen Kartellstrafen verdonnert worden. In der Branche hatte es Absprachen nicht nur beim Stahl und Edelstahl, sondern auch bei Eisenbahnschienen und Aufzügen gegeben. Thyssenkrupp Steel Europe AG sei neben anderen Firmen und Verbänden der Stahlbranche Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren des Bundeskartellamts zu mutmaßlichen Kartellabsprachen der Vergangenheit, hatte der Konzern nun erneut gewarnt. Es handele sich um alte Fälle. "Die handelnden Personen arbeiten bereits allesamt nicht mehr in ihren Verantwortungsbereichen beziehungsweise sind nicht mehr im Unternehmen", hieß es. Das Kartellamt erklärte, dass die Verfahren weiter liefen. Man äußere sich derzeit aber weder zu Namen der Unternehmen noch dazu, wann die Untersuchungen möglicherweise abgeschlossen werden.
Entwarnung gab Konkurrent Salzgitter: Der zweitgrößte deutsche Stahlkonzern sieht im Zusammenhang mit den Ermittlungen des Bundeskartellamts keine Notwendigkeit zur finanziellen Vorsorge. Das Unternehmen habe keinerlei neuen Erkenntnisse über Kartellverfahren im Stahlbereich und habe auch keine Rückstellungen dafür gebildet, sagte ein Sprecher.
Quelle: ntv.de, cri/rts