Wirtschaft

Minus 40 Prozent zum Auftakt Steinhoff lastet schwer auf dem MDax

Kein kleiner Fisch: Steinhoff ist ein Weltkonzern mit mehr als 100.000 Mitarbeitern - und erheblichen Schwierigkeiten.

Kein kleiner Fisch: Steinhoff ist ein Weltkonzern mit mehr als 100.000 Mitarbeitern - und erheblichen Schwierigkeiten.

(Foto: REUTERS)

Ein einzelner Aktienkurs droht die Wochenbilanz der deutschen Nebenwerte zu ruinieren: Für Anleger von Steinhoff gibt es weiter heftige Kursausschläge. Börsianer sprechen von einem "Zockerpapier". Schockwellen des Debakels laufen bis zur EZB.

Die Talfahrt des Schreckens ist noch nicht überstanden: Die Aktien des von einem Bilanzskandal erschütterten Einzelhandelskonzerns Steinhoff haben auch zwei Tage nach Beginn des jüngsten Kursrutsches noch keinen festen Boden erreicht. "Die Aktie ist nur noch ein Zockerpapier", kommentierte ein Händler die Lage.

Der Kurs des deutsch-südafrikanischen Einrichtungshausbetreibers sackte am Morgen um weitere 40 Prozent ab und kostete damit im bisherigen Tagestief nur noch 0,35 Euro. Im Handelsverlauf am Freitag konnte sich der Kurs kurz erholen. Am Vormittag stiegen die Steinhoff-Papiere bis auf 65 Cent und und notierten damit zeitweilig acht Prozent fester. Vor Beginn des Kursrutsches am Mittwochmorgen hatten die im Nebenwerteindex MDax notierten Steinhoff-Aktien allerdings noch weitgehend stabil bei rund 3,0 Euro notiert.

"Keiner weiß, was im Moment bei Steinhoff abgeht. Das ist die reinste Wundertüte", meinte ein Marktbeobachter. Die auch an der Börse Johannesburg in Südafrika notierten Aktien wurden einst sogar als Anwärter für den Dax gehandelt. Steinhoff ist nach Ikea der weltweit zweitgrößte Möbelkonzern.

Wie Blei im MDax

Für den MDax entwickelt sich Steinhoff zunehmend zum Belastungsfaktor: Am Vortag hatte die Aktie den Index praktisch im Alleingang ins Minus gedrückt, während es am übrigen Gesamtmarkt überwiegend nach oben ging. Anleger fürchten bereits den Rauswurf aus dem Nebenwerteindex. "Wenn das so weitergeht, fliegen sie raus, dann reicht es wahrscheinlich nicht mal mehr für den SDax", sagte ein Händler.

Vor dem Wochenende schien die Steinhoff-Aktie ihre Stellung als riskanter Penny-Stock in der Auswahlliste der wichtigsten 50 deutschen Nebenwerte zu zementieren: Die Steinhoff-Aktie war im frühen Handel nicht nur der mit Abstand größte Verlierer im MDax, sondern auch der einzige MDax-Wert überhaupt, der nicht freundlich nach oben zog.

Auslöser des Börsendebakels rund um Steinhoff ist der frisch aufgeflammte Verdacht auf Bilanzfälschung. Am Dienstagabend waren offenbar neue Hinweise auf das Ausmaß der Manipulation aufgetaucht. Steinhoff-Chef Markus Jooste musste daraufhin mit sofortiger Wirkung gehen. Das Unternehmen kündigte an, die Bilanzdaten überprüfen zu müssen. Dadurch mussten Analysten ihre Bewertungen umgehend einkassieren oder zumindest mit deutlichen Warnhinweisen versehen.

Verdacht auf Bilanzfälschung

Steinhoff auf einen Blick
  • Internationaler Einzelhandelskonzern
  • Rund 12.000 Niederlassungen in mehr als 30 Einzelmärkten
  • Zahlreiche bekannte Einzelhandelsmarken, darunter "Poco" in Deutschland
  • Anzahl der Beschäftigten weltweit: rund 130.000

(Quelle: Unternehmensangaben)

Neu sind die Zweifel an der Belastbarkeit der Steinhoff-Daten dabei nicht. Gegen Manager des Betreibers von "Poco"-Möbelhäusern wird seit August wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung ermittelt. Der überraschende Rücktritt von Konzernchef Jooste jedoch zerschlug bei Investoren offenbar alle verbliebenen Hoffnungen. Jooste war bei Steinhoff seit zwei Jahrzehnten im Amt.

Noch ist unklar, wie schwer der Bilanzskandal das Unternehmen mit seinen rund 130.000 Beschäftigten treffen wird. Die Kursturbulenzen belasten unterdessen nicht nur den MDax, sondern dürften auch an der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht spurlos vorüber gehen. Denn die Währungshüter sitzen auf Steinhoff-Anleihen, die sie im Rahmen ihres Wertpapier-Kaufprogramms erworben haben.

Die von den Euro-Wächtern gehaltene Steinhoff-Anleihe mit Laufzeit bis 2025 reagierte nach Bekanntwerden der neuen Zweifel ebenso heftig wie der Aktienkurs: Binnen weniger Tage vervierfachte sich hier die Rendite von 3,5 auf fast 12 Prozent. Ein Anstieg der Renditen spiegelt die Risikoeinschätzung der Marktteilnehmer wider.

Heiße Kartoffel im freien Fall

Dass die Währungshüter in den Sog der Steinhoff-Talfahrt geraten konnten, steht mit dem Krisenkurs unter EZB-Chef Mario Draghi in einem unmittelbaren Zusammenhang. Um die geldpolitischen Stützungsmaßnahmen in der Eurozone zu verstärken, ist die EZB dazu übergangen, neben Staatsanleihen auch in Schuldentitel von Unternehmen zu investieren. Firmenanleihen kauft die Zentralbank seit Mitte 2016. Für den Erwerb der Steinhoff-Anleihe war seinerzeit die finnische Notenbank zuständig.

Am Aktienmarkt behandeln Börsianer Steinhoff derzeit wie eine heiße Kartoffel: "Mit den Aktien im Depot will kein Fonds oder Vermögensverwalter am Jahresende erwischt werden", meinte ein Händler. "Die werden bis auf das letzte Stück aus den Depots gekehrt". Mittlerweile gehe es hier nur noch "um Gesichtswahrung", und nicht um wirtschaftliche Gründe, da der bevorstehende Depotausweis zum Jahresabschluss "noch für Jahrzehnte in der Historie der Fonds einsehbar" sei.

Ein starkes Signal für den Ausverkauf lieferte zuletzt auch die Bonitätswächter. Die Ratingagentur Moody's stufte die Kreditwürdigkeit in einer eilig angesetzten Überprüfung um gleich vier Notenstufen tiefer ein.

Quelle: ntv.de, mmo/DJ/rts

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